Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
43. Sitzung vom 8. Dezember 1976
1850
Substandardwohnungen in der Stadt, davon müssen wir —
sagt das DIW — ungefähr die Hälfte als nicht moderni
sierungsfähig ansehen; wir müssen insgesamt bis 1990 un
gefähr 125 000 Wohnungen schaffen, sei es im Neubau, sei
es in totalen oder weitgehenden Modernisierungen. Wir
müssen das bewältigen und dabei einige zusätzliche Krite
rien erfüllen. Herr Franke, da habe ich übrigens eine Frage
— Sie sind schon eine Weile, seit 1963, wenn ich es richtig
in Erinnerung habe, und das betrübt Sie, in der Opposi
tion —; Wieso ist die Frage nach den familiengerechten
Wohnungen und die Frage der Spezifizierung im Woh
nungsbau von Ihnen nicht schon lautstark vor über einem
Jahrzehnt aufgeworfen worden?
(Abg. Lummer: Ist sie! — Zuruf von der CDU:
Ach, na hören Sie mal!)
— Es wird mir Spaß machen,
(Abg. Lummer: Lesen Sie mal Protokolle! —
Zuruf von der CDU: Taube Ohren haben Sie!)
einen Dienstanwärter da heranzusetzen, der einmal die
Protokolle durchsieht.
(Zurufe)
— Herr Wronski, ich darf dankenswerterweise sagen, daß
wir uns im Bauausschuß darauf verständigt haben, daß wir
zugunsten der kinderreichen Familien bei den größeren
Wohnungen einiges tun werden. Dieses muß ich sagen;
(Abg. Lummer: überlegen Sie mal, wann Ihnen
das einfällt; 1976 fällt Ihnen das ein!)
vielleicht fällt uns das gleichzeitig ein. Nun meinen sie,
daß Sie das bereits beim Empfang des Apfels wußten, Herr
Luster. Sie sind da sehr clever, und Sie wissen das alles
weit vorher. Ich werde einmal nachsuchen lassen, ob Sie
sich irgendwo schon so geäußert haben. Ich bestreite das.
(Abg. Wronski: Das hatten wir gefordert, da
hat der frühere Bausenator noch Wohn/Schlaf-
Toiletten propagiert! — Weitere Zurufe)
Nur, und damit möchte ich abschließen — und das ist eine
gute Grundlage, meine Damen und Herren —: Herr Franke
hat hier für die Opposition gesagt, daß das, was das DIW
zum Wohnungsbedarf sagt, sozusagen mit Richtschnur der
Wohnungspolitik sein muß; auch wenn er meint — und da
setzt der Versuch ein, sich in Widerspruch zur Koalition zu
setzen —, daß — ich zitiere Sie — die Koalition nichts dafür
tut, um die Differenz zwischen Todesfällen und Geburten
zahl aufzufangen. Ja, und dies ist ein ganz großer Irrtum.
Dieses wird zwar hier von Ihnen schon das fünfzigste Mal
behauptet, es wird dadurch aber nicht besser. Ich gehe
davon aus, daß alle Parteien in diesem Hause bestrebt sind,
die Bevölkerungszahl dieser Stadt nicht zu mindern, son
dern zu erhalten.
(Abg. Franke; Na, dann sagen Sie das doch
endlich mal!)
— Aber dieses habe ich doch — im Protokoll nachzulesen
— hier auch schon das sechste Mal gesagt; und Herr Riehl
hat das heute auch gesagt. — Es gibt da überhaupt keinen
Streit. Nur die Vorstellungen — und damit schließe ich —
der Opposition entsprangen auch heute wieder leider eben
nicht dem Realismus, sondern einem Wunschdenken, das
man manchmal in die Nähe romantischer Schwärmerei
bringen könnte.
(Beifall bei der SPD — Abg. Franke: Was Sie sagen,
ist Pessimismus!)
Stellv. Präsident Baetge: Das Wort hat der Abgeordnete
Lummer. Bitte schön!
Lummer (CDU); Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich möchte nur eine kurze Bemerkung zu den Aus
führungen des Bausenators machen. Ich bin eigentlich ein
wenig verwundert, daß Sie wirklich den Mut gehabt haben,
hier derartige Ausführungen zu machen. Der Kollege Heß
hat heute darauf verwiesen — und er glaubt, damit habe
er eine großartige Leistung für seine Fraktion getan —,
daß Ernst Reuter im Jahre 1948 gesagt hat, das Ziel der
Politik der SPD bestünde darin, aus Berlin eine wohnliche
Stadt zu machen. Was ist nun in dieser Zeit geschehen?
(Abg. Papenfuß: Nein, nein, das ist ein
verfälschendes Teilzitat! — Abg. Rheinländer:
Er hat was anderes gesagt; darauf können Sie
das nicht zurückführen!)
— Bitte um Verzeihung; Herr Heß kann ja nachher noch
einmal diese spezielle Passage zitieren,
(Zurufe von der SPD — Unruhe)
ob nicht das Wohnlichmachen ein Ziel ist, das die Politik
Reuters anstreben sollte; nicht mehr habe ich hier gesagt.
Und nun erfahren wir aber aus dem erwähnten Referat,
das hier von allen offenbar gelesen, ja vielleicht sogar ge
radezu studiert wurde,
(Zuruf: Das natürlich wieder nicht!)
daß Berlin im Hinblick auf die Qualität mit vergleichbaren
Bereichen der Bundesrepublik Deutschland schlechterdings
das rote Schlußlicht im Wohnungsbau darstellt.
(Abg. Heß: Das ist ja nicht wahr!)
Was heißt das? Dieses hat Herr Dr. Watter des längeren
und breiteren ausgeführt, und der Herr Bausenator weiß,
daß das nicht zu bestreiten ist.
(Abg. Heß: Fünf- und mehr Zimmer-Wohnungen!)
Nicht nur in diesem Bereich,
(Anhaltende Unruhe — Widerspruch bei der SPD —
Zurufe von der SPD)
auch was die Qualität anbetrifft, ob mit Bad und WC oder
nicht. Ja, wir sind schlechter als alle anderen.
(Beifall bei der CDU — Abg. Heß: Nein! —
Zuruf des Abg. Hucklenbroich)
— Herr Hucklenbroich, ich muß jetzt entnehmen, daß Sie
das nicht gelesen haben, sonst müßte ich Sie für einen
Trottel halten:
(Abg. Papenfuß: Unerhört, ausgerechnet
Hucklenbroich! — Zuruf des Abg. Hucklenbroich)
— Herr Hucklenbroich, sonst müßte ich Sie dafür halten,
denn ich habe gesagt: Mit vergleichbaren Räumen der Bun
desrepublik Deutschland. Dem Referat von Herrn Dr.
Watter, das heißt der Untersuchung des Deutschen Insti
tuts für Wirtschaftsforschung, liegen vier Regionen und
das Land Bremen zugrunde. Das ist hier gemeint. Und bei
dem Vergleich schneidet Berlin im Hinblick auf die Quali
tät
(Zuruf von der SPD: Nein!)
am schlechtesten ab. Daran ist überhaupt nicht zu zwei
feln.
(Widerspruch bei der SPD)
Der Bausenator wird auch gar nicht darüber reden; und
Sie sollten ihn nicht verteidigen, wo er sich gar nicht mehr
verteidigen will und gar nicht mehr verteidigen kann.
(Abg. Papenfuß: Das ist falsch, Sie gehen von
falschen Voraussetzungen aus! —
Anhaltende Unruhe)
Hier ist eindeutig, daß der Senat gelegentlich in der Zwi
schenzeit mal gesagt hat — und der Regierende Bürger
meister hat das kürzlich noch einmal wiederholt —, Berlin
müßte auf dem Sektor des Wohnungsbaus dadurch eine