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Volume Nr. 43, 08.12.76

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1976, 7. Wahlperiode, Band II, 20.-45. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
43. Sitzung vom 8. Dezember 1976 
1827 
der dieses Hauses auch — dafür einstehen, daß dieses 
Grundrecht jedem gewährt wird, der politischen Verfolgun 
gen ausgesetzt war oder ausgesetzt ist. 
Dieses Grundrecht ist aber unteilbar. Es muß für alle 
politisch Verfolgten gelten. Wir können und dürfen da nicht 
sortieren zwischen jenen, die uns genehm sind, und solchen, 
die uns nicht genehm sind, oder zwischen jenen, die unseren 
Etat übermäßig belasten, und solchen, die aufgrund ihrer 
Stellung in ihrem Heimatland hier sofort in der Lage sind, 
für ihren Lebensunterhalt selbst aufzukommen; oder auch 
zwischen jenen, meine Damen und Herren, die schon bei 
der Einreise bzw. bei der Anmeldung schon Zweifel auf- 
kommen lassen, ob sie tatsächlich Verfolgungen ausgesetzt 
waren, und solchen, bei denen jeder Zweifel ausgeschlossen 
ist. 
Wer möchte es auf sich nehmen, einen Verfolgten, der 
um Asyl nachsucht, seinen Verfolgern und damit oft genug 
seinen Henkern auszuliefern? In diesem Hause doch wohl 
keiner. Daraus müssen wir folgern, meine Damen und Her 
ren von der Opposition, daß wir die finanziellen Belastun 
gen auch für jene zu tragen haben, bei denen Zweifel bis 
zu dem Tag bestehen werden, an dem die zuständige Be 
hörde das Gegenteil bewiesen und durch Urteil festgestellt 
hat. 
Der Herr Senator Neubauer hat zu den Fragen des Miß 
brauchs und den möglichen Maßnahmen Stellung genom 
men. Ich kann es mir daher ersparen, darauf nochmal ein 
zugehen. Natürlich wissen wir auch, daß durch die be 
sondere Situation und die besondere Lage Berlin ein An 
ziehungspunkt ist, und es ist leichtgemacht, hier einzureisen, 
indem man sich nach Ankunft auf dem Flughafen Schöne 
feld in die U- oder S-Bahn setzt und hier erscheint. Nur 
gilt diese Diskussion nicht nur dem Personenkreis der 
politisch Verfolgten, sie gilt auch einem anderen Personen 
kreis, mit dem wir uns hier auch schon oft beschäftigt 
haben, nämlich den Gastarbeitern oder solchen, die es wer 
den wollen, und deren Familienangehörigen. Wir waren 
bisher nicht in der Lage, einen Vorschlag zu machen, um 
das illegale Einreisen auch dieses Personenkreises zu ver 
hindern. Und ich habe in den zwei Jahren, in denen ich 
diesem Haus angehöre, auch keinen Vorschlag von der 
Opposition gehört, wie man das verhindern könnte. Wir 
müssen uns auf den Standpunkt der Rechtsstaatlichkeit 
stellen, wer bei uns einreist, ist willkommen, wir können 
nicht jeden S- oder U-Bahnhof kontrollieren, und — ich 
sage das jetzt in Anführungsstrichen — „eine Mauer um 
die andere Mauer herum“ wollen wir natürlich auch nicht 
bauen. 
Abschließend — unter dem Strich: Ich sehe keinen Weg, 
diese illegalen Einreisen zu verhindern. Natürlich stimme 
ich mit Ihnen überein, daß die Diskussion um dieses Ge 
samtproblem weitergeführt werden muß. Aber es kann 
nicht nur in Berlin geführt werden, denn wir sind nur ein 
Bundesland, es muß von der Innenministerkonferenz vor 
angetrieben und bundesweit diskutiert werden, um Maß 
nahmen zur Beschleunigung des Verfahrens zu erreichen. 
Und das scheint mir der einzige Weg zu sein, auf dem 
wir etwas machen können. Herr Kollege Rzepka, ich weiß 
nicht, ob Sie es nicht wußten oder ob Sie sich hier ver 
sprochen haben, der Innensenator in Berlin als Ausländer 
behörde kann die Verfahren überhaupt nicht beschleuni 
gen, dafür ist Zirndorf in erster Instanz zuständig und 
später das Verwaltungsgericht Ansbach. Wir haben also 
kaum einen Einfluß, weil die Verfahren ja dort bearbeitet 
und abgeschlossen werden. 
(Abg. Rzepka: Sie haben doch sicher zur 
Bundesregierung vielleicht gute Kontakte; 
die besteht doch aus denselben Parteien!) 
"7 Ja, Herr Kollege, das habe ich gerade gesagt. Es ist 
6me Möglichkeit gegeben, daß sich die Innenministerkon 
ferenz mit der Bundesregierung in Verbindung setzt und 
daß hier gemeinsam für alle Bundesländer etwas getan 
wird. Nur, dieses Patentrezept, zu sagen: Hier ist es so 
e 'nfach, hier können die alle rüberkommen, und nun macht 
m al hier so etwas —, das hört sich wunderbar an und 
Wl rd sicher auch groß auf genommen werden. Nur habe ich 
kein Patentrezept, und ich habe von Ihnen leider auch 
keins gehört, und der Senat hat eben auch keins. Und wenn 
Sie, Herr Rzepka oder Herr Wischner, die Sie bisher dazu 
gesprochen haben, dazu ein Patentrezept haben, würde ich 
Sie bitten, das ganz schnell hier auf den Tisch des Hauses 
zu legen, Sie werden Beifall bei allen Fraktionen ernten 
und auch beim Senat, und der Senat wird bemüht sein, 
das sofort in die Tat umzusetzen, keine Mauer zu bauen, 
keine Kontrollen einzurichten und trotzdem die illegalen 
Ausländer hier zu erfassen. Trotzdem war es sicher sinn 
voll, über diese Frage einmal zu diskutieren. Aber wir 
müssen wissen, daß wir eine endgültige Lösung dieses 
Problems hier nicht finden können. — Ich danke Ihnen für 
Ihre Aufmerksamkeit. 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete 
Baetge. 
Baetge (F.D.P.): Herr Präsident! Meine sehr verehrten 
Damen, meine Herren! Der Kollege Wischner hat ln diese 
Debatte das Wort „Asylanten“ eingebracht. Ich finde, das 
klingt ein wenig diskriminierend, und ich denke da be 
sonders an eine Zeit, ln der unsere Landsleute von Land 
zu Land ziehen mußten, um als „Asylanten“ ein bißchen 
Lebensraum für sich zu finden. Deshalb sollte man sich 
hier an den Terminus technicus Asylsuchende halten. Im 
übrigen hat der Kollege Rzepka gesagt, er wolle das Asyl- 
recht nicht antasten — das kann er auch nicht, weil dies 
schließlich ein garantiertes Grundrecht ist. Wir sind uns 
doch darüber einig, daß dieses Recht auf Asyl zum demo 
kratischen Rechtsstaat gehört und verteidigt werden 
muß. Ich hoffe, da stimmen wir überein. Nun muß man 
dazu allerdings auch folgendes sagen: Das Asylrecht gilt 
auch für Personen, die den hier herrschenden Auffassun 
gen über unseren Staat nicht zustimmen oder sie gar ab 
lehnen. Das Grundgesetz gestattet es nicht, daß die Länder 
gesetze dieses Grundrecht einschränken. Lediglich wer das 
Asylrecht mißbraucht, um gegen die freiheitlich-demokra 
tische Grundordnung zu kämpfen, kann das Recht auf 
Artikel 16 Abs. 2, also das Recht auf Asyl, verwirken. Der 
Rechtsanspruch des Asylsuchenden auf Erteilung der 
Aufenthaltserlaubnis wird in einem durch das Ausländer 
gesetz geregelten rechtlichen Verfahren verfolgt — dies 
ist hier noch nicht gesagt worden, deshalb sage ich es —; 
gegen die Entscheidung der Anerkennungs- und Wider 
spruchsausschüsse können Rechtsmittel eingelegt werden; 
dies ergibt eine Rechtsmittelgarantie. Dies gilt auch für den 
Fall, daß die Rechte mißbräuchlich in Anspruch genommen 
werden, wie das leider immer wieder vorkommt. 
Ich denke, unser Ausländerrecht ist im Prinzip gut. Es 
können aber — und leider muß man das hier feststellen — 
die tragischen Probleme der Palästinenser, um die es ja 
sehr häufig geht, nicht durch eine Änderung des Asyl 
rechts gelöst werden. Sicherlich gibt es auch sonst noch 
eine ganze Menge Kritisches zu bemerken, zum Beispiel 
zur Dauer der Verwaltungsgerichtsverfahren etc. Es ist da 
bei zu überlegen, ob dies Verfahren vielleicht nicht sogar 
kostenfrei gemacht werden soll — bitte steinigen Sie mich 
nicht —, aber oft stellt man fest, daß nach Ende des Ver 
fahrens, wenn ausgesprochen ist, wer die Kosten zu tragen 
hat, daß von dem, der sie dann zahlen soll, überhaupt nichts 
mehr zu holen ist. 
Aber, meine Damen und Herren, es ist eigentlich alles 
Wesentliche schon gesagt worden. Lassen Sie mich deshalb 
zum Schluß noch folgendes feststellen: Das Asylrecht — 
vielleicht auch die Übernahme der Kosten — und alles was 
damit zusammenhängt ist teuer, aber ein Rechtsstaat ist 
eben immer teuer. Doch ich denke, die Bewohner eines 
Rechtsstaates und auch die Steuerzahler sind bereit, hier 
für Kosten zu tragen. — Ich bedanke mich! 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD)
	        
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