Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
43. Sitzung vom 8. Dezember 1976
1805
Kastemborski (CDU): Herr Senator, teilen Sie meine
Meinung, daß es mißlich ist, wenn hier offensichtlich unter
verschiedenen Strafkammern und — wie Pressemeldungen
aus letzter Zeit ergeben — auch innerhalb der Abteilungen
des Amtsgerichts Tiergarten eine unterschiedliche Hand
habung praktiziert wird, und sehen Sie Möglichkeiten, die
Staatsanwaltschaft zu veranlassen, durch entsprechendes
Sitzungsverhalten und gegebenenfalls Einlegung von
Rechtsmitteln hier eine einheitliche Handhabung durchzu
setzen ?
Präsident Lorenz: Herr Senator Baumann!
Dr. Baumann, Senator für Justiz; Ich darf natürlich zur
Ergänzung sagen, daß Absatz 2 Ziffer 1 zusätzliche Klei
dungsstücke meint.
(Heiterkeit bei der SPD)
— Herr Abgeordneter! Ich teile Ihre Auffassung und wir
werden uns bemühen, hier in Berlin zu einer einheitlichen
Regelung zu kommen. Ich möchte aber erst die beiden
Beschwerdeentscheidungen des Kammergerichts abwarten.
Präsident Lorenz: Wenn keine weiteren Auskünfte über
die Kleidung gewünscht werden, dann darf ich mitteilen,
daß der Abgeordnete Roloff seine Mündliche Anfrage über
Abenteuerspielplatz am Senftenberger Bing zurückgezogen
hat, und erteile daher das Wort dem Abgeordneten Wolf zu
einer Mündlichen Anfrage über Tonstudio im Zuchthaus
Tegel.
Wolf (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Vorweg eine Berichtigung. In der Überschrift soll es „Straf
anstalt“ heißen. — Ich frage den Senat:
Trifft es zu, daß die im April In der JVA Tegel einge
richtete Tonstudioanlage im Wert von 250 000 DM seit die
sem Zeitpunkt ungenutzt ist, und, wenn ja, sieht der Senat
eine Möglichkeit, diese Anlage an anderer Stelle effektiver
einzusetzen?
Präsident Lorenz: Herr Senator Baumann!
Dr. Baumann, Senator für Justiz: Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter! Das
zentrale Tonstudio in der Strafanstalt Tegel überträgt täg
lich in der Zelt zwischen 12 und 22 Uhr Rundfunksendun
gen für die einzelnen Hafträume, und es stellt außerdem
eigene Sendebeiträge für die Insassen der Anstalt her. Es
trifft zu, daß von dem im Frühjahr 1975 mit einem Kosten
aufwand von etwas über 200 000 DM neu erstellten zentra
len Tonstudio nur Teilanlagen genutzt werden. Von einer
Nutzung ausgeschlossen waren bisher im wesentlichen das
Mischpult und ein hochwertiges Tonbandgerät. Der Grund
für die Teilnutzung lag in dem bisher als notwendig ange
sehenen Einsatz eines technisch ausgebildeten Beamten für
die Betreuung der teilweise hochempfindlichen und kom
plizierten Anlage. Man hatte Sorge vor Beschädigungen
dieser teuren Anlage, denn wir haben die dafür beantragte
Stelle nicht bekommen.
Ich habe neulich bei einem Gespräch mit der Insassen
vertretung des Hauses I in Tegel und der Redaktion des
•.Lichtblicks“ angeordnet, daß diese Bedenken zurückzu
stellen sind, weil nämlich ein Insasse in der Strafanstalt
Te gel aufgrund seiner vorherigen beruflichen Tätigkeit
~~ er war u. a. bei einer Rundfunkanstalt tätig — über
Kenntnisse im Betrieb eines Tonstudios verfügt, so daß
kmui der Bedienung dieser Teilanlage betrauen
Präsident Lorenz: Zu einer Zusatzfrage hat das Wort
der Abgeordnete Wronskl.
Wronskl (CDU): Herr Senator, haben Sie ermitteln kön
nen, nach welchen Gesichtspunkten und unter welchen Kri
terien seinerzeit die Beschaffung dieser doch recht kost
spieligen Tonstudioanlage überhaupt vorgenommen wurde ?
Präsident Lorenz: Herr Senator Baumann!
Dr. Baumann, Senator für Justiz: Man hatte gehofft, daß
wir eine Stelle für einen Techniker bekommen, der dieses
Tonstudio bedienen könnte und für die einzelnen Abläufe
dieser hochwertigen Anlage zuständig wäre. Wir haben diese
Stelle nicht bekommen, und dann bestanden Bedenken, daß
vielleicht einmal dieses Tonstudio zu Dingen ausgenutzt
werden könnte, die die Sicherheit der Anstalt betreffen
könnten, und zum zweiten, daß es mutwillig beschädigt
würde. Ich habe mich zu der Überzeugung durchgerungen,
daß die Insassen sich diesen Tort selbst nicht antun wollen.
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Wronskl!
Wronski (CDU): Herr Senator, hatten Sie inzwischen
Gelegenheit, mit dem Herrn, der diese Hoffnung seinerzeit
gehegt hat, ein Gespräch zu führen und ihn möglicherweise
auf seine Versäumnisse bei der ganzen Projektierung hin
zuweisen ?
Präsident Lorenz: Herr Senator Baumann!
Dr. Baumann, Senator für Justiz: Nein, diese Gelegenheit,
Herr Abgeordneter, habe ich nicht genommen, weil es mir
nicht darum ging, Vergangenheit zu bewältigen, sondern
weil es mir darum ging, dieses Tonstudio einer vernünftigen
Nutzung zuzuführen, und zwar komplett.
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Wronskl!
Wronskl (CDU); Herr Senator! Kann ich unterstellen,
daß Ihnen der Bericht im „Lichtblick“ — Oktober 1976 —
bekannt ist, in dem — ich darf zitieren — folgendes fest
gestellt wird:
Es ist kein schlechter April-Scherz, sondern traurige
Wahrheit, wenn auch fast unglaublich, daß wir im
April unter der treffenden Rubrik „Das regt auf" lesen
konnten: Das Zentralstudio der JVA Tegel wurde im
Februar 1975 mit einer hochmodernen technischen An
lage im Wert von ca. 250 000 DM ausgestattet. Seitdem
liegt diese Anlage brach und verstaubt ungenutzt. Die
Schildbürger waren dagegen Waisenknaben.
Präsident Lorenz: Herr Senator Baumann!
Dr. Baumann, Senator für Justiz; Ich stimme Ihnen zu,
Herr Abgeordneter, wenn Sie sagen, daß es ein Versäumnis
ist, sich nicht früher Gedanken gemacht zu haben, wie eine
vernünftige Ausnutzung dieses Tonstudios auch ohne zu
sätzliche Stelle eines Tontechnikers erfolgen kann.
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Wronski!
Wronskl (CDU): Abschließende Frage: Sind Sie sicher,
daß künftig solche Fehlinvestitionen in Ihrem Zuständig
keitsbereich nicht mehr auf treten werden ?