Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
41. Sitzung vom 25. November 1970
1730
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeord
nete Schmitz.
Schmitz (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Herr Regierender Bürgermeister! .Ich habe heute
einen Eindruck bestätigt gefunden, den ich aus früheren
Debatten schon hatte,
(Gelächter bei der SPD)
daß immer dann, wenn Ihnen die Argumente ausgehon,
Sie in die Lande schweifen. Wir diskutieren hier die Ber
liner Verwaltungspraxis, so wie sie künftig gestaltet wird
in Ihrer Verantwortung.
(Beifall bei der CDU — Abg. Papenfuß: Sind denn
Ihnen die anderen CDU-Parteien peinlich, oder was ?)
Herr Regierender Bürgermeister, wenn Sie bei Ihrem vor
her durchgeführten Aktenstudium Zeit genug gehabt hät
ten, zuzuhören, dann hätten Sie festgestellt, daß auch aus
Ihren Reihen — und der Kollege Wartenberg hat das, weiß
Gott, beredt getan — Beschwerden über diese Verwaltungs
praxis zum Anlaß genommen wurden, um Kritik zu äußern.
Das ist Ihre Aufgabe, Herr Regierender Bürgermeister,
und nicht — und ich sage das ganz deutlich — hier mit
Unterstellungen zu arbeiten.
Wenn Sie glauben, der CDU-Fraktion Heuchelei vor
werfen zu müssen, wenn sie behauptet, daß es sich hier um
eine Gewissensentscheidung handelt: Herr Regierender
Bürgermeister, Sie mögen vielleicht ein kluger Taktiker
gewesen sein. Im Moment überziehen Sie bei weitem die
Möglichkeit, die die Taktik in dieser Frage überhaupt noch
bietet.
(Beifall bei der CDU)
Wer sich einer verfassungsfeindlichen Partei oder
Organisation anschließt, begründet damit in der
Regel Zweifel an seiner Verfassungstreue. Es bleibt
ihm überlassen,
— und das bestätigen die Gerichte —
die Zweifel zu widerlegen. Dazu stehen ihm alle
Möglichkeiten eines Rechtsstaates offen. Wer diesen
klaren Tatbestand nicht will, leistet der Gesinnungs
schnüffelei Vorschub.
Darum geht es, Herr Regierender Bürgermeister!
Und lassen Sie mich noch ein letztes sagen: Ich halte
es eigentlich für erstaunlich, woher Sie Ihre Interpreta
tionen des Willens der Bezirksbürgermeister haben. Ich
war bei einer großen Zahl von Vorbesprechungen an
wesend, ich weiß, worum es ging. Und wenn ich die Proto
kolle nachlese — und ich empfehle allen, die meinen, dem
Herrn Regierenden Bürgermeister hier glauben zu müssen,
die Protokolle nachzulesen —, dann stelle ich fest, daß mit
den Stimmen sozialdemokratischer Bezirksbürgermeister
die gravierendsten Bedenken geltend gemacht worden sind,
Bedenken, die wir heute hier auch wieder vorgetragen
haben, und daß diese Bedenken im Grunde aus Parteiräson
über Bord geworfen worden sind. Das ist die Wahrheit,
Herr Regierender Bürgermeister, und nichts anderes.
(Beifall bei der CDU)
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeord
nete Lippschütz.
(Abg. Rheinländer: Das war der späte Schmitz,
Herr Schmitz!)
Ich frage mich, und ich bin lange genug in diesem Haus,
ob Vorgänger von Ihnen, wie Ernst Reuter, Otto Suhr
oder wie der frühe Willy Brandt, solche Diskussionen so
von der Seite des Regierenden Bürgermeisters geführt
hätten,
(Beifall bei der CDU — Abg. Papenfuß:
Weit unter Niveau!)
und ich weise auf eines hin, Herr Regierender Bürgermei
ster: Wenn Sie meinen, daß mögliche Koalitionsverhand
lungen in anderen Ländern Einfluß auf die Fragestellung,
die die Union hier vertritt, haben, dann irren Sie. Auch
in den anderen Ländern wird gemeinsam wie im Bund
immer wieder die gleiche Frage gestellt werden; Wie
haltet Ihr es mit denen, die in Bekenntnis zu ihrer ver
fassungsfeindlichen Einstellung, und zwar Bekenntnis
durch aktive Mitgliedschaft, in den öffentlichen Dienst
wollen? — Der Entschließungsantrag, der am 23. Okto
ber 1975 im Deutschen Bundestag eingebracht worden ist,
ist nach wie vor die einheitliche Grundlage der Unions
parteien.
(Zuruf des Abg. Thomas)
Da heißt es:
Die Freiheitsordnung gerät in Gefahr, wenn die
Sicherheit des Staates und seiner Bürger nicht
gegen die Gegner seiner Verfassung auf der Grund
lage des Rechts gewährleistet wird. Dazu gehört
die Entschlossenheit, die Feinde unserer demokrati
schen Grundordnung am Mißbrauch der Freiheits
rechte zur Abschaffung unserer Freiheit zu hindern.
Das gilt damals wie heute, Herr Regierender Bürger
meister,
(Beifall bei der CDU)
und es heißt weiter:
Wer diesen Staat bekämpft, kann nicht sein Diener
sein. Wer die freiheitlich-demokratische Ordnung
verteidigen will, darf nicht zulassen, daß ihre Geg
ner in deren Institutionen, Gerichte, Verwaltungen
und Schulen eindringen.
(Beifall bei der CDU)
Lippschütz (SPD); Herr Präsident, Meine sehr verehr
ten Damen und Herren! Der Herr Kollege Luster hat hier
vorhin davon gesprochen, daß er eine überzeugende Poli
tik machen will. Herr Kollege Luster, lassen Sie sich
dazu aber sagen, das macht man nicht, indem man den
politischen Gegner in diesem Hause permanent verdächtigt
und in die Ecke der Kommunisten drängen will.
Die CDU-Fraktion hat hier bestimmte Vorstellungen
entwickelt, sie hat in einem Antrag dargelegt, wie sie
meint, Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst verhin
dern zu können. Die Sozialdemokraten, zusammen mit den
Freien Demokraten, haben ebenfalls bestimmte Vorstel
lungen entwickelt, der Senat hat heute etwas vorgelegt,
aber Sie stimmen nicht mit dem überein, was Sie gebracht
haben, und trotzdem werden Sie von keinem von unseren
Rednern gehört haben, daß wir Sie deswegen verdächti
gen, in die Nähe von Nazis oder Kommunisten zu kom
men. Das ist eine grundsätzliche Feststellung, die in die
sem Hause eigentlich nicht Platz greifen sollte. — Sie
nehmen so häufig unsere großen Sozialdemokraten für sich
in Anspruch, um zu zitieren, wie das war. Ernst Reuter,
Otto Suhr und auch den jungen Willy Brandt jetzt sogar
noch, obwohl der alte Willy Brandt von Ihnen verteufelt
worden ist in der Zwischenzeit.
(Abg. Luster: Wir haben ihn doch nicht aus dem
Verkehr gezogen, Herr Lippschütz!)
— Herr Kollege Luster! Sozialdemokraten haben in dieser
Stadt schon 1948/49 die Freiheit verteidigt und sind in die
Konzentrationslager des Ostens gewandert. Sie haben dazu
beigetragen, daß die Freiheit hier erhalten worden ist,
aber sie haben das nicht nur mit großen Reden getan oder
mit einem erhobenen Zeigefinger, sondern sie haben es
getan unter Einsatz von Leben und Gesundheit. Ich darf
Ihnen sagen; Zu diesen Menschen gehöre ich auch.
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
Sehen Sie, und da hat der Herr Kollege Schmitz hier als
erstes vorgetragen, daß Sozialdemokraten davon ausgehen,
daß die Mitgliedschaft in einer radikalen Organisation von