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Volume Nr. 41, 25.11.76

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1976, 7. Wahlperiode, Band II, 20.-45. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
41. Sitzung vom 25. November 1970 
1730 
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeord 
nete Schmitz. 
Schmitz (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Herr Regierender Bürgermeister! .Ich habe heute 
einen Eindruck bestätigt gefunden, den ich aus früheren 
Debatten schon hatte, 
(Gelächter bei der SPD) 
daß immer dann, wenn Ihnen die Argumente ausgehon, 
Sie in die Lande schweifen. Wir diskutieren hier die Ber 
liner Verwaltungspraxis, so wie sie künftig gestaltet wird 
in Ihrer Verantwortung. 
(Beifall bei der CDU — Abg. Papenfuß: Sind denn 
Ihnen die anderen CDU-Parteien peinlich, oder was ?) 
Herr Regierender Bürgermeister, wenn Sie bei Ihrem vor 
her durchgeführten Aktenstudium Zeit genug gehabt hät 
ten, zuzuhören, dann hätten Sie festgestellt, daß auch aus 
Ihren Reihen — und der Kollege Wartenberg hat das, weiß 
Gott, beredt getan — Beschwerden über diese Verwaltungs 
praxis zum Anlaß genommen wurden, um Kritik zu äußern. 
Das ist Ihre Aufgabe, Herr Regierender Bürgermeister, 
und nicht — und ich sage das ganz deutlich — hier mit 
Unterstellungen zu arbeiten. 
Wenn Sie glauben, der CDU-Fraktion Heuchelei vor 
werfen zu müssen, wenn sie behauptet, daß es sich hier um 
eine Gewissensentscheidung handelt: Herr Regierender 
Bürgermeister, Sie mögen vielleicht ein kluger Taktiker 
gewesen sein. Im Moment überziehen Sie bei weitem die 
Möglichkeit, die die Taktik in dieser Frage überhaupt noch 
bietet. 
(Beifall bei der CDU) 
Wer sich einer verfassungsfeindlichen Partei oder 
Organisation anschließt, begründet damit in der 
Regel Zweifel an seiner Verfassungstreue. Es bleibt 
ihm überlassen, 
— und das bestätigen die Gerichte — 
die Zweifel zu widerlegen. Dazu stehen ihm alle 
Möglichkeiten eines Rechtsstaates offen. Wer diesen 
klaren Tatbestand nicht will, leistet der Gesinnungs 
schnüffelei Vorschub. 
Darum geht es, Herr Regierender Bürgermeister! 
Und lassen Sie mich noch ein letztes sagen: Ich halte 
es eigentlich für erstaunlich, woher Sie Ihre Interpreta 
tionen des Willens der Bezirksbürgermeister haben. Ich 
war bei einer großen Zahl von Vorbesprechungen an 
wesend, ich weiß, worum es ging. Und wenn ich die Proto 
kolle nachlese — und ich empfehle allen, die meinen, dem 
Herrn Regierenden Bürgermeister hier glauben zu müssen, 
die Protokolle nachzulesen —, dann stelle ich fest, daß mit 
den Stimmen sozialdemokratischer Bezirksbürgermeister 
die gravierendsten Bedenken geltend gemacht worden sind, 
Bedenken, die wir heute hier auch wieder vorgetragen 
haben, und daß diese Bedenken im Grunde aus Parteiräson 
über Bord geworfen worden sind. Das ist die Wahrheit, 
Herr Regierender Bürgermeister, und nichts anderes. 
(Beifall bei der CDU) 
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeord 
nete Lippschütz. 
(Abg. Rheinländer: Das war der späte Schmitz, 
Herr Schmitz!) 
Ich frage mich, und ich bin lange genug in diesem Haus, 
ob Vorgänger von Ihnen, wie Ernst Reuter, Otto Suhr 
oder wie der frühe Willy Brandt, solche Diskussionen so 
von der Seite des Regierenden Bürgermeisters geführt 
hätten, 
(Beifall bei der CDU — Abg. Papenfuß: 
Weit unter Niveau!) 
und ich weise auf eines hin, Herr Regierender Bürgermei 
ster: Wenn Sie meinen, daß mögliche Koalitionsverhand 
lungen in anderen Ländern Einfluß auf die Fragestellung, 
die die Union hier vertritt, haben, dann irren Sie. Auch 
in den anderen Ländern wird gemeinsam wie im Bund 
immer wieder die gleiche Frage gestellt werden; Wie 
haltet Ihr es mit denen, die in Bekenntnis zu ihrer ver 
fassungsfeindlichen Einstellung, und zwar Bekenntnis 
durch aktive Mitgliedschaft, in den öffentlichen Dienst 
wollen? — Der Entschließungsantrag, der am 23. Okto 
ber 1975 im Deutschen Bundestag eingebracht worden ist, 
ist nach wie vor die einheitliche Grundlage der Unions 
parteien. 
(Zuruf des Abg. Thomas) 
Da heißt es: 
Die Freiheitsordnung gerät in Gefahr, wenn die 
Sicherheit des Staates und seiner Bürger nicht 
gegen die Gegner seiner Verfassung auf der Grund 
lage des Rechts gewährleistet wird. Dazu gehört 
die Entschlossenheit, die Feinde unserer demokrati 
schen Grundordnung am Mißbrauch der Freiheits 
rechte zur Abschaffung unserer Freiheit zu hindern. 
Das gilt damals wie heute, Herr Regierender Bürger 
meister, 
(Beifall bei der CDU) 
und es heißt weiter: 
Wer diesen Staat bekämpft, kann nicht sein Diener 
sein. Wer die freiheitlich-demokratische Ordnung 
verteidigen will, darf nicht zulassen, daß ihre Geg 
ner in deren Institutionen, Gerichte, Verwaltungen 
und Schulen eindringen. 
(Beifall bei der CDU) 
Lippschütz (SPD); Herr Präsident, Meine sehr verehr 
ten Damen und Herren! Der Herr Kollege Luster hat hier 
vorhin davon gesprochen, daß er eine überzeugende Poli 
tik machen will. Herr Kollege Luster, lassen Sie sich 
dazu aber sagen, das macht man nicht, indem man den 
politischen Gegner in diesem Hause permanent verdächtigt 
und in die Ecke der Kommunisten drängen will. 
Die CDU-Fraktion hat hier bestimmte Vorstellungen 
entwickelt, sie hat in einem Antrag dargelegt, wie sie 
meint, Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst verhin 
dern zu können. Die Sozialdemokraten, zusammen mit den 
Freien Demokraten, haben ebenfalls bestimmte Vorstel 
lungen entwickelt, der Senat hat heute etwas vorgelegt, 
aber Sie stimmen nicht mit dem überein, was Sie gebracht 
haben, und trotzdem werden Sie von keinem von unseren 
Rednern gehört haben, daß wir Sie deswegen verdächti 
gen, in die Nähe von Nazis oder Kommunisten zu kom 
men. Das ist eine grundsätzliche Feststellung, die in die 
sem Hause eigentlich nicht Platz greifen sollte. — Sie 
nehmen so häufig unsere großen Sozialdemokraten für sich 
in Anspruch, um zu zitieren, wie das war. Ernst Reuter, 
Otto Suhr und auch den jungen Willy Brandt jetzt sogar 
noch, obwohl der alte Willy Brandt von Ihnen verteufelt 
worden ist in der Zwischenzeit. 
(Abg. Luster: Wir haben ihn doch nicht aus dem 
Verkehr gezogen, Herr Lippschütz!) 
— Herr Kollege Luster! Sozialdemokraten haben in dieser 
Stadt schon 1948/49 die Freiheit verteidigt und sind in die 
Konzentrationslager des Ostens gewandert. Sie haben dazu 
beigetragen, daß die Freiheit hier erhalten worden ist, 
aber sie haben das nicht nur mit großen Reden getan oder 
mit einem erhobenen Zeigefinger, sondern sie haben es 
getan unter Einsatz von Leben und Gesundheit. Ich darf 
Ihnen sagen; Zu diesen Menschen gehöre ich auch. 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Sehen Sie, und da hat der Herr Kollege Schmitz hier als 
erstes vorgetragen, daß Sozialdemokraten davon ausgehen, 
daß die Mitgliedschaft in einer radikalen Organisation von
	        
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