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Volume Nr. 41, 25.11.76

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1976, 7. Wahlperiode, Band II, 20.-45. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
41. Sitzung vom 35. November 1976 
1717 
düng in Berlin habe. Ich meine, nach dem, was hier ins 
besondere von meinem Herrn Vorredner geboten worden 
ist in Inhalt und Diktion, muß allerdings Herr Lorenz 
mehr als Angst vor einer CSU-Gründung hier in Berlin 
haben. 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Hier wird wieder dieser perfide Versuch unternommen, 
uns Sozialdemokraten und die Liberalen nicht nur in die 
ser Stadt, sondern im ganzen Bundesgebiet in eine anti 
demokratische Ecke zu drängen, indem behauptet wird, 
daß wir Verfassungsfeinde von links begünstigen. Meine 
Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie das 
durchdacht sagen, ist es eine unverschämte Diffamierung; 
wenn Sie das aus bloßer Dummheit sagen, dann ist das im 
Ergebnis genau dasselbe, nämlich unwahrscheinlich ge 
fährlich für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland. 
(Beifall bei der SPD) 
Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst sind schlimm, 
und deshalb wollen wir alle sie dort nicht haben. Wenn 
aber die Diskussion über dieses Thema dazu führt, daß 
eine große, sich als demokratisch verstehende Partei eine 
andere große demokratische Partei in die antidemokrati 
sche Ecke drängt, dann spielen Sie hier das üble Spiel der 
Antidemokraten mit. 
(Abg. Landowsky: Da fragen Sie mal Mompor!) 
Damit beschwören Sie eine viel größere Gefahr für unser 
demokratisches Gemeinwesen herauf, als es die Handvoll 
Extremisten ist, die wir Gott sei Dank nur haben. 
(Beifall bei der SPD) 
Damit wir uns hier ganz klar verstehen: Niemand in 
diesem Hause verkennt, daß sich das Problem der Ver 
fassungsfeinde im öffentlichen Dienst in der Bundesrepu 
blik Deutschland anders stellt als in England, Schweden 
oder Frankreich. Diese Länder haben keine nationalsoziali 
stische Vergangenheit, diese Länder haben auch keinen 
kommunistischen Teilstaat gleicher Nation neben sich. Und 
niemand in diesem Hause verneint das Prinzip der wehr 
haften Demokratie. Dafür haben wir den Untergang der 
Weimarer Republik noch zu sehr vor Augen. Aber es sollte 
genauso gut gemeinsame Überzeugung aller Demokraten 
sein, daß in einer Demokratie der Grundsatz, daß der 
Zweck die Mittel heilige, nicht uneingeschränkt Gültigkeit 
hat, sondern daß in einer Demokratie die Mittel den Zweck 
durchaus auch entheiligen können. Und genauso wenig wie 
Freiheit dazu mißbraucht werden darf, die Freiheit zu 
beseitigen, dürfen rechtswidrige Mittel angewandt werden, 
um den Rechtsstaat zu schützen. Dann wird nämlich der 
Rechtsstaat als essentieller Bestandteil jeder Demokraie 
selbst in Frage gestellt. 
(Beifall bei der SPD) 
Dies, meine ich, sollte wirklich Allgemeingut sein. Das ist 
„demokratische Klippschule“; traurig, daß man Ihnen das 
hier sagen muß. 
Und wenn Sie, von der Opposition, hier vorhin nun auf 
die in unserer Partei recht intensiv geführte Diskussion 
über die Art und Weise — ich betone; die Art und 
Weise —, wie Verfassungsfeinde aus dem öffentlichen 
Dienst femzuhalten sind, angespielt haben, dann geschah 
das auch wieder mit einem diffamierenden Unterton nach 
der Methode, hier einige meiner Parteifreunde als Kron 
zeugen für die These heranzuziehen, daß die SPD insbe 
sondere Kommunisten Tür und Tor öffnen würde. Dazu 
muß ich Ihnen sehr deutlich sagen; Ich würde es für 
äußerst bedenklich halten, wenn in einer so grundsätzlichen 
Frage, in der es nicht nur um viele Einzelschicksale geht; 
in der Maßnahmen diskutiert werden, die im Grenzbereich 
der Rechtsstaatlichkeit angesiedelt sind; wo es leider — 
Frau Dr. Besser, Sie wissen es aus dem Universitäts 
bereich — schon eine größere Gruppe junger Menschen 
gibt, die Sie nicht von vornherein als Antidemokraten her- 
abqualiflzieren können, sondern die einfach aus Unkenntnis 
der komplizierten Zusammenhänge und weil sie von echten 
Demagogen verhetzt werden, in eine vermeintliche Gegner 
schaft zu diesem Staat geraten sind, 
(Frau Abg. Dr. Besser: Wie schlecht ist da der 
Schulunterricht auf diesem Sektor!) 
wenn alle diese Tatsachen von Ihnen auch so gesehen wer 
den, finde ich es traurig, daß eine große demokratische 
Partei hier nach kurzer Diskussion mit einer Einheits 
meinung über den Berg kommt. Das entspricht doch eher 
dem Charakteristikum einer staatsmonopolistischen Ein 
heitspartei als einer großen demokratischen Volkspartei. 
(Beifall bei der SPD — Abg. Diepgen: Das Verhalten 
des Präsidenten ist skandalös!) 
— Ja, das mögen Sie für skandalös halten, Herr Diepgen. 
Bedanken Sie sich bei Ihrer Jugendorganisation und bei 
Ihrem Studentenverband, daß ich die CDU nicht in die 
erste Kategorie, sondern in die zweite Kategorie einordne. 
Schließlich verwahre ich mich ganz entschieden dagegen, 
daß Sie gleich alle die Sozialdemokraten quasi zu Kommu 
nistenfreunden abstempeln wollen, die aus der Sorge um 
die Erhaltung unseres Rechtsstaats — und damit auch 
unserer Demokratie insgesamt — die Notwendigkeit ver 
schiedener Maßnahmen zunächst einmal etwas kritischer 
beurteilen, als es bei anderen Sozialdemokraten der Fall ist. 
Und schließlich noch ein letztes: 
(Abg. Elsner; Gott sei Dank!) 
Die Bundesrepublik Deutschland ist heute nach 30 Jahren 
ein in sich gefestigter, demokratischer Staat; das beweisen 
nicht nur die Wahlergebnisse, das beweist auch vieles 
andere. 
(Abg. Elsner; Ist doch aber nicht Ihr Verdienst!) 
Und die drei in diesem Haus vertretenen Parteien — auch 
Sie von der CDU — haben doch unbestrittenerwoise ganz 
großes Verdienst daran. Da verstehe ich jetzt wirklich 
nicht, weshalb Sie in bezug auf diese Ihre eigenen unbe 
strittenen Verdienste so entsetzlich kleingläubig sind. Sie 
kennen ja wahrhaftig nur zwei Verhaltensweisen in bezug 
auf das ganze Problem der Verfassungsfeinde. Die eine ist, 
daß Sie die berühmte Karnickelhaltung des gebannten 
Blickes auf die angeblich allmächtige linksextremistische 
Schlange haben, die uns bedroht, und die andere Verhal 
tensweise ähnelt sehr hysterischen Rundumschlägen 
(Abg. Wronski; Und Sie machen die Bewegung 
der drei Affen!) 
gegen so ungefähr alles, was nicht ein Plakat um hat, auf 
dem steht: Ich bin ein Freund dieser freiheitlich-demokra 
tischen Grundordnung! — Und da meine ich, gerade well 
wir eine gefestigte Demokratie in der Bundesrepublik 
haben, gerade weil die Zahl der Verfassungsfeinde sehr 
gering ist, gerade weil wir Sozialdemokraten an die politi 
sche und moralische Überlegenheit unseres demokratischen 
Systems gegenüber allen kommunistischen Spielarten und 
auch gegenüber allen rechtsextremistischen Diktaturen 
glauben, sollten wir diese ganze Diskussion ein bißchen 
mehr mit einer selbstsicheren Gelassenheit führen, sie er 
laubt es uns bei der Lösung dieses Problems einmal, das 
Notwendige zu tun, nämlich zu verhindern, daß Verfas 
sungsfeinde in den öffentlichen Dienst kommen, und zum 
anderen uns aber auch nicht das Augenmaß und nicht den 
Blick für die Verhältnismäßigkeit der Mittel und auch 
nicht das Augenmaß und den Blick für die Rechtsstaatlich 
keit unserer Maßnahmen zu verbauen. Weil wir der An 
sicht sind, daß gerade die vom Senat beabsichtigte Rege 
lung dieses Augenmaß zeigt, diese selbstsichere Gelassen 
heit verrät, und sich genau an die rcchtsstaatlich vor 
gegebenen Grenzen hält, gerade deshalb begrüßen wir das 
beabsichtigte Verfahren. -— Danke schön! 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P)
	        
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