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Volume Nr. 41, 25.11.76

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1976, 7. Wahlperiode, Band II, 20.-45. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
41. Sitzung vom 26. November 1976 
1714 
Ich finde, daß diese Stelle, Herr Kollege Conen, wenn Sie 
zitieren, auch zitiert werden sollte, weil man sonst näm 
lich dem Bundesaußenminister Unrecht tut hinsichtlich 
seiner Argumentationsbreite. 
Ich habe — und dieses ist vielen Kollegen so gegangen, 
als wir heute in das Parlament gekommen sind — in 
meinem Fach einen Beschluß der GEW Berlin zur geplan 
ten Neuregelung über die Überprüfung der Verfassungs 
treue von Bewerbern im öffentlichen Dienst gefunden. 
(Abg, Lemmer: Das sind die Spezialisten!) 
Ich muß sagen, ich bin über diese Stellungnahme erstaunt, 
weil ich finde, daß das, was dort gesagt worden ist, einfach 
nicht stimmt. 
(Zuruf von der SPD: Sehr richtig!) 
Es wird dort gesagt, die GEW wende sich gegen die ge 
plante Landeskommission, weil die Behauptung Augen- 
wischorei sei, cs ginge in Zukunft einfacher, liberaler, ge 
rechter zu. Diese Behauptung der GEW, die ich für unzu 
treffend und für polemisch verzerrt halte, läßt sich ganz 
einfach widerlegen. Sie läßt sich nämlich widerlegen mit 
einigen Beispielen aus der Vergangenheit in dieser Stadt 
und damit, daß wir mit der beabsichtigten Senatskommis 
sion ein Mehr an Rechtsstaatlichkeit bekommen werden. 
Uns allen ist noch im Gedächtnis, daß etwa vor einem 
Jahr durch die Presse ein Erlaß des Schöneberger Bezirks 
bürgermeisters Kabus bekannt wurde, in dem — ich darf 
wiederum mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitie 
ren — die Ämter angewiesen wurden: 
Falls über einen Bewerber negative Erkenntnisse 
beim Senator für Inneres vorliegen sollten, wird dies 
der Büroleitung bekanntgegeben. Dem Bewerber 
wird von der Abteilung Personal und Verwaltung 
lediglich mitgeteilt, daß die Bewerbung nicht be 
rücksichtigt werden könnte. 
Ich will hier selbst dazu gar nicht Stellung nehmen, weil 
ein anderer dieses bereits sehr viel deutlicher als ich getan 
hat. Günther Matthes hat im „Tagesspiegel“ zu dieser 
Haltung geschrieben, und ich darf wiederum mit Genehmi 
gung des Herrn Präsidenten zitieren: 
Solche Haltung paßt in die Landschaft. Es gibt im 
freien Teil Berlins bereits Behörden, die vor aller 
Öffentlichkeit, wohl gar auf Popularität hoffend, 
unbescholtenen Beamten dienstliche Konsequenzen 
androhen, weil diese sich gegen rechtlich zumindest 
nachzuprüfende Einstellungsbeschränkungen wenden. 
Diese Inanspruchnahme des Rechts der freien Mei 
nungsäußerung wird unter Verstoß nicht nur gegen 
ein Grundrecht sondern auch gegen die Gesetze der 
Logik gleichgesetzt mit einer Sympathieerklärung 
für verfassungsfeindliche Aktivitäten, die im Einzel 
fall den Relegierten oder Suspendierten erst nach 
zuweisen wären. Wer aus Sachgründen für die Bür 
gerrechte eines politisch Verdächtigten oder Verdäch 
tigen eintritt, ist eben schon ein halber Kommunist. 
Basta! Wenn die geschilderten offiziellen Ansätze 
unter der klaren Sonne unserer Freiheitsrechte nicht 
alsbald im Keime verdorren, dann sind wir mitten 
in der Hexenjagd. Wenn einer einem etwas anhängen 
kann, ohne darüber womöglich als Zeuge vor Gericht 
aussagen zu müssen, wird die Denunziation blühen. 
Die Ausschaltung eines Amtsbewerbers wegen poli 
tischer Unzuverlässigkeit im Sinne des Beamten 
rechts nur aufgrund interner Dossiers ist politisch 
bequem, verstößt indes gegen die Grundvorausset 
zung des Anspruchs, dem Staat das Bestimmungs 
wort „Recht“ voranzustellen, nämlich die Möglich 
keit, eine amtliche Benachteiligung von unabhängigen 
Gerichten nachprüfen zu lassen. 
Ich glaube, wenn wir den Beschluß, den der Senat ge 
faßt hat, durchlesen, werden wir feststellen, daß unter der 
Praxis dieses Beschlusses so etwas in Zukunft nicht mehr 
möglich sein wird. Und dieses ist ein Fortschritt. 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD) 
Ich könnte die Zahl der Beispiele aus der Vergangenheit 
in dieser Stadt weiter fortführen. Ich könnte z. B. darauf 
hinweisen, daß es möglich war, eine Lehramtsbewerberin 
abzulehnen, nur weil sie Mitglied eines Kunstvereins ist, 
in dem auch der Rechtsanwalt Schily Mitglied ist. Ich 
könnte darauf hinweisen, daß ein Lehrer einen Lehrauftrag 
an einer Berliner Universität nicht bekommen hat, damit 
vor das Landesarbeitsgericht gegangen ist, dort Recht 
bekommen hat und jetzt, weil das Land Berlin Schaden 
ersatz zahlen muß, aus seiner Schadensminderungspflicht 
heraus lehren muß. Er muß lehren, weil er angeblich 
nicht lehren durfte. Dieses scheint mir auch ein kleiner 
Ausschnitt dessen zu sein, wie in der Vergangenheit ge 
handelt worden ist. 
Ich könnte eingehen auf den Fall eines couragierten Be 
amten, der in der Frage der Nichteinstellung einer Kollegin 
öffentlich Laut gegeben hat in einer — wie ich finde — 
demokratisch vorbildlichen Weise und der dafür mit einer 
Disziplinarstrafe belegt worden ist, die in ihrer Höhe 
eigentlich nur in Moabit verhängt wird bei veritablen Kör 
perverletzungen. Auch dieses sind Punkte, die unter der 
Praxis dessen, was heute hier vorliegt, nicht mehr möglich 
sein werden. Das sollte auch denen gesagt werden, die das, 
was uns heute zur Kenntnisnahme vorliegt, nicht für aus 
reichend halten. 
Wir befinden uns nicht im luftleeren Raum, in dem wir, 
ohne die politisch konkrete Situation berücksichtigen zu 
müssen, Beschlüsse fassen können; wir befinden uns in 
einer konkreten politischen Situation, und in dieser Situa 
tion ist das, was hier vorliegt, ein Fortschritt und wird 
von uns unterstützt. 
Ich habe gesagt, daß der Senatsbeschluß Fortschritte 
bringt und daß deshalb die Resolution der GEW schlicht 
falsch ist. Deshalb muß die GEW sich sagen lassen, daß 
die Behauptungen, die sie verbreitet, hier nicht zutreffen. 
Wenn sie sagt, — und ich darf mit Genehmigung des 
Herrn Präsidenten zitieren: 
Durch die Aufgabenteilung, fachliche Überprüfung 
durch den Bezirk, politische Überprüfung durch die 
Landeskommission bzw. die Geschäftsstelle, wird 
die Verschleierung bei Nichteinstellung dichter, die 
Lage für den Bewerber undurchsichtiger. Wie bisher 
besteht die unerträgliche Möglichkeit, daß ein Be 
werber, der einer politischen Überprüfung ausge 
setzt wurde und eine politische Unbedenklichkeits 
bescheinigung erhielt, dennoch im Bezirk anschlie 
ßend aus vorgeschobenen Bedarfsgründen nicht ein 
gestellt wird. 
dann ist das eben falsch. Wer die Vorlage des Senats liest, 
weiß, daß dieser Weg, der in der Vergangenheit oft be 
schritten worden ist von den Einstellungsbehörden, in Zu 
kunft nicht mehr wird beschritten werden können, weil 
diese Vorlage vorsieht, daß in erster Linie die fachliche 
Qualität geprüft wird und wenn dann unter dem Gesichts 
punkt der Qualifikation eine Auswahl getroffen worden ist, 
erst dann eine Überprüfung stattfindet. Und wenn dieses 
so ist, wird man dem Bewerber wohl kaum noch die Ab 
lehnung damit begründen können, daß er fachlich nicht 
geeignet sei. Hier liegt die GEW falsch. Weiter liegt die 
GEW falsch, wenn sie sagt, sie ist der Auffassung, daß die 
Landeskommission keine Verbesserung der Einstellungs 
praxis für die Bewerber in den öffentlichen Dienst be 
deutet. Dieses ist ebenfalls nicht richtig. Wir haben in der 
Vergangenheit — und ich habe ja einige Beispiele ge 
bracht — das „Charlottenburger Landrecht“, das „Schöne 
berger Landrecht" und wie die Landrechte der anderen 
Bezirke alle heißen mögen gehabt. Wir werden ganz 
sicher keine konsequente Vereinheitlichung bekommen, weil 
die Einstellungshoheit der Bezirke hier zu berücksichtigen 
sein wird. Nur, wir werden hier eine Landeskommission 
haben, die mit der ihr eigenen — und in den Bereichen, 
wo sie zuständig ist, hat sie diese — Autorität diese Fra 
gen prüft und dann entsprechend weiterleitet. Wir werden 
— dieses ist mein großer Wunsch und meine Hoffnung —, 
wenn auch die Bezirke aufgrund ihrer Einstellungshoheit 
nicht gezwungen sind, diesen Empfehlungen zu folgen, aus 
der Kraft des Faktischen heraus zu einer Vereinheitlichung 
des Einstellungsverfahrens kommen. Insofern liegt eben
	        
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