Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
41. Sitzung vom 26. November 1976
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Ich finde, daß diese Stelle, Herr Kollege Conen, wenn Sie
zitieren, auch zitiert werden sollte, weil man sonst näm
lich dem Bundesaußenminister Unrecht tut hinsichtlich
seiner Argumentationsbreite.
Ich habe — und dieses ist vielen Kollegen so gegangen,
als wir heute in das Parlament gekommen sind — in
meinem Fach einen Beschluß der GEW Berlin zur geplan
ten Neuregelung über die Überprüfung der Verfassungs
treue von Bewerbern im öffentlichen Dienst gefunden.
(Abg, Lemmer: Das sind die Spezialisten!)
Ich muß sagen, ich bin über diese Stellungnahme erstaunt,
weil ich finde, daß das, was dort gesagt worden ist, einfach
nicht stimmt.
(Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)
Es wird dort gesagt, die GEW wende sich gegen die ge
plante Landeskommission, weil die Behauptung Augen-
wischorei sei, cs ginge in Zukunft einfacher, liberaler, ge
rechter zu. Diese Behauptung der GEW, die ich für unzu
treffend und für polemisch verzerrt halte, läßt sich ganz
einfach widerlegen. Sie läßt sich nämlich widerlegen mit
einigen Beispielen aus der Vergangenheit in dieser Stadt
und damit, daß wir mit der beabsichtigten Senatskommis
sion ein Mehr an Rechtsstaatlichkeit bekommen werden.
Uns allen ist noch im Gedächtnis, daß etwa vor einem
Jahr durch die Presse ein Erlaß des Schöneberger Bezirks
bürgermeisters Kabus bekannt wurde, in dem — ich darf
wiederum mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitie
ren — die Ämter angewiesen wurden:
Falls über einen Bewerber negative Erkenntnisse
beim Senator für Inneres vorliegen sollten, wird dies
der Büroleitung bekanntgegeben. Dem Bewerber
wird von der Abteilung Personal und Verwaltung
lediglich mitgeteilt, daß die Bewerbung nicht be
rücksichtigt werden könnte.
Ich will hier selbst dazu gar nicht Stellung nehmen, weil
ein anderer dieses bereits sehr viel deutlicher als ich getan
hat. Günther Matthes hat im „Tagesspiegel“ zu dieser
Haltung geschrieben, und ich darf wiederum mit Genehmi
gung des Herrn Präsidenten zitieren:
Solche Haltung paßt in die Landschaft. Es gibt im
freien Teil Berlins bereits Behörden, die vor aller
Öffentlichkeit, wohl gar auf Popularität hoffend,
unbescholtenen Beamten dienstliche Konsequenzen
androhen, weil diese sich gegen rechtlich zumindest
nachzuprüfende Einstellungsbeschränkungen wenden.
Diese Inanspruchnahme des Rechts der freien Mei
nungsäußerung wird unter Verstoß nicht nur gegen
ein Grundrecht sondern auch gegen die Gesetze der
Logik gleichgesetzt mit einer Sympathieerklärung
für verfassungsfeindliche Aktivitäten, die im Einzel
fall den Relegierten oder Suspendierten erst nach
zuweisen wären. Wer aus Sachgründen für die Bür
gerrechte eines politisch Verdächtigten oder Verdäch
tigen eintritt, ist eben schon ein halber Kommunist.
Basta! Wenn die geschilderten offiziellen Ansätze
unter der klaren Sonne unserer Freiheitsrechte nicht
alsbald im Keime verdorren, dann sind wir mitten
in der Hexenjagd. Wenn einer einem etwas anhängen
kann, ohne darüber womöglich als Zeuge vor Gericht
aussagen zu müssen, wird die Denunziation blühen.
Die Ausschaltung eines Amtsbewerbers wegen poli
tischer Unzuverlässigkeit im Sinne des Beamten
rechts nur aufgrund interner Dossiers ist politisch
bequem, verstößt indes gegen die Grundvorausset
zung des Anspruchs, dem Staat das Bestimmungs
wort „Recht“ voranzustellen, nämlich die Möglich
keit, eine amtliche Benachteiligung von unabhängigen
Gerichten nachprüfen zu lassen.
Ich glaube, wenn wir den Beschluß, den der Senat ge
faßt hat, durchlesen, werden wir feststellen, daß unter der
Praxis dieses Beschlusses so etwas in Zukunft nicht mehr
möglich sein wird. Und dieses ist ein Fortschritt.
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD)
Ich könnte die Zahl der Beispiele aus der Vergangenheit
in dieser Stadt weiter fortführen. Ich könnte z. B. darauf
hinweisen, daß es möglich war, eine Lehramtsbewerberin
abzulehnen, nur weil sie Mitglied eines Kunstvereins ist,
in dem auch der Rechtsanwalt Schily Mitglied ist. Ich
könnte darauf hinweisen, daß ein Lehrer einen Lehrauftrag
an einer Berliner Universität nicht bekommen hat, damit
vor das Landesarbeitsgericht gegangen ist, dort Recht
bekommen hat und jetzt, weil das Land Berlin Schaden
ersatz zahlen muß, aus seiner Schadensminderungspflicht
heraus lehren muß. Er muß lehren, weil er angeblich
nicht lehren durfte. Dieses scheint mir auch ein kleiner
Ausschnitt dessen zu sein, wie in der Vergangenheit ge
handelt worden ist.
Ich könnte eingehen auf den Fall eines couragierten Be
amten, der in der Frage der Nichteinstellung einer Kollegin
öffentlich Laut gegeben hat in einer — wie ich finde —
demokratisch vorbildlichen Weise und der dafür mit einer
Disziplinarstrafe belegt worden ist, die in ihrer Höhe
eigentlich nur in Moabit verhängt wird bei veritablen Kör
perverletzungen. Auch dieses sind Punkte, die unter der
Praxis dessen, was heute hier vorliegt, nicht mehr möglich
sein werden. Das sollte auch denen gesagt werden, die das,
was uns heute zur Kenntnisnahme vorliegt, nicht für aus
reichend halten.
Wir befinden uns nicht im luftleeren Raum, in dem wir,
ohne die politisch konkrete Situation berücksichtigen zu
müssen, Beschlüsse fassen können; wir befinden uns in
einer konkreten politischen Situation, und in dieser Situa
tion ist das, was hier vorliegt, ein Fortschritt und wird
von uns unterstützt.
Ich habe gesagt, daß der Senatsbeschluß Fortschritte
bringt und daß deshalb die Resolution der GEW schlicht
falsch ist. Deshalb muß die GEW sich sagen lassen, daß
die Behauptungen, die sie verbreitet, hier nicht zutreffen.
Wenn sie sagt, — und ich darf mit Genehmigung des
Herrn Präsidenten zitieren:
Durch die Aufgabenteilung, fachliche Überprüfung
durch den Bezirk, politische Überprüfung durch die
Landeskommission bzw. die Geschäftsstelle, wird
die Verschleierung bei Nichteinstellung dichter, die
Lage für den Bewerber undurchsichtiger. Wie bisher
besteht die unerträgliche Möglichkeit, daß ein Be
werber, der einer politischen Überprüfung ausge
setzt wurde und eine politische Unbedenklichkeits
bescheinigung erhielt, dennoch im Bezirk anschlie
ßend aus vorgeschobenen Bedarfsgründen nicht ein
gestellt wird.
dann ist das eben falsch. Wer die Vorlage des Senats liest,
weiß, daß dieser Weg, der in der Vergangenheit oft be
schritten worden ist von den Einstellungsbehörden, in Zu
kunft nicht mehr wird beschritten werden können, weil
diese Vorlage vorsieht, daß in erster Linie die fachliche
Qualität geprüft wird und wenn dann unter dem Gesichts
punkt der Qualifikation eine Auswahl getroffen worden ist,
erst dann eine Überprüfung stattfindet. Und wenn dieses
so ist, wird man dem Bewerber wohl kaum noch die Ab
lehnung damit begründen können, daß er fachlich nicht
geeignet sei. Hier liegt die GEW falsch. Weiter liegt die
GEW falsch, wenn sie sagt, sie ist der Auffassung, daß die
Landeskommission keine Verbesserung der Einstellungs
praxis für die Bewerber in den öffentlichen Dienst be
deutet. Dieses ist ebenfalls nicht richtig. Wir haben in der
Vergangenheit — und ich habe ja einige Beispiele ge
bracht — das „Charlottenburger Landrecht“, das „Schöne
berger Landrecht" und wie die Landrechte der anderen
Bezirke alle heißen mögen gehabt. Wir werden ganz
sicher keine konsequente Vereinheitlichung bekommen, weil
die Einstellungshoheit der Bezirke hier zu berücksichtigen
sein wird. Nur, wir werden hier eine Landeskommission
haben, die mit der ihr eigenen — und in den Bereichen,
wo sie zuständig ist, hat sie diese — Autorität diese Fra
gen prüft und dann entsprechend weiterleitet. Wir werden
— dieses ist mein großer Wunsch und meine Hoffnung —,
wenn auch die Bezirke aufgrund ihrer Einstellungshoheit
nicht gezwungen sind, diesen Empfehlungen zu folgen, aus
der Kraft des Faktischen heraus zu einer Vereinheitlichung
des Einstellungsverfahrens kommen. Insofern liegt eben