Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
18. Sitzung vom 12. Dezember 1975
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Präsident Lorenz: Das Wort hat der Abgeordnete Brinck-
meier.
Brinckmeier (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Herr Kollege Diepgen, Sie haben hier vom Stil der
Debatte gesprochen und bestimmte Vorwürfe erhoben. Aber,
wenn ich die zweitägige Debatte jetzt werte und mir eini
ges dabei in Erinnerung rufe, dann muß ich Sie fragen, ob
sich das alte Sprichwort hier bewahrheitet hat, daß „wie
man in den Waid hineinruft, es auch herausschallt“. Wer
hat denn hier teilweise in Form überzogen, und wer hat
denn hier teilweise arrogant formuliert und argumentiert?
Und dann müssen Sie sich nicht wundern, wenn Sie die
entsprechenden Antworten auch bekommen.
Der zweite Punkt: Sie haben hier zu drei Anträgen ge
sprochen. Zu dem einen Antrag wird Herr Kollege Hucklen-
broich von der F.D.P.-Fraktion übereinstimmend mit uns
sprechen und Ihnen darlegen, warum wir das ablehnen;
nämlich weil wir ja entsprechende Zusagen von der Finanz
verwaltung bekommen haben - Herr Kollege Hucklenbroich
wird das ausführen -. Die anderen beiden Anträge, die Sie
hier gestellt haben, „Pauschale Minderausgaben“ und „Kre
ditmarktmittel“ - Herr Kollege Diepgen, wir haben das
ein paarmal auch schon in anderen Debatten ausgetauscht -,
17 Mio DM pauschale Minderausgaben bei einem Volumen
von 14,01 Mrd DM ist nun wirklich im Haushaltsvollzug
einzusparen; und die Reduzierung der Kreditmarktmittel
würde eine Reduzierung des Gesamtvolumens dieses Haus
halts jetzt zur Folge haben. Auch das haben wir ausge
tauscht, daß wir in der gegenwärtigen Situation diese Höhe
für verantwortbar halten, aber davon ausgehen, daß sie in
den nächsten Jahren - und das weist auch die Finanzpla
nung 1975-1979 aus - bis 1979 auf einen Betrag von 282 Mio
DM im Rahmen der Gesamtkonjunktur zurückgenommen
werden muß.
Sie haben weniger zu den Anträgen als zum Stil der
Debatte gesprochen. Sie sprachen von konkreten Alterna
tiven, die Sie hier gestellt hätten. Es ist mir innerhalb dieser
zwei Tage in Bewertung Ihrer Anträge nicht gelungen
festzustellen, daß tatsächlich hier konkrete Alternativen
vorhanden sind. Sie haben weniger gesprochen vom gemein
samen Sparwillen; das ist für mich mehr das konkrete
Ergebnis der Beratungen im Hauptausschuß. Die sachliche
Atmosphäre ist hier etwas untergegangen; aber Polemik
macht sich ja in öffentlichen Debatten meistens leichter.
Die Vorwürfe, die Sie an andere gerichtet haben, gehen an
Sie zurück.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Lorenz: Das Wort hat der Abgeordnete Huck
lenbroich.
Hucklenbroich (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Die CDU legt Wert darauf, daß die Bezirke
bei der Vollziehung des Haushalts 1976 sowohl im Bereich
der baulichen und technischen Unterhaltung wie auch in
anderen Bereichen des eigenverantwortlichen Ausgabebe
reichs geschont werden. Wir stimmen dieser Auffassung
zu; und ich sage das hier nicht rhetorisch, um Sie auszu
tricksen; denn wir sehen ja unsere Kollegen im Rathaus
und ln den anderen Bezirken, die uns fragen werden, ob
wir auf die sozialen Belange der Basis - da trifft das Wort
zu - angemessen Rücksicht genommen haben: bei Schulen,
Kindertagesstätten, im Alten- und im Jugendbereich.
Ich möchte zu unserer Entscheidung noch einmal auf
folgendes hinweisen; Wir haben nicht ohne Grund gesagt,
daß im Rahmen des Haushaltsvollzuges noch schwere Be
lastungen auf die Verwaltung zukommen werden. Wir
batten ja in all den Jahren Verfügungsbeschränkungen, die
auch die Bezirke verkraften mußten, in einer Größenord
nung, die meist erheblich über 10 Mio DM gelegen hat.
Und wir haben uns deshalb mit den Bezirken - soweit wir
das konnten - ins Benehmen gesetzt und haben abgeklopft,
ob die pauschale Minderausgabe von 3,9 Mio DM, die bei
den Beschaffungen in der Nachschiebeliste vorgesehen war,
zu verkraften ist. Diese 3,9 Mio DM sind 10 °/o der Ansätze
für alle konsumtiven Beschaffungen der Bezirke. Nach die
sen Gesprächen sind wir zu der Auffassung gekommen,
daß diese Kürzungen zu realisieren sind; insbesondere,
wenn eine elastische Haushaltsführung hier durch den Ein
satz von Verstärkungsmitteln angemessen Ausgleich
schafft. Wir müssen allerdings sicherstellen, daß diese
Kürzungen nicht schwerpunktmäßig auf den Bereich der
Schulen gelegt werden, also auf Lehrmittel und Unterrichts
material und S chul- und Hausgerät, und die Beschaf
fungen für die eigentliche Verwaltung ausgespart werden.
Deshalb haben die Koalitionsfraktionen sich darauf ver
ständigt, in einer verbindlichen Erläuterung klarzustellen,
daß bei dieser zehnprozentigen Kürzung - die Ausgaben
für den Schulbereich erfassen etwas mehr als 50 «/o - in
entsprechender Relation vorzugehen ist, daß also der
Bereich der Schulen prozentual nicht stärker getroffen
wird als der der übrigen Beschaffungen.
Neben diesen 3,9 Mio DM stehen dann noch 1,1 Mio DM
in Rede bei der baulichen und technischen Unterhaltung,
also bei der Haushaltsstelle 519 00 der Grundstücksämter.
Die gesamte Summe für bauliche und technische Unter
haltung in den Bezirkshaushaltsplänen beläuft sich hierfür
auf 22 Mio DM. Diese 1,1 Mio DM sind also etwa 5 »/» der
Gesamtsumme. - Bitte, Herr Kollege!
Präsident Lorenz: Das Wort zu einer Zwischenfrage hat
der Abgeordnete Simon.
Simon (CDU): Herr Kollege Hucklenbroich, wie soll ich
die Tatsache werten, daß Ihre Fraktion hier zur Zeit gar
nicht anwesend ist? Kennt sie diese Ausgabe Ihrer Rede
schon ?
Hucklenbroich (F.D.P.): Ja, erstens haben die meine ge
läuterte Fassung, und zweitens haben sie mir bestätigt, daß
ich des vollen Beifalls der Fraktion sicher sein kann für
das, was ich sage.
(Heiterkeit - Beifall bei der SPD)
- Ich hoffe, daß die jetzt reinkommen, nachdem sie uns
beide gehört haben. -
Aber, Herr Kollege, um auf die Größenordnung und die
Summe zurückzukommen: Es sind also 3,9 und 1,1 Mio DM
in der Nachschiebeliste beim eigenverantwortlichen Teil
der Bezirke gekürzt worden. Das ist eine schwerwiegende
Belastung, aber nach Rücksprache mit den Betroffenen
glauben wir, daß sie zu verkraften ist. Und das scheint uns
richtiger zu sein, als - wie der Kollege Diepgen vorschlägt -
diese Beträge auszunehmen und die pauschale Minderaus
gabe im Haushalt um 5 Mio DM zu erhöhen. Dieser erhöhte
Betrag wäre ja im Rahmen des Haushaltsvollzuges über
Kürzungen und Verfügungsbeschränkungen hereinzuholen,
und das dann auch bei den Bezirken. Deshalb haben wir
es als einen angemessenen Ausgleich und einen fairen Vor
schlag angesehen, daß die Finanzverwaltung bestätigt hat,
sie werde nach diesen Kürzungen im Rahmen des Haushalts
vollzuges den Teilplan Bezirksverwaltungen ausnehmen,
sofern nicht unerwartete Ereignisse auf die Haushaltswirt
schaft des Landes Berlin zukommen. Mit anderen Worten:
Es ist uns wichtiger, daß die Bezirke jetzt Klarheit haben
und davon ausgehen können, daß ihnen im Rahmen des
Haushaltsvollzuges die Ansätze zur Verfügung stehen,
die ihnen jetzt im Haushalt zugestanden worden sind.
Nun lassen Sie mich zum Verfahren noch etwas sagen,
worüber wir wohl alle im Hause einig sind: Wenn wir hier
um 5000 und 10 000 DM diskutiert haben, dann ist es nicht
sinnvoll, wenn nachher die pauschale Minderausgabe von
17, 18 oder 20 Mio DM realisiert wird, ohne daß das Parla
ment mitwirken kann. Wir wollen daher nicht, daß das alles
schlechthin über Verfügungsbeschränkungen läuft und daß
das Parlament nicht mehr die letzte Entscheidung über
kritische Maßnahmen treffen kann, wenn dann am Haus
halt Wichtiges geändert werden muß. Wir glauben also,