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Volume Nr. 18, 12.12.75

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1975, 7. Wahlperiode, Band I, 1.-19. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
18. Sitzung vom 12. Dezember 1975 
719 
- Lieber Herr Kollege Hucklenbroich, Sie können anschlie 
ßend noch reden. Sie hatten vor mir Gelegenheit dazu. Sie 
waren nie im Wirtschaftsausschuß, kennen die Diskussionen 
auch leider nicht, die wir dort geführt haben. 
(Abg. Brinckmeier: Bloß Sie kennen sie natürlich! 
Sie glauben wohl, die Junge Union hat die Weisheit 
gepachtet! - Weitere Zurufe von der SPD) 
Ich war doch da! - Herr Kollege Brinckmeier, Sie hatten 
Ihren Auftritt gestern. Sie können nicht widerlegen, daß 
an Hand von objektiven Tatsachen die Situation in dieser 
Stadt schlechter geworden ist, daß der Wirtschaftssenator 
leider unkritisch Fehler des alten Senats mit übernommen 
hat, 
(Widerspruch bei der SPD und F.D.P. — 
(Abg. Momper; Quatsch!) 
daß wir Ihnen mühsam die Lohnsummensteuer abhandeln 
mußten und daß Sie somit unbewußt zur Verunsicherung 
der Wirtschaft dieser Stadt beigetragen haben. Das ist 
doch gar keine Frage! 
(Beifall bei der CDU - 
Abg. Brinckmeier: Das ist ja „Schülerunion"!) 
Präsident Lorenz: Das Wort hat der Abgeordnete Blume. 
Blume (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten 
Damen und Herren! Herr Kollege Boehm und Herr Kollege 
Landowsky! Wenn wir schon über Stilfragen reden - und 
Sie haben das ja vorhin auch getan -, dann glaube ich, daß 
Ihr Anfang auch kein guter Auftakt war. Die Form, in der 
Sie den Herrn Senator Lüder angesprochen haben, paßte 
nicht zu dem, was Sie zuvor zu dem Herrn Senator Dr. Rieb- 
schläger gesagt haben. Das stand nicht in Einklang mitein 
ander. 
Auch in der Sache bin ich anderer Meinung. Wenn es 
notwendig ist eine vernünftige ökonomische Maßnahme 
durchzuführen, in der wir uns auch weitgehend einig sind, 
dann erheben Sie trotzdem das Geschrei von der „Verun 
sicherung der Wirtschaft“. Ich finde, mit solchen Begriffen 
sollten wir sehr vorsichtig umgehen. Das, was Herr Lan 
dowsky eben gemacht hat, nämlich nur Miesmacherei, das 
ist sicherlich ein Beitrag zur Verunsicherung der Wirt 
schaft! 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Nicht nur in Berlin, sondern auch in der Bundesrepublik. 
Auf einige Dinge werde ich noch zurückkommen. Zunächst 
ein anderer Punkt: Was Sie im Ausschuß gesagt haben, 
und was Herr Kollege Zellermayer gesagt hat, das haben 
Sie beide noch nicht öffentlich zurückgenommen, nämlich 
den Vorwurf, den Sie Herrn Senator Lüder gemacht haben 
bezüglich des Umgangs mit dem ehemaligen Stadtkomman 
danten Fergusson. Auch das gehört zur Stilfrage, das hätten 
Sie tun müssen, wenn Sie schon andere in dieser Form 
kritisieren. 
(Abg. Schmitz: Wir waren sehr zurückhaltend dabei!) 
Wenn wir auch über die wirtschaftliche Lage nicht gerade 
glücklich sind, können wir trotzdem sagen, daß wir im 
Vergleich zu vielen anderen Ländern sehr gut dastehen, und 
wenn Sie dann bei jeder Gelegenheit - das war ja auch jetzt 
wieder der Fall, als hier der Vorstand der CDU tagte - mit 
verbalen Vorwürfen kommen und sagen: „Die ganze In 
flation ist ja hausgemacht“, 
(Abg. Boehm: Wir haben doch gar nichts gesagt!) 
dann sollten Sie doch auch einmal sagen, was Sie eigentlich 
unter hausgemachter Inflation verstehen. 
- Ich meine die Tonlage der CDU, die ganze Tonlage! 
(Abg. Diepgen: Der Ton ist schon ein Argument?) 
Wenn wir schon von Verunsicherung sprechen, dann wollen 
wir doch auch einmal die Erfolge erwähnen. 
Ich meine, Herr Kollege Boehm, da werden Sie mir doch 
recht geben, es gehört doch zu einer fairen Auseinander 
setzung, daß man mindestens auch einmal sagt, was im 
Rahmen der Konjunkturförderung durch die Leistungen 
des Bundes für Berlin getan wird. Außerdem möchte ich 
Ihnen sagen, wenn wir einerseits nicht einmal mehr das 
Berlinförderungsgesetz korrigieren dürfen, weil man sagt: 
„Da wird ja nur Geld weggenommen“, und andererseits 
nicht bereit ist, zuzugeben, daß die Bundesregierung zu 
sätzliche Mittel zur Förderung der Berliner Wirtschaft gibt 
und sie im Ansatz um 25,2 Mio DM erhöht hat - nämlich 
auf 492,5 Mio DM dann ist etwas unredlich. Allein für 
die Kapitalfinanzierung sind 387,2 Mio DM im Berlinplan 
vorgesehen, für Wiederaufbaumaßnahmen 5 Mio DM und 
für Zuschüsse für die Forschung 2,8 Mio DM. Das sind doch 
auch Leistungen! Tragen die eigentlich auch zur Verun 
sicherung der Wirtschaft bei? Oder dienen sie ihrer Förde 
rung? Ich bin der Meinung, daß das letztere der Fall ist. 
Es sind immerhin - wenn Sie einmal alles zusammen 
rechnen: Steuervergünstigungen, Kredite, Unterstützungen 
für neue Arbeitsplätze usw. - fast 28 Milliarden DM, die die 
Bundesregierung zur Stützung der Wirtschaft beigetragen 
hat. Und wenn Sie dann auch noch die Stimmen aus dem 
Ausland zu unserer Wirtschaftslage hören, werden Sie 
erfahren, daß man sich dort unsere Zustände wünscht und 
daß man uns um unsere Regierung beneidet, weil sie mit 
den enormen Schwierigkeiten so gut fertiggeworden ist 
(Zurufe des Abg. Matthes und des Abg. Luster) 
- Ich komme darauf noch zurück. Sie werden von mir schon 
noch einiges zu hören bekommen! - Sie waren doch nicht 
in der Lage, ich habe Ihnen das ja schon einmal gesagt, 
ein rein nationales Wirtschaftsproblem 1966/67 ohne unsere 
Hilfe zu lösen 
(Abg. Brinckmeier: Sehr gut! - 
Weitere Zurufe und Beifall bei der SPD) 
- Wissen Sie, man kann doch nur froh sein, daß Sie jetzt 
nicht in der Regierungsverantwortung stehen. Wenn Sie 
das damals schon nicht geschafft haben, wie würden wir 
dann wohl heute dastehen? 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Und Sie glauben doch nicht und werden es wohl auch nicht 
in Abrede stellen wollen, daß diese weltweite Rezession 
nicht gekommen wäre, wenn Sie in der Verantwortung ge 
standen hätten! Oder wollen Sie jemand in diesem Hohen 
Haus weismachen, daß es kein Weltwährungsproblem, keine 
Explosion der Rohstoff- und Erdölpreise gegeben hätte, 
wenn Sie in der Regierungsverantwortung gestanden 
hätten? Sie hätten sich mit diesen Schwierigkeiten auch 
auseinanderzusetzen gehabt. 
(Abg. Hackel; Ist alles höhere Gewalt!) 
- Ich möchte jetzt zum Schluß kommen. Das sind entschei 
dende Leistungen, und - Herr Kollege Voelker hat vorhin 
schon darauf hingewiesen - keine andere Regierung je zu 
vor hat so rechtzeitig erkannt, daß diese Probleme nicht 
mehr im nationalen Raum, sondern nur im Internationalen 
Raum gelöst werden können. Und kein anderer Bundes 
kanzler je zuvor hat sich in diesem Bereich so engagiert 
(Abg. Hackel: Das haben wir schon öfter gehört!) 
und auch die Nachbarländer, die Industriestaaten, mit auf 
die Reise bekommen. Und daß die jetzt auch Stützungs 
maßnahmen, daß sie Förderungsmaßnahmen durchführen, 
ist mit auf die Aktivität dieser Regierung zurückzuführen, 
das möchten wir hier doch auch einmal heraussteilen. Eine 
Leistung, für die wir dankbar sind. 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P. - 
Abg. Hackel: Schmidt, der Schuldenmacher!) 
Ich könnte Ihnen jetzt - aber das ist Ihnen sicherlich be 
kannt - einmal darstellen, wie wir im Vergleich zu anderen 
Ländern dastehen. Vielleicht helfen Ihnen so ein paar In 
formationen ? 
(Abg. Matthes: Fangen Sie doch mal 
mit dem Bruttosozialprodukt an!)
	        
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