Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
5. Sitzung vom 15. Mal 1975
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Steuerreform, die Sie ja mitgetragen haben. Herr Kohl
hat ja nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen dankenswer
terweise noch einmal gesagt, wie positiv die CDU im Bun
desrat dabei mitgewirkt hat. Als die Schwierigkeiten mit
der Steuerreform kamen, hörte man es zwar mal anders.
Aber jetzt sind wir wieder einig: Alle haben unseren deut
schen Steuerzahlern nur Gutes beschert. Diese Auswirkun
gen treffen den Berliner Haushalt, und es treffen den Ber
liner Haushalt weiter auch die Auswirkungen aus der Kon
junkturabschwächung. Wir haben eine Million Arbeitslose
im Lande; wir verzeichnen rückläufige Aufträge; wir ha
ben Verbraucher, die heute sparen und nicht konsumieren.
Das bedeutet Ausfall an Lohnsteuer, das bedeutet Ausfall
an Mehrwertsteuer, ganz zu schweigen von den Steuerzah
lungen vom Gewinn. Und wenn hier im Zusammenhang -
der Kollege Lummer hat es gesagt - mit der Bevölkerungs
entwicklung gesagt wird, die SPD habe schöngefärbt, dann
kann ich nur fragen: Sind Sie nicht dabei, zu pessimistisch
zu argumentieren, sind Sie es nicht, die die Pferde am Sau
fen hindern und miesmachen, wenn Herr Tromp schreibt -
ich habe es mit
Durch diesen Senat wird es dahin kommen, daß Berlin
ein politisch wertloser und siecher Ort wird.
Na, dann packen die Leute ihre Koffer und verzichten sogar
darauf, das nächstemal CDU zu wählen und in Berlin zu
bleiben. Wer subjektiv eine Stimmung erzeugt, die dazu
führt, daß die Leute konjunkturpolitisch nicht mitziehen -
nicht, weil wir es fordern, sondern so wie es Keynes und
alle wirtschaftspolitischen Fachleute empfehlen -, der ist
mitverantwortlich für das, was hier in dieser Stadt schlecht
läuft. Ich darf nur hoffen, daß diese realistische Betrach
tungsweise des Senats - und uns trifft sie besonders, denn
wir haben viele neue Vorhaben in die Senatspolitik ein-
bringen wollen -, daß diese realistische Politik von Ihnen
unterstützt wird - und nicht ein Pathos auf Stelzen, wie es
der Fraktionsvorsitzende der CDU hier verbreitet hat.
Ich glaube - und das möchte ich abschließend noch ein
mal sagen, im Hinblick auf die künftige Arbeit im Haupt
ausschuß -, wir sollten uns gemeinsam verpflichtet fühlen,
der schwierigen Finanzsituation Rechnung zu tragen, und
sollten es uns nicht so bequem machen wie einige Redner
der Opposition, und nur an dieser Regierungserklärung
herumnörgeln und sie miesmachen.
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD)
Präsident Lorenz: Das Wort hat der Abgeordnete Mendel.
Mendel (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Der Kollege Hucklenbroich hat es wirklich groß
artig verstanden, von der Regierungserklärung abzulenken.
Er wollte wohl nicht darüber sprechen, ich habe Verständnis
dafür. Die liberale Handschrift ist vielleicht nicht an allen
Stellen zu erkennen, und das gibt er dann auch nicht gerne
zu. Aber was im Grunde genommen der ,,BZ“-Artikel hier
mit zu tun hat, wenn Sie auf die CDU schimpfen, ist mir
nicht ganz klar. Das sollte man wirklich nicht machen.
(Abg. Hucklenbroich: Das habe ich der CDU
nicht gesagt!)
- Das haben Sie sehr fein differenziert. Nach dem Protokoll
haben Sie recht, nach dem Eindruck nicht.
Der Kollege Brinokmeier hat hier von Illusionen ge
sprochen, die die CDU erzeugt habe. Aber, Herr Kollege
Brinckmeier, ich glaube, Sie haben die 103 Punkte der
Materialien zur Regierungserklärung nicht angesehen. Da
ist immerhin die Rede von weiten, großen Freizeitsport-
anlagen, und es wird alles besser. Das sind ja die Illusionen,
selbst wenn sie auf der ersten Seite eingeschränkt sind. Es
sind ja auch so unklare Angaben. Der Herr Regierende
Bürgermeister hat hier bei seiner Regierungserklärung
gesagt: Infolge der Finanznot werden wir die einen oder
anderen unserer früheren Vorstellungen zurückschrauben
müssen. Am 10. Mai in der Schuh-Drück-Rede hat er - so
steht es im Landespressedienst, ich habe sie nicht gehört -
erklärt, der Senat habe beschlossen: keine Stellenvermeh
rung in 1975. Und dann kriegen wir einen Nachtragshaus
halt, da sind 22 Stellen drin. Ich rede nicht über den Sena
tor, ich rede nicht über seine Vorzimmerdame, ich rede
nicht einmal über den Persönlichen Referenten. Ich fange
erst mit dem Pressereferenten an, der ja wahrscheinlich
da ist, zu reden. Das ist keine Linie. Man kann nicht sagen,
es sei beschlossen worden, keine neuen Stellen zu schaffen,
um dann den Nachtragshaushalt dem Parlament so unter
zujubeln, in der Hoffnung, das würden die Hörer der Schuh-
Drück-Rede schon nicht merken. Das ist also keine schöne
Methode, und wir werden diesem Nachtragshaushalt - wie
Sie sich vielleicht denken - wahrscheinlich nicht gerade
unsere Zustimmung geben. Wobei ich aber an dieser Stelle
- falls es nachher zu spät ist, zum Nachtragshaushalt noch
zu sprechen - gleich darum bitten möchte, daß der Be
schluß des Abgeordnetenhauses, der ja im Moment nicht
gilt, in diesem Fall dann doch schon durchgeführt wird,
daß nämlich für Stellenvermehrungen jeweils noch eine
Erklärung abgegeben wird.
Ich wollte hier nur noch ein Wort zu der ganzen Frage
der Stellen sagen. Für 1976 sind 2430 Stellen neu vorge
sehen, 1000 für die Lehrer, 770 für Jugend und Sport. Wenn
Herr Dr. Haus sagt, für die Mehranforderung für 1976
würden entsprechende Ersparnisse an anderer Stelle kom
men, dann würde ich sagen: Wenn das geschafft würde,
dann wäre das ein Kraftakt, dem wir auch als Opposition
unseren Respekt erwiesen.
(Sen Neubauer: Daran erinnere ich Sie!)
Dann, Herr Kollege Brinckmeier, all das, was Sie hier
gesagt haben, mit den Alternativen: Sie wissen aus dem
Hauptausschuß ganz genau, wie schwer es ist, beim Senat
solche Ersparnisse durchzusetzen. Sie wissen ganz genau,
daß bei der letzten Haushaltsberatung Ihr Antrag mit 1%
Personalersparnis 179 Stellen - waren es, glaube ich - hätte
ergeben müssen, und 59 Stellen waren dabei geschummelt.
Geschummelt insofern, daß man kw-Stellen angeboten hat
und Stellen, wo man die Tätigkeiten auf nichtplanmäßige
Angestellte verlagert hat. Wir haben damals widersprochen.
Sie haben damals leider nicht den Mut gehabt zu sagen,
daß der Beschluß nicht durchgeführt worden ist. Aber
wir werden uns im Haushaltsausschuß hoffentlich so fried
lich wie früher auch weiter unterhalten; wir werden auch
einige alte Anträge wieder verbringen, die zu Einsparungen
führen sollen, zur Rationalisierung. Dazu gehört zum Bei
spiel die Zusammenlegung der AMK, der Ausstellungen und
der Deutschlandhalle. Die gehörten bisher zu zwei Sena
toren, nach der neuen Senatsaufteilung zu dreien. Ich kann
mir vorstellen, wie schwierig das wird und wie schwer es
der neue Senat haben wird mit seinem Persönlichen Refe
renten, mit seinen Pressereferenten, solche Rationalisierun
gen durchzuführen.
(Beifall bei der CDU)
Präsident Lorenz: Das Wort hat Herr Senator Dr. Rieb-
schläger!
Dr. Riebschläger, Senator für Finanzen: Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Mendel
gibt Hoffnung, daß eine der Gemeinsamkeiten, die in diesem
Hause über die Jahre gepflegt wurden, wiederherstellbar
scheint, nämlich die in der Einschätzung wenigstens der
finanz- und haushaltspolitischen Lage, wenn auch nicht in
den Schlußfolgerungen, die daraus für die konkrete Politik
zu ziehen sind.
Lassen Sie mich im Anschluß vor allen Dingen an das,
was Herr Diepgen für die Opposition ausgeführt hat, einige
Anmerkungen machen. Er hat die Regierungserklärung in
dem Teil, der sich mit finanz- und haushaltspolitischen
Fragen beschäftigte, unseriös genannt, weil besonders für
den Sektor der Einnahmen keine genauen Daten ln die
Regierungserklärung aufgenommen worden seien. Die
Kritik hat er selbstverständlich auch auf den Ausgaben
sektor erstreckt. Aber ich will mich hier zunächst zum
Einnahmesektor äußern.