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Volume Nr. 17, 11.12.75

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1975, 7. Wahlperiode, Band I, 1.-19. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
17. Sitzung vom 11. Dezember 1975 
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ob hier in verantwortungsvoller Weise versucht wird, Kin 
der zu Mitgliedern einer pluralistischen Gesellschaft wie 
der unsrigen zu erziehen. Wir haben da unsere Bedenken, 
wie wir meinen, berechtigte Bedenken. 
Lassen Sie mich nur ein Beispiel herausziehen: Die Nach 
bereitungshefte, die zu jedem Stück herausgegeben werden 
und die auch wir aufmerksam gelesen haben, in denen die 
Texte so lange gedreht und gewendet werden, bis sich der 
Klassenkampf, mit allem was dazu gehört, als einzige Lö 
sungsmöglichkeit anbietet. Diese Hefte werden auch aus 
öffentlichen Mitteln finanziert und an die Schulen geleitet, 
jedoch ohne die übliche und - wie wir meinen - erforder 
liche Abstimmung mit den Behörden. Wenn ein Schulbuch 
bis zum letzten Komma, bis zum Bindestrich, bis zur Be 
zeichnung „Bundesrepublik Deutschland“ oder „BRD“ ge 
prüft wird, dann scheint es uns sehr unverantwortlich zu 
sein, diese Hefte ungeprüft in die Hände von Lehrern und 
Schülern zu geben. 
(Beifall bei der CDU) 
Dieses linke Theater strebt - nach sorgfältigem Studium 
aller Unterlagen - nicht den evolutionären Weg in den 
Sozialismus an, sondern gerade den revolutionären. 
Stellv. Präsident Baetge: Frau Abgeordnete, erlauben Sie 
eine Zwischenfrage des Abgeordneten Papenfuß ? 
Frau Greiff (CDU): Ja, bitte! 
Stellv. Präsident Baetge: Bitte, Herr Papenfuß! 
Papenfuß (SPD): Halten Sie die Einführung der Zensur 
auf dem Umweg über die Subvention bei künstlerischen 
Einrichtungen für zulässig? 
(Abg. Schmitz: Das ist doch echt Quatsch!) 
Frau Greift (CDU): Das ist keine Zensur, dann ist Ihre 
Schulpolitik auch eine reine Zensur, oder wie ist das zu ver 
stehen? 
Stellv. Präsident Baetge: Erlauben Sie noch eine Zwi 
schenfrage ? 
Frau Greift (CDU): Ja, ich möchte nur wissen, ob die 
Zeit zu- oder abgezogen wird. 
Stellv. Präsident Baetge: Es wird abgezogen. 
Frau Greift (CDU): Na gut, dann werden wir mal sehen, 
wenn Sie sich bitte kurzfassen würden. 
Papenfuß (SPD); Halten Sie die Einrichtung der öffent 
lichen Schule und die Freiheit eines künstlerischen Theaters 
für gleichwertig im Hinblick auf die Kontrolle der öffent 
lichen Hand? 
Frau Greift (CDU): In dem Moment, wo es um unmün 
dige Kinder geht: Ja! 
(Sehr richtig! und Beifall bei der CDU) 
Wissen Sie, ich glaube, deshalb gibt es die Mündigkeitsbe- 
ETenzung, und hier sollten wir auch Respekt davor haben. 
Aber bleiben wir doch bei dem revolutionären Weg, in 
dem Klassenkampfsituationen kunstvoll aufgebaut werden, 
getreu der Devise - und hier zitiere ich mit Genehmigung 
des Präsidenten -: 
Die Irritationen durch marxistischen Ökonomismus 
sollen den Blick nicht dafür verstellen, daß Revolu 
tion heute den Charakter einer Kulturrevolution an 
genommen hat. Die Kunst und ihre in die politische 
Praxis übertragenen Mittel sind der Ort, an dem 
Ursprung und Ziel des revolutionären Wirkens sich 
artikulieren. 
- Es tut mir leid, es klingt wie Partei-Chinesisch, aber es 
ist wissenschaftlich so festgelegt. Und ob Sie die Verant 
wortung übernehmen wollen, die Förderung dieser Kultur 
revolution zu betreiben, das müssen Sie sich fragen, müssen 
es aber auch Ihren Wählern sagen, die am 2. März ein 
deutig entschieden haben, was sie in diesem Lande nicht 
haben wollen. 
(Bravo! und Beifall bei der CDU) 
Stellv. Präsident Baetge: Nächster Redner ist der Abge 
ordnete Brandt! 
Brandt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Wenn man eben die Ausführungen von Kollegin Greiff 
gehört hat, sollte man meinen, daß die gesamte Berliner 
Kulturszene nur aus einem einzigen Theater bestehe. Nun 
ist es sicherlich richtig, daß dieses Theater - und das ist 
auch unbestritten - eines der Festen - um nicht zu sagen: 
das beste deutschsprachige - Theater ist. Und ich möchte 
hierzu sagen: Wir sind stolz darauf, daß sich dieses Theater 
in Berlin befindet. 
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.) 
Frau Kollegin Greiff, wenn Sie davon sprechen, daß es 
sich bei diesem Theater um das Theater handelt, das - 
außerhalb der Staatstheater - die höchste Direktunter 
stützung bekommt, so ist das zweifellos richtig. Das ist 
aber auch so gewollt. Sie wissen selbst aus der Besichti 
gung, die wir vor kurzem in der Schaubühne gehabt haben, 
daß dieses Theater unter erheblichen Schwierigkeiten zu 
leiden hat, daß Probebühne, Werkstätten und dergleichen 
kilometerweit auseinanderliegen und daß der ständige Kon 
takt zwischen diesen einzelnen Stellen erhebliche Kosten 
verursacht. Hierauf ist ein großer Teil der Direktzuschüsse 
zurückzuführen. Nicht etwa auf überhöhte Gagen, wie Sie 
versucht haben, uns hier darzustellen. Das ist keineswegs 
der Pall. 
Stellv. Präsident Baetge: Herr Abgeordneter, erlauben 
Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Greiff ? 
Frau Abg. Greiff (CDU): Halten Sie nicht eine Gage für 
höher, Herr Kollege, wenn sie auch für Proben bezahlt 
wird, was in den anderen Privattheatern offenbar nicht 
möglich ist? 
Brandt (SPD): Frau Kollegin Greiff, wenn Sie sich die 
Gagen ansehen - bei Staatstheatern, bei der „Schaubühne“ 
und auch bei übrigen Privattheatern -, dann werden Sie 
feststellen, daß die „Schaubühne“ hier nicht in dem oberen 
Teil der Gagen liegt. 
(Abg. Schmitz; Ha, ha, ha, da haben Sie aber darum 
herumgeredet! - Zuruf: Das ist aber interessant! - 
weitere Zurufe) 
- Prüfen Sie das bitte nach! 
(Abg. Wronski: Das ist ein offenes Wort! - Unruhe 
bei der CDU)
	        
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