Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
17. Sitzung vom 11. Dezember 1975
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anschließen kann. An sich kann ich, wenn man Ihre Formu
lierungen aufgreift. Ihnen unterstellen, daß Sie sich in
der politischen Ecke einiger „Freunde“ hier in der Stadt
befinden, die nicht gerade die Ihren sind. Denn diese Argu
mentation findet sich üblicherweise in der „Wahrheit“.
Nun ein Wort zu den Bildungszentren, die ja aus den
verschiedensten Problembereichen und aus verschieden
sten Sichtweisen heraus angesprochen worden sind: Einer
seits ein wenig von der Seite der Ideologie her, der Über
legung, wie Gesamtschulen aussehen sollen, und zum zwei
ten von der rein kostenmäßigen Seite her. Nun hat der
Kollege Ulzen eine Fülle von Formulierungen und Darstel
lungen gebraucht, die es an sich wert wären, mal sehr
exakt unter die Lupe genommen zu werden. Ich glaube,
wir werden das mal bei anderer Gelegenheit tun, sonst
müßten wir hier ein abendfüllendes Programm starten,
Herr Abgeordneter Ulzen.
(Abg. Feilcke: Erst mal darüber nachdenken!)
Sie werden wahrscheinlich lange über meine Dinge nach
denken müssen, die ich Ihnen hier sage, denn das Konglo
merat wiederum, was der Abgeordnete Ulzen hier vorge
tragen hat, Herr Feilcke, war außerordentlich interessant.
Und es lohnt sich, dies mal in der Öffentlichkeit aufzu
bröseln, weil die innerlichen und inneren Widersprüchlich
keiten so groß sind, daß es wirklich ein reiner Werbeslogan,
ein Werbegag für die CDU sein würde.
Sie haben zu dem Problem der Zuweisung gesprochen.
Hier gibt es keine Revision der Position, die der Senat —
auch der vergangene Senat — eingenommen hat. Sie wis
sen alle sehr genau, daß wir nicht zuweisen wollen. Wir
möchten grundsätzlich dem Elternwunsch, das heißt der
Elternempfehlung, nachkommen. Aber Sie müssen auch
die Probleme der Verteilung in einem Stadtstaat wie Ber
lin über Bezirksgrenzen hinaus sehen. Wir werden even
tuell — auch wenn es nicht möglich sein kann, alle Be
dürfnisse rein quantitativ und qualitativ zu befriedigen —
zu dem Recht und der Möglichkeit der Zuweisung grei
fen. Machen Sie sich nichts vor: Sie könnten das genauso
wenig umgehen, wie es womöglich dieser Senat umgehen
kann!
Den Begriff „Chancengleichheit" oder „Chancengerech
tigkeit", den lohnt es nun wirklich ideologisch mal auszu
loten. Das fand ich nun außerordentlich interessant, was der
Kollege Ulzen da gesagt hat. Ich bin gespannt, wo er die
Definition eigentlich herholt.
(Abg. Hauff: Wir auch!)
Uns geht es nach wie vor darum, mehr Chancengleichheit
zu schaffen, das heißt, jedem Kind die Chance einzuräumen,
von relativ gleichen Bedingungen aus den Weg im Bil
dungsbereich anzutreten. Dies ist die Hauptsache. Sie ha
ben hier etwas seltsame Formulierungen gebraucht, die
man vielleicht in einem weiteren Beitrag noch näher er
läutert bekommen könnte. Die Quote in unserem Bildungs
bereich — ein Lieblingsdiskussionsobjekt in der Gesamt
schule seitens der CDU, mit dem man versucht, die inte
grierte Gesamtschule ad absurdum zu führen — ist aller
dings kein Argument mehr, Herr Kollege Ulzen, das auf
diesem Weg Erfolg versprechen könnte. Denn, wenn Sie
die jüngsten Zahlen über die Entwicklung im Bereich der
Gymnasialempfohlenen, Realschulempfohlenen und Haupt-
schulempfohlenen sehen, dann werden Sie eine enorm
starke Zuwachsrate im Bereich der Gymnasialempfohlenen
entdecken können. Hier kommen wir teilweise faktisch
schon zur Drlttelung, wenn diese auch nicht in allen Bil
dungszentren bisher erreicht werden konnte. Jedenfalls
ist hier eine Tendenz zu verzeichnen, die im Gegensatz zu
dem steht, was Sie hier als Tendenz glaubten anmorken
zu müssen.
Zum Begriff der Leistung: Ich verstehe einfach nicht,
wieso Sie hier so tun konnten, als ob auf Leistungsanfor-
derungon jedweder Form verzichtet werden solle. Natür
lich muß man sich fragen: Wann und wo muß Leistung
gefordert werden ? Soll in der Vorklasse Leistung gefordert
werden oder soll in der gymnasialen Oberstufe Leistung
gefordert werden ? — Das heißt, wir werden uns einig sein,
hoffe ich, daß die Leistung sehr differenziert gesehen wer
den muß, je nachdem, wann und wo man Leistungsanforde
rungen stellen muß.
(Abg. Ulzen: Altersspezifische Leistungen!)
Sie müssen den Beweis antreten, wenn Sie sagen wollen,
die Leistung des Berliner Schulwesens sei zurückgegangen.
Ich will jetzt nicht noch tausend Einzelheiten zum Be
reich der Gesamtschule hier ansprechen, ob das nun die
Verdichtung ist, ob das andere Problembereiche sind, die
Sie angesprochen haben. Vielleicht kann man das noch in
weiteren Stellungnahmen ausräumen. Ich halte das mehr
für Themen, die im Schulausschuß oder anderswo im einzel
nen diskutiert werden sollten.
Nur ein Wort noch zu dem Kostenvergleich, den die Frau
Kollegin Besser hier vorgetragen hat: Frau Kollegin Besser
hat erklärt, daß die Bildungszentren erheblich mehr koste
ten. — Sie kosten in der Tat erheblich mehr! Sie sind näm
lich erstens von der Konzeption her andere Schulen, well
sie Ganztagsschulen sind und daher
(Abg. Ulzen: Also hat sie recht gehabt!)
einen höheren Aufwand erfordern. Selbstverständlich
kostet diese Konzeption mehr Geld! Und dazu sollte man
sich auch bekennen! Und ich sehe auch, selbst wenn das
unangenehm ist und wenn die Folgekosten eine Belastung
darstellen, in dem plakativen Anwurf, daß sie zuviel ko
sten, keine Alternative. Wollen Sie die Stromkosten sen
ken, indem Sie den Strom reduzieren und damit die Din
ger dunkel machen ? Wollen Sie die Heizkosten reduzieren ?
Dies ist nicht möglich! Das einzige — wenn Sie unterstel
len, daß hier zuviel Aufwand getrieben wird —, was ich
bereit bin zu lernen,
(Abg. Ulzen: Erst denken, dann bauen!)
ist dieses, daß wir bei weiteren Vorhaben, zum Beispiel bei
den Oberstufenzentren, genau die Erfahrungen einbringen,
die mit der Konzeption der Mittelstufenzentren gemacht
worden sind. Genau das ist der Ansatz. Genau hier kann
man, wenn man dieser Unterstellung folgen will, lernen,
soll man lernen und muß man lernen. Und das werden wir
auch tun.
Präsident Lorenz: Gestatten Sie eine Zwischenfrage? —
Herr Abgeordneter Dr. Biewald!
Dr. Biewald (CDU): Herr Senator! Würden Sie ln die
sem Zusammenhang eine Anweisung ergehen lassen, daß
die Illumination — anders kann ich es nicht bezeichnen —
der Mittelstufenzentren, die Tag und Nacht im hellsten
Licht erstrahlen, abgeschafft wird, um in unserem Haus
halt dieses Geld, das dort verpulvert wird, auch wirklich
einzusparen ?
(Beifall der CDU)
Rasch, Senator für Schulwesen: Ich finde die Begeiste
rung fast kindlich. — Ich halte erst mal
(Abg. Ulzen: Wir finden Ihren Sparwillen kindlich!)
— natürlich könnte ich es jetzt polemisch sagen — nichts
davon, nachts in Bildungszentren das Licht auszuschalten.
Ich bin bereit, insofern eine Bemerkung hier aufzunehmen,
daß man prüfen soll, ob überall, zu jeder Zeit, in jedem
Raum das Licht brennen sollte. Dies ist aber, Herr Ab
geordneter Biewald, primär ein Problem der Bezirke, von
denen die Bildungszentren bewirtschaftet werden. Ich finde
es immer hoch interessant, wenn man zu diesen Fragen
dann gestandene Bezirkspolitiker wie den Bürgermeister
Baumann hört, seine positiven Stellungnahmen zur Ge
samtkonzeption der Bildungszentren vernimmt und auch