Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
15. Sitzung vom 37. November 1975
528
Da einen vernünftigen Kompromiß zu finden, ist Aufgabe
dieses Hauses und wird sicherlich auch noch in den ent
sprechenden Fachausschüssen Diskussionen erfordern. Ich
kann es mir im Augenblick ersparen, auf die wissenschaft
lichen Gutachten einzugehen, die uns vorliegen, daß ins
besondere durch Anwendung von Salz der Baumbestand
unserer Stadt erhöht gefährdet ist. Sie hatten auch bereits
darauf hingewiesen. Darüber bestehen offenbar gar keine
Zweifel. Wenn Sie aber nun
(Abg. Boroffka meldet sich zu einer Zwischenfrage)
— Darf ich den Satz zu Ende führen? — Wenn Sie aber
nun im § 3 Absatz 6 darauf hinweisen, daß ein kontrollier
ter Einsatz von Streusalz den Baumbestand nicht gefährden
könnte, und wenn Sie der Meinung sind, die Berliner Stadt
reinigung würde einen unkontrollierten Einsatz von Streu
salz vornehmen, dann muß ich dem entgegenhalten, daß
der Gebrauch von Streusalz seitens der Berliner Stadtreini
gung durchaus kontrolliert eingesetzt wird.
(Abg. Boroffka: Und zulässigerweise mehrmals am
Tag!)
— Gut, das ist aber der kontrollierte Einsatz. Wenn wir
davon ausgehen, daß wir auch auf den Gehwegen den Ein
satz von Streusalz kontrollieren könnten, dann wäre viel
leicht dagegen gar nicht einmal etwas zu sagen. Aber in
dem wir das zulassen, in Detailbereichen Denn Sie
haben es ja in Ihrer eigenen Vorlage gesagt: „Wenn kein
Baum- und kein Strauchbewuchs“ — aber wo gibt es denn
schon Straßen in Berlin, die keinen Baumbestand haben?
Das sind doch höchst wenige. Und wenn wir die nun als
Ausnahmcregelung hier zulassen, dann ist der mißbräuch
lichen Benutzung von Streusalz auf Gehwegen Tür und Tor
geöffnet.
Stellv. Präsident Baetge: Herr Abgeordneter, gestatten
Sie eine Zwischenfrage ?
Städing (SPD): Ja, bitte.
Stellv. Präsident Baetge: Herr Abgeordneter Boroffka,
bitte sehr!
Boroffka (CDU): Sehr verehrter Herr Kollege, würden
Sie gelegentlich die Freundlichkeit besitzen, die Vorlage,
Drucksache 7/254 -— Antrag der CDU —, zu lesen? Sie
werden dann mit mir übereinstimmen, daß eben dieses ge
währleistet sei, wenn die Formulierung so, wie Ihnen vor
liegend, lautet; „...und maschinelle Streugeräte benutzt
werden, die eine Begrenzung der Streusalzmenge gewähr
leisten".
Städing (SPD); Sehr wohl, insoweit gebe ich Ihnen recht.
Aber es geht doch darum, ein völlig unkontrolliertes Be
nutzen von Streusalz zu verhindern. Würden wir das zu
lassen, für Gehwege Streusalz zu benutzen, dann würde das
abgleiten — da bin ich ganz sicher — in den Bereich der
unkontrollierten Benutzung. Und das muß auf jeden Fall
verhindert werden, für meine Begriffe.
(Abg. Boroffka: Sie setzen also voraus, daß Gesetze
nicht eingehalten werden!)
— Aber bitte, das kann von uns doch gar nicht mehr kon
trolliert werden! Soweit die Berliner Stadtreinigung mit
diesem Einsatz betraut ist, kann das durchaus kontrolliert
werden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Kontakt
bereichsbeamten im Winter in der Lage sein würden, je
weils auf den Straßen zu kontrollieren, ob dort in aus
reichender Menge und in entsprechender Entfernung vom
Baumbewuchs mit Streusalz gearbeitet worden ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte den
Diskussionen in den Fachausschüssen nicht vorgreifen. Ich
möchte das Interesse des Hauses nur jetzt schon auf einen
Punkt lenken, nämlich auf den, daß Berlin, das immer mehr
zum Zentrum des Umweltschutzes und der Umweltschutz
fragen wird, es sich einfach nicht leisten kann, seinen
Baumbestand durch unkontrollierte Anwendung von Streu
salz zu vernichten. Und ich bitte Sie schon jetzt, dem An
trag der CDU nicht zuzustimmen. — Ich danke für Ihre
Aufmerksamkeit!
(Beifall bei der SPD und der P.D.P. — Abg. Boroffka:
Deshalb hat auch der Senator für Gesundheit und Um
weltschutz nicht unterschrieben, sondern der Senator
für Verkehr und Betriebe!)
Stellv. Präsident Baetge: Als nächster hat das Wort der
Abgeordnete Krüger.
Krüger (F.D.P.): Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Ich bedauere, daß dieses Haus mit
einem wissenschaftlichen Vortrag der Umweltexperten
doch über Gebühr — zeitlich über Gebühr — belastet wor
den ist. Es wäre richtiger gewesen, über den sachlichen
Beitrag des Herrn Kollegen Boroffka im Ausschuß zu
sprechen, wo er besser und eingehender hätte beraten wer
den können.
(Abg. Wronski: Was meinen Sie, was da kommt!)
-—• Herr Kollege Wronski, Sie kennen auch die Ausschuß
arbeit. Wie die Abstimmung nachher ausgeht, das wissen
Sie, genauso wie wir alle, sehr gut.
Wir sind natürlich gegensätzlicher Auffassung; denn wir
wissen, daß — wenn wir der Stadtreinigung unkontrollier
tes Salzstreuen auf den Straßen vorwerfen — die Gehwege
eben kontrolliert werden müssen. Und nun sagt die CDU-
Fraktion, nun sagt der Umweltexperte, Herr Boroffka:
„Auf den Bürgersteigen darf Salz gestreut werden, es darf
aber nicht auf die Baumscheiben gelangen.“ Ja, glauben
Sie denn, daß das Tauwasser, das durch das Salz hervor
gerufen wird, nur durch die Steine in den Boden hinein ver
sickert und nicht zu den Baumscheiben fließt ? Hier ist doch
wirklich sehr unsachlich argumentiert worden.
Das Salz allein macht es doch nicht. Früher gab es kein
Salz, aber früher hatten wir saubere Bürgersteige. Da war
die Polizei hinterher, da gab es Anzeigen, wenn die Haus
wirte den Gehweg nicht richtig gereinigt hatten, und es
ging damit sehr gut. Wenn wir heute wieder dahinkämen,
brauchten wir kein Salz auf den Gehwegen. Das ist doch
das Entscheidende. Vor anderthalb Jahren sagte Herr Bo
roffka: „Wir wollen überhaupt kein Salz“, heute will er es
wieder. Ich weiß wirklich nicht, was der Schlenker der
CDU-Fraktion zu diesem Thema heute soll und beantrage
namens meiner Fraktion die Ablehnung dieses Antrags.
(Beifall bei der F.D.P.)
Stellv. Präsident Baetge: Meine Damen und Herren!
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe
die Beratungen. Beide Drucksachen sind auf Wunsch der
Antragsteller vorab dem Ausschuß für Gesundheit und
Umweltschutz überwiesen worden. Der Ältestenrat emp
fiehlt Ihnen zusätzlich Überweisung an den Ausschuß für
Verkehr und Betriebe als mitberatenden Ausschuß. Wer
dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. —
Danke, das war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf
Drucksache 7/255:
Antrag der Fraktion der SPD über Erstes Gesetz zur
Änderung des Landeskrankenhausgesetzes.
Der Ältestenrat empfiehlt einstimmig, die I. Lesung bereits
in der heutigen Sitzung durchzuführen. Erhebt sich dagegen
Widerspruch ? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur
Begründung gewünscht? — Herr Abgeordneter Gollnick,
bitte schön!