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Volume Nr. 15, 27.11.75

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1975, 7. Wahlperiode, Band I, 1.-19. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
16. Sitzung vom 27. November 1975 
525 
Ich hätte es auch sehr begrüßt, wenn mit Rücksicht auf 
den Kandidaten, der aus politischen Gründen von der Mehr 
heit dieses Hauses nicht akzeptiert worden ist, diese De 
batte aus der Begründung und aus der Erörterung über 
Ihre Anträge im Interesse des Kandidaten und im Inter 
esse des Ansehens des Amtes, um das es geht, heraus 
geblieben wäre. 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD) 
Drittens: Ich habe mich öffentlich vor der Entscheidung 
darüber, ob der Kandidat akzeptiert wird oder nicht, in der 
„Abendschau“ dahin geäußert, daß der Kandidat in der 
Lage sei, Richter zu motivieren für die bevorstehenden 
Anarchistenprozesse, und daß es unter ihm „Stammheim“ 
nicht geben werde. Das ist selbstverständlich, wie sich das 
bei einem Femsehinterview gebührt, eine verkürzte Zu 
sammenfassung meiner Meinung, die ich nach wie vor 
aufrechterhalte. Und ich will Ihnen dies auch noch einmal 
mit wenigen Worten erläutern, nachdem Sie das Thema 
angesprochen haben, Herr Kollege Schmitz. Für mich kam 
es darauf an, daß sich bei der Durchführung der Ver 
fahren, die wir hier in Berlin zu erwarten haben, äußerlich 
nicht dasselbe vollzieht, was wir andernorts haben erleben 
müssen. Es geht mir nicht darum, andere Richter zu 
schelten, sondern es geht mir darum, das Ansehen der 
Justiz zu wahren. Ich war und ich bin der Auffassung, 
daß es die Aufgabe eines strafrechtlich und strafprozes 
sual vorgebildeten Kammergerichtspräsidenten ist und sein 
kann, darauf hinzuwirken, daß den Richtern — insbeson 
dere den jüngeren Richtern — das Maß an Weiterbildung 
und Fortbildung zur Verfügung gestellt wird, das erforder 
lich ist, um die Belastungen eines solchen Verfahrens 
durchstehen zu können. Ich habe niemals davon gesprochen 
— und das bitte ich sehr sorgfältig auseinanderzuhalten —, 
daß die Richter motiviert sein sollten, bestimmte Entschei 
dungen zu treffen, oder daß in laufende Verfahren ein 
gegriffen werden sollte, sondern ich habe davon gesprochen, 
daß ln diesem Sinne Motivierung notwendig ist, wie in 
allen anderen Bereichen auch, verehrter Herr Kollege 
Schmitz, daß sie auf die konkret auf sie zukommenden 
Aufgaben vorbereitet werden. Das allerdings betrachte ich 
als eine selbstverständliche Aufgabe auch des Kammer 
gerichtspräsidenten, und ich sah mich für befugt an, mich 
dazu zu äußern. Wenn Sie in diesem Punkt anderer Mei 
nung sind, dann sprechen Sie darüber hier ganz offen. 
Und ob dabei der eine oder der andere, auch der eine oder 
andere Jungdemokrat, den ich hier begreiflicherweise nicht 
ganz ernst nehmen kann, in dieser Frage anderer Mei 
nung Ist, kann mich hier nicht interessieren und nicht 
beeinflussen. 
Und nun noch etwas zu dem Problem selbst, verehrter 
Herr Kollege Schmitz! Es geht gar nicht darum, ob sich 
die CDU bei ihren Anträgen von dem Motiv leiten läßt, 
die Möglichkeit parteipolitischer Einwirkung zu erreichen, 
sondern es geht ganz einfach darum, daß objektiv bereits 
die Einführung eines solchen Mehrheitszwanges dazu führt, 
daß parteipolitische Einflüsse in der Zukunft nicht mehr 
ausgeschlossen sein werden. Die Verfassung, die Sie än 
dern wollen, verehrter Herr Kollege Schmitz, wird auch 
noch gelten, wenn Sie und der Herr Kollege Luster und wer 
auch sonst noch immer nicht mehr als ehrenwerte Ab 
geordnete in diesem Hause sitzen. Es geht darum, daß ein 
solches Verfahren geradezu ein bestimmtes Verhalten auf 
zwingt. Und ob all das, was wir an anderer Stelle erfuhren, 
worauf mal hingewiesen werden muß — und ich habe es 
vorhin getan —, gerade dazu einlädt, eine solche Regelung 
zu bekommen, wage ich zu bezweifeln. Sie sollten, Herr 
Kollege Schmitz, meine Bereitschaft nicht überhören, auf 
sachlicher Grundlage, auch gemäß der jetzigen gesetzlichen 
Regelung, jederzeit den Versuch zu unternehmen, Persön 
lichkeiten für hohe Richterämter zu finden, die öffentlich 
hohes Ansehen genießen und deshalb von allen akzeptiert 
werden können. 
(Beifall bei der F.D.P. und der SPD) 
Stellv. Präsident Sickert: Das Wort hat Herr Abgeord 
neter Schmitz. 
Schmitz (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Herr Bürgermeister, Ihre Bereitschaft zum Mit 
denken, zum Mitprüfen, zum Mitmachen und vielleicht 
auch zur gemeinsamen Entscheidung habe ich nicht über 
hört. Ich registriere sie sorgfältig, und ich hoffe, daß sich 
das auch in Ihren künftigen Verhaltensweisen ausdrückt. 
Und ich will hier betonen, daß wir nicht Interesse daran 
hatten, eine personalpolitische Debatte zu führen — das 
hätten wir zu einem anderen, viel früher gelegenen Zeit 
punkt tun können, das haben wir nicht getan —, sondern 
wir haben gesagt — und das ist leider richtig —, daß die 
Wiederholung unseres Antrages aus einem aktuellen Anlaß 
dringender und notwendiger geworden ist, als wir es viel 
leicht vor wenigen Monaten gesehen haben. 
(Abg. Pawlak: Das hat doch Herr Luster gerade 
abgestritten!) 
Und nun lassen Sie mich das einmal deutlich sagen. Herr 
Bürgermeister, wenn Sie heute hier sagen und interpre 
tieren, wie Sie die Motivation der Berliner Richterschaft ln 
einem Interview seinerzeit begründen oder ausdrücken 
wollten, und wie Sie verhindern wollten, daß hier in Berlin 
ein zweites Stammheim entstehen soll, so läßt sich das, was 
Sie heute hier gesagt haben, durchaus hören. Nur, Herr 
Bürgermeister, wir kennen uns zu lange, um nicht zu wis 
sen, daß Sie durchaus in der Wahl Ihrer Worte die Mög 
lichkeit haben, auch in der Kürze das zu sagen, was Sie 
wollen. Und wenn der F.D.P.-Landesausschuß begrüßt, daß 
Justizsenator Oxfort diesen Mißverständnissen entgegen 
getreten sei und die Grundsätze liberaler Rechtspolitik 
hervorgehoben habe, nach denen unter anderem erstens die 
Unabhängigkeit der Rechtsprechung von der Justizverwal 
tung ohne Einschränkung zu gewährleisten sei und zwei 
tens Richterposten nicht parteipolitisch besetzt werden, 
dann, lieber Herr Bürgermeister, müssen ja Ihre kurzge 
faßten Ausführungen so mißverständlich gewesen sein, 
wie sie in der Öffentlichkeit in weiten Teilen und auch vor 
allen Dingen von den betroffenen Richtern verstanden 
worden sind. Dann hätten Sie sich schneller korrigieren 
oder klarer reden müssen. Ich habe leider den Eindruck, 
daß Sie da versucht haben, sich in der verkehrten Weise 
zu profilieren. 
(Zuruf von der CDU; Sehr richtig!) 
Ich sage noch eines: Wir haben nicht, und auch nicht 
der Kollege Lummer — und ich habe an den Besprechun 
gen in unserem Kreise über all die Kandidatenfragen teil 
genommen —, irgendeinen Fall — ich weigere mich 
überhaupt, hier einen Fall in extenso zu diskutieren — als 
das entscheidende Gravamen für die Ablehnung des Kan 
didaten genommen. Es gab und gibt andere Gründe. Ich 
will nicht den Brief vorlesen — obwohl er da ist —, weil 
das uns genau in die Situation bringt, daß wir nämlich hier 
die internen Beratungen und Überlegungen in Vollständig 
keit vortragen; und Sie selbst wissen, daß der Fall, den 
Sie hier mehrfach genannt haben, in diesem Brief eben 
nicht erwähnt ist. 
Und wenn Sie uns vorwerfen, daß wir die Anhörung 
Ihres Kandidaten nicht vorgenommen haben, dann des 
halb, weil wir ehrlich waren. Wir haben gesagt — und 
bitte, gehen Sie davon aus, daß in unsere Fraktion sehr 
viel sachkundige Mitglieder sind, die diesen Richter, der 
persönlich äußerst ehrenwert und von hohem Niveau ist, 
kennen —, wir würden diesem Kandidaten nicht unsere 
Stimme geben können. Und wir halten es dann einfach für 
unredlich, ihn vor die Fraktion zu zitieren, dort ein kleines 
Spielchen mit ihm zu machen, um ihm dann zu sagen, daß 
er Pech habe, er finde nicht die Zustimmung. Beschweren 
Sie sich doch bitte nicht bei uns; Sie haben ja auch Be 
schwerden bei der SPD-Fraktion anbringen müssen, weil 
die nicht abgestimmt habe. 
Ich glaube, Herr Bürgermeister, Sie kommen an einem 
Punkt nicht vorbei. Sie haben bei der Auswahl des Kan 
didaten vor seiner öffentlichen Nominierung nicht die not 
wendige Sorgfalt walten lassen und wollen das jetzt an 
deren in die Schuhe schieben; und das geht einfach nicht! 
(Beifall bei der CDU)
	        
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