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Volume Nr. 14, 06.11.75

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1975, 7. Wahlperiode, Band I, 1.-19. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
14. Sitzung vom 6. November 1975 
457 
Dr. Pfennig (CDU): Da gehe ich mit Ihnen einig. Den 
aktuellen Anlaß für die beabsichtigte Änderung der Dienst- 
Aufsicht will ich Ihnen gleich noch mitteilen. Dann werden 
Sie bemerken, warum die Änderung wichtig ist. 
(Abg. Gollnick; Sehr schön!) 
Sehen Sie: Warum ist die Regelung, die Berlin hat, am 
rückschrittlichsten? Früher, als die Rechnungshöfe einge 
richtet wurden — im alten Preußen und im alten Sach 
sen —, war der Rechnungshof selbständig gegenüber der 
Exekutive. Sein Schutz vor der übrigen Exekutive bestand 
darin, daß man ihn direkt dem Souverän unterstellte — das 
war damals der König. 
(Heiterkeit) 
Heute ist anerkannt, daß der Rechnungshof ausgeklammert 
ist aus der Exekutive. Darüber hinaus ist allgemein an 
erkannt — das kann man in der Bundesverfassung und 
zahlreichen Landesverfassungen nachlesen —, daß der 
Rechnungshof ein parlamentarisches Hilfsorgan ist. Nur 
scheint man aus dieser Veränderung noch nicht überall die 
nötigen Konsequenzen gezogen zu haben. 
(Abg. Wronski: Sehr richtig!) 
Sonst hätte man nämlich überall berücksichtigen müssen, 
daß heute das Parlament der Souverän ist und der Rech 
nungshof schon aus diesem Grund, erst recht aber als par 
lamentarisches Hilfsorgan, allein dem Parlament unter 
stehen muß. 
(Beifall bei der CDU) 
Das sagt zumindest unsere Bundesverfassung in Artikel 114 
GG aus. Die Österreicher haben das sogar noch besser aus- 
gedrück in ihrer Verfassung. Dort heißt es, daß der Rech 
nungshof unmittelbar dem Parlament untersteht und von 
Bundes- und Landesregierungen völlig unabhängig ist. 
(Zuruf von der CDU: Sehr gut!) 
Meine Damen und Herren, ob der Rechnungshof dem 
Parlament oder der Regierung unterstehen soll, ist ein 
nahezu veraltetes Problem. Ich darf Ihnen — mit Geneh 
migung des Herrn Präsidenten — dies mit einer Aussage 
von Dr. Herbert Weichmann aus dem Jahre 1953 belegen, 
der damals Präsident des Rechnungshofs der Hansestadt 
Hamburg war. Er hat damals schon gesagt: „Es ist eine 
höchst gefährliche Tendenz, den Rechnungshof trotz seiner 
Funktion als parlamentarisches Hilfsorgan der Dienstauf 
sicht der Exekutive zu unterstellen.“ Genau das können wir 
hier in Berlin nur nachdrücklich unterstreichen. 
(Abg. Rösler: Goldene Worte! — 
Beifall bei der CDU) 
Ich komme damit zu der Frage: Warum beantragt die 
CDU diese Verfassungsänderung gerade jetzt ? — Natürlich 
gibt es dafür einen Grund. Der Grund ist die in den „Mit 
teilungen des Präsidenten" des Abgeordnetenhauses Nr. 10 
abgedruckte Stellungnahme des Senats im Anschluß an 
die Sonderprüfung des Rechnungshöfe zum Kongreßzen 
trum. In dieser Stellungnahme wurde dem Rechnungshof 
in skandalöser Weise vom Senat vorgeworfen, er habe ge 
setzeswidrig eine politische Wertung des Vorhabens vorge 
nommen. Da muß man sich doch fragen; Wenn der Senat 
dieser Meinung war, warum hat der Senat bzw. der Regie 
rende Bürgermeister dann nicht ein Dienstaufsichtsverfah 
ren eingeleitet? Denn das ist der typische Fall für ein 
Dienstaufsichtsverfahren. 
(Abg. Wronski: Sehr gute Frage!) 
Aber offensichtlich sollte dieser Vorwurf des Senats nur 
zur Einschüchterung des Rechnungshofs dienen, 
(Abg. Lummer: Das ist es!) 
und damit so etwas in Zukunft nicht wieder vorkommt, 
wollen wir die Dienstaufsicht vom Senat wegnehmen und 
den Rechnungshof dem Parlamentspräsidenten unterstel 
len. 
(Beifall bei der CDU — 
Zuruf von der CDU: Weg vom König!) 
Dieser mißbräuchliche Vorwurf des Senats ist Anlaß und 
aktuelle Legitimation für den Antrag der CDU. Daß dieser 
Antrag in seinem Inhalt auch einer guten deutschen Ver 
fassungstradition entspricht, sollte für die Regierungsfrak 
tion Grund genug sein, in dieser Beziehung mehr Demokra 
tie und etwas Fortschritt zu wagen und nicht auf einer 
Regelung wie in Bayern zu beharren 
(Beifall bei der CDU) 
Bedenken Sie bitte — ich darf mit Genehmigung des Herrn 
Präsidenten noch einmal Dr. Herbert Weichmann zitie 
ren —, „daß die Finanzkontrolle 
(Abg. Königstein: Das sagen Sie mal 
Franz Josef!) 
— Herr Königstein, machen Sie doch ausnahmsweise ein 
mal einen qualifizierten Zwischenruf, wenn Sie schon keine 
qualifizierten Redebeiträge leisten können. 
(Zuruf) 
Bedenken Sie bitte — und soweit das Zitat —, „daß die 
Finanzkontrolle durch den Rechnungshof Ausfluß des Kon 
trollrechts der souveränen Volksvertretung auf dem ihr 
vorbehaltenen Gebiet der Finanzkontrolle ist und der Rech 
nungshof als funktionelles Organ der Legislative tätig 
wird.“ Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, soll 
ten wir auch in Berlin den Rechnungshof allein der Aufsicht 
dieses Parlaments und seines Präsidenten unterstellen. — 
Schönen Dank! 
(Beifall bei der CDU) 
Präsident Lorenz; Das Wort hat der Abgeordnete Goll 
nick. 
(Abg. Schmitz: Der Vertreter des Königs!) 
Gollnick (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Herr Kollege Schmitz, Sie geben das Stichwort: Es 
geht hier nicht um einen König, sondern es geht um ein 
Organ im Rahmen der Demokratie 
(Abg. Lummer: Es geht um den Souverän, 
und das sind wir!) 
— Sie sind Teil dieses Souveräns, alle zusammen, jawohl. 
Aber es geht darum, Herr Kollege Lummer, daß wir dem 
Berliner Volk klarmachen sollten — und hier hat Herr Kol 
lege Dr. Pfennig dankenswerterweise die Katze aus dem 
Sack gelassen, worum es geht. Wir wären eventuell gern 
bereit, mit ihnen hier über das alte Problem, über die Stel 
lung des Rechnungshofes zu diskutieren. — Ich habe den 
Kommentar zur Landesverfassung von Berlin von Herrn 
Landsberg hier vor mir liegen, in dem die Protokollnotizen 
über die damalige Diskussion, wie denn der Rechnungshof 
zu behandeln sei, abgedruckt sind. Darum geht es Ihnen 
offenbar nicht, ob der Rechnungshof mehr dem Parlament 
oder der Exekutive zuzuordnen sei, 
(Abg. Landowsky: Kann doch Herr Landsberg 
nicht entscheiden!) 
sondern es geht Ihnen offenbar darum, die Verlagerung 
einer dienstlichen Aufgabe vom Regierenden Bürgermeister 
auf den verehrten Herrn Präsidenten vorzunehmen. Das ist 
doch im Grunde genommen nichts anderes als die nüchterne 
Verlagerung von schlichten Funktionen, die im Rahmen der 
Dienstaufsicht wahrzunehmen sind. Nun hat Dr. Biel sehr 
richtig herauszufinden versucht, was denn das wichtigste 
bei der Dienstaufsicht sei, und kam natürlich auf die Diszi 
plinargewalt. Nur, meine Damen und Herren, dann müßten 
Sie, um diesen Antrag wirklich substantiiert zu begründen, 
auch nachweisen, daß der Regierende Bürgermeister bisher 
diese Funktion nicht richtig wahrgenommen hat. Nun hat 
der Kollege hier eben vorgetragen, ja, da sei eine Situation 
eingetreten, wo er das hätte tun müssen. Wieso eigentlich? 
Er hat ja gerade dadurch, daß er so etwas nicht unternom 
men hat, sondern sich im Rahmen einer Meinungsäußerung 
über die Haltung des Rechnungshofes geäußert hat, 
(Abg. Lummer: Ach, ach, ach!)
	        
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