Abgeordnetenhaus von Berlin -7. Wahlperiode
14. Sitzung vom 6. November 1975
453
2. Hat der Senat in der zurückliegenden Zeit Bemühun
gen unternommen, um zu erreichen, daß eine derartige
UNO-Einrichtung ihren Sitz in Berlin (West) nimmt?
Präsident Lorenz: Zur Beantwortung hat Herr Senator
Stobbe das Wort.
Stobbe, Senator für Bundesangelegenheiten; Herr Prä
sident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Giese!
Ich beantworte Ihre erste Frage wie folgt: Weder dem
Senat noch der Bundesregierung ist etwas von einer Ab
sicht der Vereinten Nationen bekannt, einen — wie Sie
formulierten — „UNO-Sitz für europäische Angelegenhei
ten in Berlin“ nach Ostberlin zu vergeben. Dem Senat sind
auch entsprechende Ostberliner Wünsche an die UN nicht
bekannt. Den Bericht einer Berliner Wochenzeitung, auf
dem Ihre Mündliche Anfrage offenbar fußt, sieht der Senat
als Spekulation an.
Den zweiten Teil Ihrer Anfrage darf ich wie folgt be
antworten: Der Senat hat im Zusammenwirken mit der
Bundesregierung geprüft, welche Möglichkeiten in Betracht
kommen und welche Schritte erforderlich sind, geeignete
internationale Organisationen — das heißt also auch: Ein
richtungen der Vereinten Nationen oder einer ihrer Unter
organisationen — in unseren Teil der Stadt zu bekommen.
Über diese Bemühungen des Senats und der Bundesregie
rung ist der Ausschuß für Bundesangelegenheiten und
Gesamtberliner Fragen in vertraulicher Sitzung unterrich
tet worden bzw. wird zu gegebener Zeit unterrichtet wer
den.
Präsident Lorenz: Zusatzfragen liegen nicht vor.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Krüger zu einer
Mündlichen Anfrage über Krippenplätze für ausländische
Kinder.
Krüger (F.D.P.): Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Wie hoch ist der Bedarf in Krippenplätzen für aus
ländische Kinder ?
2. Wann werden die von der Arbeiterwohlfahrt geplan
ten zusätzlichen 150 Plätze zur Verfügung stehen?
3. Ist gewährleistet, daß ausländische und deutsche Kin
der gemeinsam betreut werden?
Präsident Lorenz: Zur Beantwortung — Frau Senator
Reichel!
Frau Reichel, Senator für Familie, Jugend und Sport:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeord
neter Krüger! Den aktuellen Bedarf an Kindertagesstätten
plätzen in den Bezirken erkennt man bei uns normalerweise
aus der Vormerkliste. Für einen Krippenplatz waren am
20. Oktober 1975 3 314 Kinder vorgemerkt; davon waren
1 627 Vormerkungen für Kinder ausländischer Arbeitneh
mer; das sind 49 % aller Voranmeldungen.
Die Nachfrage ausländischer Familien nach einem Krip
penplatz ist regional sehr unterschiedlich. In den Innen
stadtbezirken Wedding, Kreuzberg, Schöneberg und Neu
kölln beträgt der Anteil an Vormerkungen für Kinder
ausländischer Familien durchschnittlich 65 %, wobei der
Bezirk Wedding eine Spitzenposition mit 83 % hat. Nach
dem DIW-Gutachten über die Bevölkerungsentwicklung
sind 1975 ca. 25 % der in Berlin lebenden Kinder, unter drei
Jahren Kinder ausländischer Eltern; das sind 12 377. Aus
ländische Familien entscheiden sich überwiegend für einen
Krippenplatz, weniger für ein Angebot im Kindergarten
und im Hort; das hat kulturelle Hintergründe. Eine Be
darfsplanung für diese Personengruppen ist aus verschie
denen Gründen sehr schwierig. Es kann aber davon
ausgegangen werden, daß die 1 627 Vormerkungen auslän
discher Familien für einen Krippenplatz zum jetzigen Zeit
punkt einen echten Bedarf darstellen.
Zu Ihrer zweiten Frage: Aufgrund der vom Senat be
schlossenen Maßnahmen zur weiteren sozialen Eingliede
rung der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien
wird die Arbeiterwohlfahrt der Stadt Berlin insgesamt
130 Plätze in vier verschiedenen Betreuungsstätten für aus
ländische Kinder im Krippenalter einrichten und betreiben.
Für die Durchführung von Umbauarbeiten, Renovierungen
und als Betriebskosten wurde der Arbeiterwohlfahrt eine
Zuwendung in Höhe von 601730 DM überwiesen. Nach
Auskunft der Arbeiterwohlfahrt werden die Betreuungs
stätten in Kreuzberg/Mehringplatz mit 28 Plätzen, in Tier-
garten/Emdener Straße mit 24 Plätzen Mitte November
eröffnet. Die Inbetriebnahme der Einrichtung in Kreuz
berg/Tempelhofer Ufer mit 50 Plätzen und Wedding/Put
busser Straße mit 28 Plätzen ist für Anfang Dezember
vorgesehen.
Zu Ihrer dritten Frage: Grundsätzlich werden in den
Krippen der landeseigenen Kindertagesstätten und in denen
der freien Verbände ausländische und deutsche Kinder ge
meinsam betreut. Auch in den Einrichtungen der Arbeiter
wohlfahrt wird die Möglichkeit der gemeinsamen Betreu
ung bestehen. Wegen der starken Nachfrage der auslän
dischen Eltern nach Krippenplätzen werden jedoch die zur
Verfügung stehenden Plätze von der Arbeiterwohlfahrt
überdurchschnittlich mit ausländischen Kindern belegt sein.
Präsident Lorenz: Zusatzfrage — Herr Abgeordneter
Dolata!
Dolata (CDU): Frau Senator, haben Sie im Zusammen
hang mit den von Ihnen genannten Zahlen und dem Stich
datum und den mit den Kindertagesstättenplätzen bei der
Platzzahl- und Vormerkliste gewonnenen Erkenntnissen
auch eine Erkenntnis darüber, wieviel Plätze zur Zeit nicht
besetzt sind ?
Präsident Lorenz: Frau Senator Reichel!
Frau Reichel, Senator für Familie, Jugend und Sport:
Diese Erkenntnis haben wir auch. Ich habe die Zahlen jetzt
nicht parat, kann Ihnen nur sagen, daß im Krippenbereich
die nichtbesetzten Plätze am geringsten sind und weit unter
der Zahl der Voranmeldungen liegen, so daß da im regio
nalen Ausgleich in absehbarer Zeit auch diese Plätze be
setzt werden können. Die Bezirke, die von der großen Nach
frage der ausländischen Kinder betroffen sind, haben keine
freien Plätze.
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Maerz!
Maerz (SPD): Frau Senator, ist die Arbeiterwohlfahrt
der einzige Verband, der ein Betreuungsangebot für Kinder
ausländischer Familien hier in Berlin bereithält ?
Präsident Lorenz: Frau Senator Reichel!
Frau Reichel, Senator für Familie, Jugend und Sport:
Nein, es gibt darüber hinaus noch den Verein zur Betreu
ung und Förderung ausländischer Kinder, angeschlossen
dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband. Diese
Einrichtung hat bereits Anfang dieses Jahres im neuen