Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
8. Sitzung vom 26. Juni 1975
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Handreichung für die SPD-Fraktion. Herr Kollege, ich
habe mir die Mühe gemacht und habe einmal die alten Pro
tokolle eingesehen. Damals sind alle Fraktionen davon aus
gegangen, daß dies eine Selbstverständlichkeit sei. Und
wenn Sie auf einen unserer Kollegen anspielen sollten, dann
lassen Sie mich feststellen, daß dieser Kollege ernst be
müht ist — das kann der Herr Präsident dieses Hauses
bestätigen —, einen anderen beruflichen Bereich zu be
kommen, um aus diesem Konflikt herauszukommen. Früher
hat man darüber in einem Consensus der demokratischen
Parteien miteinander verhandelt; aber offenbar müssen
wir dies heute in Gesetze schreiben. Nun gut, schreiben
wir es hinein. Dann allerdings, Herr Kollege, kündigen
wir an, daß wir auch die Beamten und Angestellten des
Rechnungshofes dort erwähnt wissen wollen, denn die
müssen Sie dann genauso erwähnen wie die Beamten und
Angestellten der Abgeordnetenhausverwaltung. Dies wer
den wir dann im Ausschuß tun, ich darf dies hier ankün
digen. Im übrigen werden wir Ihrem Antrag in diesen
Punkten des Artikelgesetzes — Ziffern 3 und 4 — folgen.
— Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
(Beifall bei der SPD)
Präsident Lorenz: Das Wort hat Herr Abgeordneter
Baetge.
Baetge (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich möchte mich weitgehend dem anschließen,
was der Kollege Gollnick hier gesagt hat. Es handelt sich
um ein außerordentlich schwieriges Problem, das sich
sehr theoretisch darstellt. Ich bin ln solch einer Frage
beinahe der Meinung, daß man, bevor man hier eine poli
tische Diskussion führt, doch erst einmal in den Ausschüs
sen klarstellen sollte, wie denn die Auffassungen der ein
zelnen Parteien und der einzelnen Partner sind. Wir haben
uns in der letzten Legislaturperiode mit dieser Frage be
faßt, wir haben sie aber nicht ausdiskutiert: deshalb sollten
wir das jetzt in aller Ruhe und ohne den Druck einer bevor
stehenden Wahl tun. Ich halte dies für das vernünftigste
und möchte meinen, daß wir dazu im Innenausschuß ge
nügend Zeit haben.
Herr Kollege Rösler, zum Schluß nur noch einen Hin
weis: Wir von der F.D.P. setzen uns selbstverständlich
mit jeder Frage sachlich auseinander, dies werden Sie
nicht zu prüfen brauchen, dies ist selbstverständlich.
(Beifall bei der F.D.P.)
Präsident Lorenz: Es liegen keine weiteren Wortmeldun
gen vor. Ich schließe die I. Lesung. Der Ältestenrat
empfiehlt, den Antrag an den Ausschuß für Inneres zu
überweisen. Wer der Überweisung die Zustimmung zu
geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das
ist mit Mehrheit so beschlossen.
Die lfd. Nr. 3, Drucksache 7/93, Große Anfrage der Frak
tion der CDU über Beteiligung des Landes Berlin an
Consulting-Gesellschaften, soll, wie der Ältestenrat emp
fiehlt, zurückgcstellt werden. Widerspruch dagegen erhebt
sich nicht; dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf
lfd. Nr. 4. Drucksache 7/99:
Große Anfrage der Fraktion der CDU über Jugend
arbeitslosigkeit in Berlin
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Feilcke.
Feilcke (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Das Thema unserer Großen Anfrage, Jugendarbeits
losigkeit in Berlin, hat das Abgeordnetenhaus von Berlin
schon einmal in diesem Jahr beschäftigt, und zwar am 23.
Januar in einer Aktuellen Stunde. Die damals angespro
chenen Probleme haben sich in der Zwischenzeit nicht ver
ringert, im Gegenteil, sie haben in der öffentlichen Diskus
sion eine zunehmende Bedeutung erlangt.
Lassen Sie mich eines gleich zu Beginn meiner Ausfüh
rungen sagen: Diese Große Anfrage hat das Ziel, den be
troffenen Jugendlichen zu helfen. Wir meinen, diese Hilfe
ist unbedingt notwendig und muß schnell erfolgen.
Voraussetzung für solche Hilfe ist, daß die Größenord
nung dieses Problems geklärt wird, und daß die betrof
fenen Jugendlichen darüber informiert werden, welche
Möglichkeiten sie haben, eine Berufsausbildung anzufan
gen, eine Arbeit zu bekommen und sich im Beruf weiter
zu entwickeln.
Ein sehr wichtiger Punkt unserer Großen Anfrage be
trifft die künftige Entwicklung. Wir wissen, daß im näch
sten Jahr und in den folgenden Jahren mit sehr viel mehr
Schulabgängern gerechnet wird, und wir wollen aus
schließen, daß die Probleme von heute in der Zukunft kata
strophale Ausmaße anchmen. Wenn wir zunächst nach
Zahlen fragen, dann deswegen, weil wir große Zweifel an
der Richtigkeit der Aussagen haben, die in der Januar-
Sitzung dieses Hauses vom damaligen Senator für Arbeit
und Soziales gemacht worden sind. Unsere Zweifel be
gründen sich wie folgt:
Die Bundesanstalt für Arbeit erfaßt bei der Jugend
arbeitslosigkeit die Jugendlichen unter 20 Jahren. Nur in
Berlin werden bei diesem Problem die Jugendlichen unter
18 Jahren erfaßt. Die Vergleichbarkeit mit den übrigen
Bundesländern ist deshalb nicht gegeben oder mindestens
sehr erschwert. Auch in einer Kleinen Anfrage vom 21.
Mai 1975, in der aktuelle Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit
erbeten wurden, war es dem Senat nicht möglich, die Zah
len für die unter zwanzigjährigen Jugendlichen zu nennen.
In der schon erwähnten Aktuellen Stunde des Abgeordne
tenhauses vom 23. Januar klang aus allen Äußerungen des
damaligen Senators für Arbeit und Soziales heraus, daß
die Probleme in Berlin geringer sind als in den übrigen
Bundesländern, daß der Senat rechtzeitig Maßnahmen der
Vorsorge ergriffen und daß jeder Berliner Schulabgänger
im Jahre 1975 die Chance hat, einen Ausbildungsplatz zu
erhalten.
Darüber hinaus sagte der damalige Senator, daß grund
sätzlich in diesem Jahr — also 1975 — nicht ein einziger
Jugendlicher arbeitslos sein muß — wenn er es nicht will!
Das Thema „Jugendarbeitslosigkeit“ eignet sich gewiß
nicht für parteipolitische Polemik; aber wir haben dennoch
den Eindruck, daß diese Aussagen des Senators für Arbeit
und Soziales nur mit dem damals bevorstehenden Wahl
kampf zu erklären sind und mit dem daraus abgeleiteten
Zwang, Probleme zu verharmlosen oder erst gar nicht zu
sehen.
(Sehr richtig! und Beifall bei der CDU)
Zur Zahl der beim Landesarbeitsamt erfaßten Arbeits
losen müssen die Teilnehmer an den verschiedenen För
derungslehrgängen hinzugezählt werden, die sich für eine
Berufsausbildung beziehungsweise für einen Beruf vor
bereiten sollen. Nach Auskunft des Senats befanden sich
am 27. Mai 1975 in Berlin 947 Jugendliche in solchen
berufsvorbereitenden Maßnahmen. Außerdem müssen zu
den Jugendlichen ohne Arbeit im Grunde d i e jungen
Menschen gezählt werden, die von Arbeitsbeschaffungs
maßnahmen erfaßt sind. Diese Arbeitsbeschaffungsmaß
nahmen sind doch ausdrücklich und für einen begrenzten
Zeitraum für Arbeitslose geschaffen worden. Und zu all
diesen Jugendlichen, die im Grunde genommen ohne Arbeit
sind, müssen noch die gezählt werden, die keine Arbeit
haben und nur in der Allgemeinen Berufsschule erfaßt sind.
Es handelt sich hierbei um die jungen Menschen, die des
halb nicht als arbeitslos registriert werden können, weil
sie nicht von der Definition des § 101 Arbeitsförderungs
gesetz erfaßt sind; diese Jugendlichen haben in der Regel
noch keine Arbeit beziehungsweise noch kein Berufsaus