Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode
8. Sitzung vom 26. Juni 1975
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Frau Kenner (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich frage den Senat:
1. Treffen Pressemeldungen zu, wonach Bewerber für
den öffentlichen Dienst auch dann keine Gründe für ihre
Nichteinstellung mitgeteilt erhalten, wenn sie aus verfas
sungsrechtlichen Gründen nicht eingestellt werden ?
2. Hält der Senat es für richtig, bei solchen wichtigen
Entscheidungen verschleierte oder überhaupt keine Aus
künfte zu geben ?
3. Ist der Senat mit mir einer Meinung, daß sowohl dem
Bewerber wie auch der Öffentlichkeit in diesen Fällen die
tatsächlichen Gründe für eine Ablehnung nicht vorent
halten werden dürfen ?
Präsident Lorenz: Das Wort zur Beantwortung hat Herr
Bürgermeister Oxfort.
Oxfort, Bürgermeister und Senator für Justiz: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter
Masteit! In Vertretung des Regierenden Bürgermeisters
beantworte ich Ihre Anfrage Nr. 8 wie folgt:
Zu 1: Ja; es handelt sich um den Bezirksbürgermeister
von Berlin-Charlottenburg, Herrn Dr. jur. Roman Legien.
Zu 2 und 3: Der „Tagesspiegel“ hat bei der Wiedergabe
der Meldung die Äußerung von Herrn Dr. Legien so nach
drücklich kommentiert, daß ich dem nichts hinzuzufügen
habe.
(Sehr gut! von der SPD)
Damit habe ich meine Auffassung deutlich dargetan,
weitere Maßnahmen sind nicht beabsichtigt.
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
Präsident Lorenz: Das Wort zur Beantwortung hat Herr
Senator Neubauer.
Neubauer, Senator für Inneres: Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Zu den weiteren Fragen — die An
frage des Abg. Gerl beantworte ich wie folgt:
Wie bisher wird der Senat auch künftig darauf achten,
daß das Verfahren bei der Bearbeitung von Bewerbungen
für den öffentlichen Dienst rechtsstaatlichen Grundsätzen
entspricht. Zu diesen Gundsätzen gehört, daß Bewerbern,
die nicht eingestellt werden können, ein schriftlicher Be
scheid erteilt wird. Die Gründe für die Ablehnung eines
Bewerbers können, weil es eine Reihe von Auswahlkrite
rien gibt, individuell verschiedener Art sein. Es entspricht
einer langen Praxis der Berliner Dienstbehörden und be
weist damit die in jeder Hinsicht rechtstaatliche Verfah
rensweise, daß jedem Bewerber die Möglichkeit eröffnet
ist, den Grund für seine Ablehnung zu erfahren. Damit
ist jedes Auswahlkriterium gemeint. Insbesondere aber
dann, wenn aus politischen Gründen abgelehnt wird, meine
ich, daß diejenigen, die solche Entscheidungen zu treffen
haben, dem Rechtsstaat keinen Gefallen tun würden, wenn
sie nicht den Mut hätten, dieses dem Bewerber auch klar
und deutlich zu sagen.
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.
und des Abg. Wronski)
Das heißt, jeder Hinweis, sich durch Tricks um diese Aus
kunft herumzudrücken, bringt den Rechtsstaat in Gefahr,
ihn mit nicht rechtsstaatlichen Mitteln verteidigen zu wol
len.
(Zuruf von der SPD: Sehr gut! — Beifall bei der
SPD und der F.D.P.)
Der Senat lehnt also jede Verschleierung bei politischer Ab
lehnung ab.
(Abg. Wischner: Auf einmal!)
Zu 2: Ein einheitliches — ich beantworte erst einmal die
Frage mit Ja — und weiterhin allen Erfordernissen der
Rechtsstaatlichkeit genügendes Verfahren bei der Ent
scheidung über die Verfassungstreue von Bewerbern wird
zur Zeit erarbeitet. Der Senat hat eine erste Runde der
Diskussion über dieses Verfahren hinter sich gebracht und
wird in kurzer Zeit ein solches Verfahren vorschlagen.
Damit ist zugleich auch die Mündliche Anfrage der Frau
Abgeordneten Renner beantwortet.
Präsident Lorenz: Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der
Abgeordnete Boroffka,
Boroffka (CDU): Herr Bürgermeister, als Zusatzfrage
zur Anfrage Nr. 8 frage ich Sie: Erinnern Sie sich, daß der
Herr Regierende Bürgermeister ohne jegliche Aufforde
rung eines Bezirksbürgermeisters die Aktivitäten einer
anderen, offenbar seiner Meinung nach verfassungsfeind
lichen, jedoch nicht verbotenen Partei sehr drastisch ein
schränkte, und teilen Sie meine Meinung, daß, wenn man
die Frage 2 des Kollegen Masteit bejaht, dann auch wegen
des eben von mir genannten Vorgangs der Herr Regierende
Bürgermeister überprüft werden müßte, es sei denn, daß
man zwischen Rechts- und Linksextremisten Unterschiede
macht.
(Widerspruch bei der SPD — Abg. Dr. Haus:
Ein starkes Stück — unerhört!)
Präsident Lorenz: Herr Bürgermeister Oxfort.
Oxfort, Bürgermeister und Senator für Justiz; Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre Anfrage, Herr
Abgeordneter, bezieht sich offensichtlich auf die NPD.
Wenn dies zutreffen sollte, dann erinnere ich mich daran,
daß der Regierende Bürgermeister die Auffassung ver
treten hat, daß gegen die NPD in bestimmter Weise, näm
lich z. B. mit dem Verbot der Abhaltung von Parteitagen,
vorgegangen werden sollte.
Den zweiten Teil der Frage halte ich für so unqualifi
ziert, Herr Abgeordneter, daß ich darauf zu antworten
nicht bereit bin.
(Zuruf von der SPD: Sehr gut! — Beifall bei der SPD
und der F.D.P.)
Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Schmitz!
Schmitz (CDU): Herr Innensenator, zu Ihrer Beantwor
tung der Anfragen 11 und 12: Werden Sie sich nachher
bei einem anderen Tagesordnungspunkt in der Lage sehen,
Ihre Nichtbeantwortung der Fragen 2 und 3 der Anfrage
Nr. 12 so deutlich darzulegen, daß wir wirklich wissen, was
Sie wollen ?
Präsident Lorenz: Herr Senator Neubauer!
Neubauer, Senator für Inneres; Ja, auf jeden Fall! Falls
etwas undeutlich geblieben sein sollte, mache ich das auf
jeden Fall deutlich, wann immer Sie es wünschen. Aber
ich muß mal sehen, was Sie meinen,
(Heiterkeit)
und die Frage 2 noch einmal nachlesen; sie lautet:
Hält der Senat es für richtig, bei solchen wichtigen
Entscheidungen verschleierte oder überhaupt keine
Auskünfte zu geben ?