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Volume Nr. 7, 12.06.75

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1975, 7. Wahlperiode, Band I, 1.-19. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 7. Wahlperiode 
7. Sitzung vom 12. Juni 1975 
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23 zusätzliche Planstellen sollen geschaffen werden, aber 
nicht eine einzige zusätzliche Aufgabe soll von diesen neuen 
Mitarbeitern der Berliner öffentlichen Verwaltung bewäl 
tigt werden. 
Bei der abschließenden Beratung in diesem Hause sollen 
Beratungen im Hauptausschuß — das entspricht der Tra 
dition — nicht noch einmal nachvollzogen werden. Zwei 
Anmerkungen müssen jedoch an dieser Stelle gemacht 
werden: 
1. Mit dem Nachtragshaushalt werden die Stellen eines 
stellvertretenden Pressesprechers — der Kollege Mendel 
hat in seiner dankenswert nüchternen und sachlichen Be 
richterstattung bereits darauf hingewiesen — und seiner 
engeren Mitarbeiter neu geschaffen. Die Öffentlichkeits 
arbeit des Landes Berlin solle verstärkt werden, so wurde 
zunächst begründet. Kein Bundesland aber leistet sich den 
Luxus mehrerer und möglichst gar noch gleichberechtigter 
Pressesprecher der Regierung. Geflissentlich wurde bei der 
Argumentation auch der Umstand übersehen, daß außer 
dem jeder Senator einen persönlichen Referenten und einen 
Pressereferenten hat. Vergessen wurde die bisher mit 
Verve vorgetragene Behauptung, die Öffentlichkeitsarbeit 
für diese Stadt Berlin sei in der Vergangenheit doch her 
vorragend gewesen. 
Die Argumente waren allzu durchsichtig, und die darauf 
hin im Hauptausschuß nachgeschobenen Argumentations 
versuche seitens der Koalitionsparteien möchte ich diesem 
Hause nicht vorenthalten: Zwei Senatssprecher — so hieß 
es dann — seien auch deshalb nützlich, weil sie mehr Trans 
parenz in die Entscheidungsvorgänge bringen würden. 
(Gelächter bei der CDU) 
Bei gegebenem Anlaß könnten sie auch Journalisten jeweils 
aus der Sphäre der eigenen Partei Rede und Antwort 
stehen. 
(Gelächter bei der CDU) 
Wir sollten — im Hauptausschuß und wohl auch Sie —- 
Verständnis für die neuen Probleme des Senats haben, die 
sich daraus ergeben, daß Berlin jetzt seit langer Zeit wie 
der von einer Koalition regiert werde. 
Meine Damen und Herren, hier liegt des Pudels Kern. 
Es geht nicht um die Verdeutlichung der Interessen Ber 
lins, nicht um eine bessere Öffentlichkeitsarbeit für diese 
Stadt, es geht darum, daß verschiedene Teile der Koalition 
in der Öffentlichkeitsarbeit berücksichtigt werden wollen. 
Hierbei kann man offensichtlich noch glücklich sein, daß 
nicht auch die bei der Senatsbildung sich so selbstbewußt 
gebärdenden linken Sozialdemokraten unter Führung eines 
Senators einen weiteren gleichberechtigten — möglicher 
weise gleichberechtigten — Senatssprecher gefordert 
haben. 
(Beifall bei der CDU) 
Jedermann wird Verständnis dafür haben, daß Partner 
einer Koalition Möglichkeiten der jeweiligen Selbstdarstel 
lung suchen. Diese Selbstdarstellung der einzelnen Partei 
ist aber nicht eine öffentliche Aufgabe, nicht Aufgabe 
eines Senatssprechers, die vom Steuerzahler finanziert 
wird. 
(Beifall bei der CDU) 
Hier geht es einzig und allein um Parteinteressen. Der von 
der F.D.P. geforderte Interpret ihrer Politik innerhalb der 
Koalition sollte nicht im Rathaus Schöneberg, nicht in der 
Senatskanzlei, sondern bestenfalls in der Landesgeschäfts 
stelle der F.D.P. angesiedelt werden. 
(Abg. Schmitz: Da brauchen sie aber zwei! — 
Abg. Beitz: Interne Kommunikations 
schwierigkeiten !) 
■— Ja, ich will nicht darauf eingehen, wie viele Gruppierun 
gen dann die F.D.P. hat, daß wiederum mehrere Sprecher 
die Entscheidungen innerhalb der F.D.P. verdeutlichen 
mußten, aber hier geht es darum, meine Damen und Her 
ren, daß die angestrebte Personalstelle für den Presse 
sprecher der F.D.P. nicht mehr und nicht weniger ist als 
der verfassungswidrige Versuch einer Parteienfinanzie 
rung. 
(Sehr richtig! und Beifall bei der CDU) 
2. Mit der neuen Senats Verwaltung für Verkehr und Be 
triebe werden 19 Stellen geschaffen; zwei sind Verlage 
rungen vom Entschädigungsamt, vier Stellen betreffen 
den persönlichen Bereich des Senators, acht die Per 
sonalstelle und der Rest den Schreib- und Botendienst. 
Nicht eine einzige zusätzliche Aufgabe im Rahmen der 
Verwaltung des Landes Berlin soll von den neu einzustel 
lenden Mitarbeitern geleistet werden. Besonders bemer 
kenswert sind dabei aber die acht Stellen für die Personal 
verwaltung. Dem Abgeordnetenhaus wird weisgemacht — 
und Sie werden das sicherlich nachher noch von den Red 
nern der Koalition hören —. daß diese zusätzlichen Stellen 
unabdingbar seien und bei der Umsetzung von etwa 150 
Mitarbeitern aus den Senatsverwaltungen für Finanzen 
und Wirtschaft in die neugebildete Senats Verwaltung 
keine Personalstelle für die allgemeine Personalverwaltung 
habe freigesetzt werden können. Dieser Behauptung muß 
ich hier ausdrücklich widersprechen. Selbst wenn ich be 
rücksichtige, daß innerhalb der neuen Senatsverwaltung 
dann auch noch die Personalstellen — im Bereich der 
Eigenbetriebe die Geschäftsleiter und einige Beamte — 
mitverwaltet werden, stellt sich doch die Frage, was die 
Beamten machen, die bisher diese 250 Leute von der Per 
sonalverwaltung her betreut haben. 
(Zuruf von der CDU: Schlafen! — 
Beifall bei der CDU) 
Übertragen wir die vom Senat gegebene Begründung auf 
den Gesamtstellenplan des Landes Berlin, so ist das er 
staunliche Ergebnis folgendes: Im Lande Berlin werden 
14 zusätzliche Stellen geschaffen, und dafür ist es notwen 
dig, acht Stellen allein für die Personalverwaltung — 
wiederum zusätzlich — in den Stellenplan aufzunehmen. 
So teuer sind neue Senatsverwaltungen! Eine neue Senats 
verwaltung übrigens, die natürlich — Leute müssen viel 
leicht untergebracht werden — auch unbedingt zwei Senats 
direktoren und ihre persönlichen Mitarbeiter benötigt. Ich 
lasse es dabei dahingestellt, ob dabei die Entscheidungen 
hinsichtlich der tarifpolitischen Entwicklung einen gewis 
sen Zusammenhang vermuten lassen. 
(Abg. Hackel: Sehr gut!) 
Meine Damen und Herren, ich stelle nochmals heraus: 
Mit den durch den Nachtragshaushalt 1975 neugeschaffe 
nen Stellen im Lande Berlin werden keine neuen Aufgaben 
verbunden. Selbst wenn man die politische Entscheidung 
der Neubildung einer Senatsverwaltung tragen sollte — 
und das tun offensichtlich die Koalitionsparteien —, bleibt 
der Sachverhalt bestehen, daß bis auf den persönlichen 
Bereich des neuen Senators keine der zusätzlichen Perso 
nalstellen im Hauptausschuß ausreichend begründet wer 
den konnte. Senat und Regierungskoalition muten dem 
Abgeordnetenhaus eine Zustimmung zur Stellenvermeh 
rung zu einem Zeitpunkt zu, wo äußerste Sparsamkeit im 
öffentlichen Dienst die oberste Forderung an jede Haus 
haltsgestaltung sein müßte. 
Insbesondere wohl im Hinblick auf bevorstehende Land 
tagswahlen haben führende Politiker der Bundesregierung 
und der Regierungskoalition einen Konjunkturaufschwung 
angekündigt. Sie haben die Bevölkerung und vielleicht auch 
zum Teil sich selbst hinters Licht geführt, denn der Auf 
schwung blieb bisher aus. Die Prognosen über das zu er 
wartende Wirtschaftswachstum und die Entwicklung der 
Steuereinnahmen mußten von den verantwortlichen Poli 
tikern in immer kürzer werdenen Abständen revidiert wer 
den. Erst gestern hat das Deutsche Institut für Wirtschafts 
forschung sich zum Berliner Landeshaushalt sehr pessi 
mistisch geäußert; die in der mittelfristigen Finanzpla 
nung veranschlagte Bundeshilfe werde nicht ausreichen, 
um den Landeshaushalt voll auszugleichen. Die Eigenein 
nahmen des Landes Berlin werden hinter den Prognosen 
erheblich Zurückbleiben. Das alles konnte man eigentlich 
schon vorher absehen. Der Horizont der Koalitionspolitiker 
reicht aber offensichtlich immer nur bis zum nächsten 
Wahltermin. Und das ganze Ausmaß der Fehleinschätzun
	        
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