Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
87. Sitzung vom 4. Dezember 1974
Praxis zu überprüfen. Es hat sich auch In der Öffentlichkeit
schon herumgesprochen, daß ein Ausschußvorsitzender
nicht voll seinen Pflichten nachkommt, und zwar dadurch,
daß er einige Ablehnungen nicht begründen läßt. Dies sind
18 Fälle. Wir sind gegenwärtig dabei, diesen entsprechend
den gesetzlichen Anforderungen rechtlich vorgebildeten
Vorsitzenden darauf aufmerksam zu machen, daß be
lastende Entscheidungen für Antragsteller grundsätzlich
nur in begründeter Form getroffen werden dürfen. Sollte
er seinen Pflichten nicht Rechnung tragen, werden wir
Konsequenzen daraus zu ziehen haben. Ingesamt 25 An
träge sind zurückgenommen worden. Für die Ausschüsse
aufbereitet zur Entscheidung sind im Augenblick 400 An
träge. Bei der Größenordnung dessen, was ordnungsgemäß
abgewickelt werden konnte, im Verhältnis zu dem, was
noch nicht abgewickelt werden konnte bzw. erst durch
Gesetzesänderung hier erledigt werden kann, wird damit
klar, daß wir um diese beiden Änderungen nicht herum
kommen, wenn wir nicht eine erhebliche Unruhe in der
Architektenschaft auslösen wollen, die sicher nach dem
Sinn des Gesetzes, wie er aus der Begründung hervorgeht
— auf die ich um der Ökonomie der Einbringung dieses
Antrages willen verweisen darf —, nicht beabsichtigt war.
Ich möchte Sie namens des Senats bitten, diesem Ge
setzesantrag Fortgang zu geben und zu einer positiven
Entscheidung zu kommen, obwohl ich mir bewußt bin
— wie es sicher auch hier noch in den Ausführungen der
Redner der Fraktionen zum Ausdruck kommt —, daß wir
es hier mit einem unerfreulichen Vorgang zu tun haben,
der mit der Lethargie eines Berufsstandes zusammen
hängt, der offensichtlich die Beschlüsse nicht so ernst ge
nommen hat, wie wir das von jedem, der seine Berufs
verhältnisse durch Parlamentsbeschluß geordnet bekommt,
einfach erwarten müssen. Und vielleicht neigt mancher
dazu, an so etwas eine Sanktion zu knüpfen. Aber ich darf
noch einmal sagen: Der Senat hat zu keinem Zeitpunkt
beabsichtigt, mit dem Architektengesetzentwurf so etwas
wie eine Sanktion, wie ein Berufsverbot für Architekten,
die irgendeine Bestimmung vernachlässigen, zu begründen.
Ich glaube also, daß wir unter diesen Umständen so hart,
wie es einem vielleicht in den Sinn kommen könnte, nicht
handeln sollten, sondern dieser Änderung die Zustimmung
geben sollten. — Besten Dank!
(Beifall bei der SPD)
Präsident Sickert: Ich eröffne die I. Lesung. Das Wort
hat Herr Abgeordneter Franke.
Franke (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Herr Senator Dr. Riebschläger! Wir sind ausnahms
weise einmal einer Meinung, daß es sicherlich kein sehr
erfreulicher Anlaß ist, hier eine Gesetzesänderung vor
zunehmen. Trotzdem wird es Sie nicht überraschen, wenn
ich Ihnen für meine Fraktion sage, daß wir dieser Gesetzes
änderung nicht zustimmen werden. Wir haben seinerzeit
dem Architektengesetz, so wie es hier im Hause verab
schiedet worden ist, nicht zugestimmt, weil wir schon
damals der Auffassung waren, es war ein Fehler, keine
Architektenkammer auch in unserer Stadt einzurichten.
Wobei wir nunmehr ln der Auffassung bestärkt sind, daß
die Abwicklung des ganzen Verfahrens über eine Kammer
hiit Sicherheit einfacher und reibungsloser gelaufen wäre,
so wie es auch im übrigen Bundesgebiet gegangen ist. Und
Sie haben sicherlich recht, dieses Architektengesetz sollte
sich nicht als Berufsverbotsgesetz für einige Architekten
auswirken, die die Anmeldefristen nicht eingehalten haben.
Aber man muß genauso deutlich sagen, daß es eine Miß
achtung des Gesetzgebers ist, wenn Architekten es inner
halb eines Jahres — und das war die Anmeldefrist —
nicht für nötig befunden haben, Ihren Pflichten, die ihnen
durch dieses Gesetz auferlegt worden sind, nachzukommen,
und glaubten, sie könnten es einfach mißachten; und be
sonders bedauerlich ist, wenn man feststellt, daß es pro
minente und führende Architekten ln unserer Stadt sind,
had wenn man richtig informiert ist, befindet sich unter
diesen sogar der Vorsitzende des BDA.
Wir haben nunmehr ja die etwas merkwürdige Situation,
daß der Senat z. B. einen städtebaulichen Wettbewerb für
Lübars ausgeschrieben hat, und zwar mit dem besonderen
Hinweis „Für Berliner Architekten und Planer, unabhängig
von der Eintragung in die Architektenliste“. Dieses ist mit
Sicherheit kein erfreulicher Zustand; der Senat muß sehen,
wie er aus dieser Schwierigkeit herauskommt. Ich möchte
aber nochmals sagen; Mit unserer Zustimmung zu dieser
Gesetzesänderung können Sie nicht rechnen.
(Beifall bei der CDU)
Präsident Sickert; Das Wort hat Herr Abgeordneter
Liebig.
Liebig (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Gewiß, Herr Senator, ist das ein recht unerfreu
licher Zustand; aber ich bin nicht der Meinung, daß dieser
auf die Lethargie der Architekten zurückzuführen ist. Ich
meine, daß dieser Vorgang, der uns zu einer Änderung des
Gesetzes, zu einer Verlängerung der Fristen zwingt — der
wir zustimmen werden, weil hier sonst Schaden entstehen
würde —, im Grunde genommen das Ergebnis eines mise
rablen Gesetzes ist; denn die Architekten haben es einfach
nicht glauben können, daß man — entgegen der Regelung
in allen Bundesländern — hier an diesem Gesetz festhält,
das ja bekanntlich eine Kammer nicht vorsieht. Wenn also
derartige Verzögerungen eingetreten sind, wenn hier der
Kollege Franke von dem Berliner Vorsitzenden des BDA
spricht, dann zeigt das eben, mit welcher Abneigung die
Betroffenen diesem Gesetz gegenüberstehen, weil sie es
einfach für unmöglich gehalten haben, daß die SPD-Frak-
tion und dieser Senat an dieser allen Regelungen im Bun
desgebiet widersprechenden unvernünftigen Regelung fest-
halten.
Ich glaube, dieser Änderungsantrag des Senats sollte
Anlaß sein für die SPD-Fraktion und für den Senat, noch
einmal darüber nachzudenken, ob es nicht in Angleichung
an die Regelung im Bundesgebiet endlich notwendig ist,
in Berlin ebenfalls eine Architektenkammer zu schaffen. —
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der F.D.P.)
Präsident Sickert: Das Wort hat Herr Abgeordneter
Glagow.
Glagow (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Es sind tatsächlich unerfreuliche Zustände im Zu
sammenhang mit diesem Architektengesetz eingerissen;
aber das ist nicht auf das Gesetz zurückzuführen, sondern
auf die Verhaltensweise einiger, z. B. der Architekten, z. B.
auch eines der vorläufigen Eintragungsausschüsse; dies
muß eindeutig festgestellt werden.
Um aber nicht der Sachdebatte im Fachausschuß vor
zugreifen, möchte ich hier nur noch einmal kurz nennen,
worum es eigentlich geht. Es geht nicht um eine grund
legende oder überhaupt einschneidende Veränderung des
Architektengesetzes, sondern lediglich darum, daß aus
zwei Gründen heraus vom Senat vorgeschlagen wird, eine
Fristverlängerung vorzunehmen für die Eintragung. Der
eine Grund ist der, daß die große Zahl der Angemeldeten
zu einer enormen Arbeitsbelastung der vorläufigen Ein
tragungsausschüsse geführt hat, der andere, daß bisher
nicht alle Betroffenen die Eintragung beantragt haben;
denen soll noch eine Chance gegeben werden, um es nicht
zu einem zumindest teilweisen Berufsverbot kommen zu
lassen.
Der erste Grund ist einleuchtend zu erkennen, der zweite
scheint uns zunächst auch nicht einer eindeutigen Wertung
zugänglich zu sein. Und aus diesem Grunde, den wir ein
gehend überprüfen wollen, bitten wir um Überweisung an
den Fachausschuß für Bau- und Wohnungswesen. — Ich
danke Ihnen, meine'Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD) '
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