Abgeordnetenhaus von Berlin - G. Wahlperiode
84. Sitzung vom 14. November 1974
sage das gern — dem Bundesaußenminister dafür dankbar
sein, daß sie gerade jetzt in Moskau unseren Standpunkt
klar und hartnäckig vertreten haben. Und ich glaube, das
kann auch niemand wirklich ernsthaft bestreiten.
Berlins Bindungen an den Bund werden nämlich im Ab
kommen nicht nur nicht geleugnet, sondern sie werden
darin erstmals und endlich auch von der Sowjetunion im
Grundsatz anerkannt. Dies ist das A und O des ganzen
Abkommens. Ich hoffe deshalb — das darf ich doch hier
sagen —, daß die Gespräche des Bundeskanzlers und des
Außenministers allen zusätzlich Gewißheit verschafft ha
ben, daß es für uns in der Frage der Bindungen West-
Berlins an den Bund keine Kompromisse gibt. Auf sie
haben wir uns trotz mancher Drohungen und vieler Schwie
rigkeiten in den vergangenen Jahren seit 1949 immer ge
stützt; auf sie haben wir nicht verzichtet, und wir werden
auch in Zukunft nicht darauf verzichten. Das ist noch
mal — und das ist wichtig — gegenüber der östlichen
Führungsmacht unterstrichen worden.
Es ging und geht uns dabei aber nicht nur um die Ver
flechtung im Innern. Dazu gehört auch, daß Berlin in alle
Verträge der Bundesrepublik mit osteuropäischen Staaten
voll einbezogen wird. Und das ist jetzt — darf ich das hier
noch einmal sagen und unterstreichen — im Gegensatz zu
früher schon auf vielen Gebieten geregelt worden, beispiels
weise auch beim Abkommen über Handel und wirtschaft
liche Zusammenarbeit mit der Sowjetunion vom Jahre 1972.
Wo es bisher noch nicht zufriedenstellend geregelt worden
ist, kann jeder sicher sein: Wir werden weiterhin dafür
sorgen, daß unsere Interessen berücksichtigt bleiben. Kurz
gesagt, es wird keine Abkommen und Verträge — mit
welchem Staat auch immer — geben, in die Berlin und
unsere Notwendigkeiten nicht voll und uneingeschränkt
eingeordnet sind.
(Beifall bei der SPD)
Das ist ein wichtiger Vorgang, den noch einmal zu unter
streichen es sich lohnt. Daß das früher nicht so war,
ist zu beklagen, und das können wir alle zusammen be
klagen. Es gab früher in Bonn Bundesregierungen, die
Berlin oft nicht in Verträge mit osteuropäischen Staaten
haben einordnen können und dann trotzdem diese Verträge
unterzeichnet haben. Das gab es früher, und das ist jetzt
anders geworden.
(Abg. Lorenz: Da gab es auch kein Abkommen!)
Das war vor dem Abkommen; und nachher war es anders,
als die sozialliberale Koalition an die Bundesregierung ge
kommen ist. Das ist doch nur zu unterstreichen, das ist ein
Tatbestand, den muß sich doch jeder als einen Spiegel
verhalten lassen.
(Abg. Lummer: Ja, ja!)
— Ich freue mich, Herr Kollege Lummer, daß Sie das auch
unterstützen. Deshalb begrüßen wir es, daß der Bundes
kanzler und der Außenminister bei ihrem Besuch in Moskau
in der vorigen Woche so unmißverständlich darauf bestan
den haben, daß Berlin in den Geltungsbereich der unter
schriftsreifen und der noch ausstehenden Abkommen ein
wandfrei einbezogen werden muß. Wenn ich das in allem
Freimut sagen darf, Kollege Oxfort: Ich will die Anteile
der Teilnehmer auf seiten der Bundesregierung nicht be
werten, und ich meine, auch die Anhänger des sozial
liberalen Kurses in der Bundesrepublik, wo auch immer,
tun gut daran, das nicht so penetrant darzustellen, wie wir
das hier gehört haben. Genscher ist keinKontrastprogramm
zu Helmut Schmidt, im Gegenteil, sie ergänzen einander,
wie es in einer Koalition sein muß, und zwar unter vollem
Respekt der richtigen Kompetenz des Bundeskanzlers der
Bundesrepublik Deutschland.
(Abg. Baetge: Ist auch nichts anderes gesagt worden!)
Wenn wir uns darin einig sind, dann habe ich nichts da
gegen, daß man auch den Anteil des Bundesaußenministers
bei diesen Sachen immer unterstreicht, auch die politische
Bedeutung, daß er hier in diesem Zusammenhang tätig war.
Aber ich wäre dankbar, daß wir die Penetranz mancher
dieser Äußerungen, die wir alle empfunden haben — darf
ich das noch mal sagen —, von uns aus hier in ein rich
tiges Maß einordnen.
Präsident Sickert: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Schütz, Regierender Bürgermeister: Bitte!
Präsident Sickert: Bitte, Herr Oxfort!
Oxfort (F.D.P.): Haben Sie nicht das Gefühl, Herr
Regierender Bürgermeister, daß ich hier lediglich die |
Penetranz zurechtgerückt habe, die darauf entsprang, daß
hier völlig einseitig von seiten der SPD-Fraktion der
Bundeskanzler herausgestrichen worden ist ?
(Zuruf; Nein!)
Schütz, Regierender Bürgermeister: Ich glaube nicht,
daß das der richtige Eindruck war, den Sie hatten. Aber
wenn es allein darum geht, daß Sie den Eindruck haben,
daß die F.D.P. nicht das notwendige Profil in diesem Zu
sammenhang hatte, dann bin ich der Meinung, ist es
richtig, daß das hier noch mal unterstrichen worden ist,
daß in Moskau wie auch an anderen Stellen eine Bundes
regierung aus beiden Partnern tätig ist, da will ich mit
Ihnen gar nicht streiten. Ich bin jedenfalls sicher — Kol
lege Haus könnte das von sich aus sagen; ich weiß nicht,
ob es notwendig ist, dazu noch mal herzukommen —, daß
das nicht der Sinn war, um den es uns geht.
Darf ich in diesem Zusammenhang und weil es sich um
diese Moskau-Reise handelt, einen zweiten Hinweis geben,
nämlich einen Hinweis, der sich aus der Diskussion um
die Existenz von Bundesämtern in Berlin ergibt. Auch
das ist ein Punkt, der wichtig und interessant ist. Der
Kollege Lummer kann nicht so ohne weiteres sagen, daß
wir über das Ergebnis nicht sprechen sollen. Denn wir
wissen aus den Berichten, daß es dort auch Diskussionen
über die Frage von Bundesämtern in Berlin gegeben hat.
Ich möchte hier noch mal sagen: Es gibt in Berlin nicht
wenige Bundesämter, und jedes einzelne ist hier unter
voller Respektierung der Oberhoheit der Drei Mächte ein
gerichtet worden. Durch keine Institution des Bundes ist
die seit 1949 gültige Vorschrift der Drei Mächte verletzt
worden, daß West-Berlin nicht Bestandteil der Bundes
republik Deutschland ist, daß es nicht von ihr regiert wer
den darf und daß der Bund hier nicht, wie es im Vier
mächte-Abkommen heißt, Akte in Ausübung unmittelbarer
Staatsgewalt über die Westsektoren Berlins vornehmen
darf. Das Viermächte-Abkommen hat dies nur noch mal
bestätigt. Deshalb war es auch nicht notwendig — wie es
die SED-Führung lange gefordert hat —, daß hier Bundes
adler abgeschraubt werden oder Bundesbehörden ver
schwinden müssen. Wir waren also nicht im Gegensatz zum
Viermächte-Abkommen, als wir im Frühsommer dieses
Jahres das Umweltbundesamt für Berlin forderten; im
Gegenteil, wir haben das Abkommen strikt eingehalten. Es
waren vielmehr andere, die uns daran hindern wollten, es
auch voll anzuwenden. Dem haben wir widersprochen —
und das muß doch hier nach all den Diskussionen noch
einmal gesagt werden, die wir auch in diesem Abgeord
netenhaus gehabt haben —, nicht nur widersprochen mit
Deklamationen und schönen Reden, sondern mit der prak
tischen Aktion, denn das Umweltbundesamt arbeitet heute
in Berlin als eines der vielen Bundesämter in dieser Stadt.
Und dies ist auch ein ganz wichtiger Schritt gemessen an
vielen Diskussionen, die wir in der Bundesrepublik insge
samt, aber auch hier im Abgeordnetenhaus in den vergan
genen Wochen gehabt haben.
Dies ist wichtig gewesen; wir haben gehört, wie manchen
Fehlinterpretationen des Viermächte-Abkommens in Mos
kau widersprochen wurde. Und wir haben, was die strikte
Einhaltung des Abkommens anbetrifft, von dort gehört,
daß der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister klare
Positionen gesetzt haben. Da verstehe ich eine Bemerkung
nicht, Kollege Boehm. In der Diskussion in Moskau und
sogar in der öffentlich geführten Diskussion — also nicht
in der Vertraulichkeit irgendwelcher Ausschüsse — ist
gerade vom Bundeskanzler noch einmal unterstrichen wor
den, daß die Formel des Viermächte-Abkommens nicht nur
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