Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
83. Sitzung vom 24. Oktober 1974
ich meine, es liegt im Interesse jeder politischen Partei,
jeder Gruppe, daß sie dazu beiträgt, daß wir das gemein
sam beantworten, worum es hier geht. Nun, man weiß,
jedes Ding, auch dieses Ding läßt sich zum Parteigebrauch
zurechtschneidem. Nur ich meine, es hilft nicht mal dem,
der das versucht. Und deshalb danke ich der Regierungs
partei, aber gerade, das liegt in der Natur der Sache, ge
rade auch Ihnen, Herr Oxfort und - meine Freunde mögen
es mir nicht übelnehmen - auch für die zweite Rede sogar
Ihnen, Herr Lummer, daß Sie versucht haben, einen Bei
trag zu leisten. Aber ich danke Ihnen besonders, daß wir
den Versuch machen, in diesen Dingen - wenn es geht,
trotz naher Termine - zu einer gemeinsamen Beantwortung
zu kommen.
Ich bleibe dabei, einen zweiten Gesichtspunkt deutlich zu
machen, der wichtig ist, nämlich eine Mahnung an uns alle,
daß wir, obwohl es uns in den Fingern juckt, sehen müssen,
daß die Zuständigkeit für diese Dinge aus unserem Wollen
nicht bei dem Land Berlin, nicht bei dem Abgeordneten
haus von Berlin, nicht bei dem Senat von Berlin liegt. Die
DDR möchte gerne, daß w i r der Partner dieser Dinge sind,
daß wir uns damit auseinandersetzen müssen. Wir wollen,
daß dies eine Angelegenheit der Bundesrepublik Deutsch
land ist, die für uns mitspricht, und deshalb sollten wir
darauf achten, daß dies auch dort in seiner Bedeutung be
handelt wird.
(Beifall)
Und wenn der Abgeordnete Dr. Biel hier meint, die Tri
büne des Abgeordnetenhauses zu einem Angriff gegen die
Regierung in Bonn benutzen zu müssen, muß ich ihn bitten,
einen CDU-Abgeordneten - es wird sich schon noch einer
finden - zu bitten, dies für ihn im Deutschen Bundestag zu
übernehmen.
(Beifall bei der SPD - Abg. Lummer;
Machen wir ja auch!)
Wir sollten bewußt hier eine klare Trennung durchführen.
Lassen Sie mich, was die Sache betrifft, sagen: Der
Transit ist von so entscheidender Bedeutung, daß immer
wieder an ihm gezeigt wird - an ihm übrigens vielleicht
mehr als an anderen Einzelpunkten -, wie die einzelnen
Beteiligten zum Berlin-Abkommen insgesamt stehen. Die
DDR-Führung hat sich offenbar entschlossen, mit ihren
Störungen bei der Abfertigung politische Ziele auf anderen
Gebieten zu erreichen. Das aber hat weder etwas mit dem
Wortlaut des Berlin-Abkommens zu tun, noch hat es etwas
mit dem Geist der Verträge und dem Geist der Bemühun
gen um Entspannung zu tun. Das alles ist in Wirklich
keit - und wir haben alle ein frisches Erinnern daran, denn
die Verträge sind noch nicht lange in Kraft; die Zeit ist
noch nicht lange her, daß wir ohne Verträge haben leben
müssen - ein Rückgriff in die Rumpelkammer des kalten
Krieges, und es ist nach meiner Ansicht ein direkter Tor
pedo gegen ein realistisches Ergebnis des Besuchs unseres
Bundeskanzlers in Moskau.
(Beifall bei der SPD)
Und ich sage jedenfalls hier: Es ist unsere Position, wie ich
sehe, die gemeinsame Position, daß das Viermächte-Ab-
kommen eingehalten werden muß. Wer meint, abkommens
widrig Gespräche oder Verhandlungen - etwa gar noch
über Kredite oder Swingausweitungen - dadurch beein
flussen zu können, daß er Druck und Störungen und lang
same Abfertigung als ein Mittel in diese Debatte einführt,
dem muß von unserer Seite klar gesagt werden, daß wir
uns von unseren Interessen nicht abbringen lassen, weder
durch Drohungen, noch durch Druck, noch durch Erpres
sung. Das war unsere Position in der Vergangenheit, und
es gibt keinen Grund - ich betone das ausdrücklich -, diese
unsere Grundhaltung in Zukunft zu ändern.
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete
Lorenz.
Lorenz (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Wir sind einig in der Frage, daß seit
Inkrafttreten des Viermächte-Abkommens Völkerrecht an
die Stelle manches vorher ungeregelten Zustandes getreten
ist.
(Abg. Schwarz: Nicht nur „manches“!)
- Ja, alles ist ja nun noch nicht geregelt worden, Herr
Kollege, nicht? -
(Zuruf von der SPD: Aber ‘ne ganze Menge!)
Bloß, Herr Regierender Bürgermeister, eines ist es doch
immer wieder, was die öffentliche Diskussion beschäftigt
und deshalb natürlich auch hier in diesem Hause bespro
chen werden muß; Wenn wir nun schon die Garantie der
Einhaltung des Abkommens und die Sorge für die Einha-
tung des Abkommens durch den Lauf der Dinge in die
Hand und in die Verantwortung der Bundesregierung ge
legt sehen, dann müssen wir natürlich in Berlin ganz be
sonders darauf achten, daß auch die Bundesregierung diese
Verantwortung angemessen und im Interesse der Lebens
fähigkeit unserer Stadt wahmimmt. Und, Herr Senator
Stobbe, wenn man häufig den Eindruck hat bei der einen
oder anderen Verletzung dieses Abkommens, daß das
verbal in der Öffentlichkeit scharf gerügt wird, daß man
dann auch die eine oder andere Maßnahme ergreift, zum
Beispiel Transitkommisionen einberuft, dann sich aber
im Grunde damit begnügt festzustellen, daß man allenfalls
von der anderen Seite einen Hinweis bekommen hat, daß
das in der Weise nicht wieder erfolgt, und dann das Ganze
wieder von vorne losgeht, wenn der nächste Bruch des
Abkommens offensichtlich wird: Dann muß man sich doch
fragen, ob die Bundesregierung alles in ihrer Macht Ste
hende tut, um nun wirklich das Interesse Berlins und die
Lebensfähigkeit der Stadt zum zentralen Punkt ihrer Poli
tik zu machen, wie Sie immer wieder behaupten, Herr
Regierender Bürgermeister.
(Beifall bei der CDU)
Sehen Sie, Sie haben seinerzeit nach Abschluß des Ab
kommens erklärt, daß nach menschlichem Ermessen die
Zeit der Drohungen und Bedrohungen, der Nadelstiche und
der Pressionen vorbei sei. Diese Einschätzung erwies sich
als falsch. Wenn sie aber nun falsch ist, dann ist es doch
erforderlich, daß wir alle gemeinsam mit der Bundesregie
rung international alles nur mögliche tun, um endlich das
Recht Berlins nach dem Viermächte-Abkommen auch
gegenüber dem Osten durchzusetzen. Da sind wir ja wahr
scheinlich in der Sache einig, bloß an der Methode haben
wir deutliche Kritik zu üben. Ich weiß eben nicht - und
diese Frage hätte ich gern mal beantwortet -, ob der Senat
von Berlin den Eindruck hat, daß die Bundesregierung
alles in ihrer Macht Stehende tut, um zum Beispiel auch
im Zusammenhang mit der Konferenz für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa und sonst im internationalen
Bereich das Interesse Berlins hinreichend geltend zu
machen. Ich meine, es ist hier jetzt nicht der Zeitpunkt,
andere Verletzungen der Verträge im einzelnen darzulegen.
Ich möchte bloß noch mal auf die Bulgarienflüge zurück
kommen. Ich kann immer wieder nur sagen: Wenn man
hört, daß die Bulgaren sich bei der Diskriminierung Ber
lins im internationalen Flugverkehr darauf berufen, daß
sie das aus Solidarität zur Sowjetunion tun und nicht aus
eigenem Interesse, dann muß eben auch die Berliner Be
völkerung mehr als bisher den Eindruck gewinnen, daß
die Bundesregierung in dieser Sache mit Berlin solidarisch
ist. Und ich möchte ganz ehrlich sagen: Diesen Eindruck
vermissen wir, auch im Zusammenhang mit den Störungen
auf den Transitwegen.
(Beifall bei der CDU -
Unruhe bei der SPD)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete Zeller
mayer.
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