Abgeordnetenhaus von Berlin - G. Wahlperiode
82. Sitzung vom 10. Oktober 1974
bleiben. Die „Süddeutsche Zeitung“ übrigens hat den von
Ihnen gelobten Bericht zur Münchner Stadtentwicklungs
planung zur Schnecke gemacht mit den Stichworten, er
sei zu abstrakt, er enthalte Soziologen- und Politologen-
Deutsch, da seien die Planer unter sich. - Ja, wenn wir
das hätten haben wollen - mir persönlich und den fach
lichen Dingen näherstehend, hätte auch das mehr gefal
len -, dann hätten wir die gleichen Vorwürfe hier ein
stecken müssen und hätten so ein Werk vorlegen können,
mit dem der Bürger nichts anfangen kann.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben zum Beispiel die Stadtentwicklungspläne von
Düsseldorf und Köln - Tabellenwerke, zum Teil mit Com
puterzahlenausdrucken ja, das ist Makulatur für den
Bürger, damit kommen wir in der Zwischenphase nicht
zu Rande.
(Zurufe von der CDU)
Nun ist es ja so, daß, wenn Herr Lummer näher an dem
Problem dran wäre, er sich gehütet hätte, den New Yorker
Plan, den Herr von Kekule so mühsam aus New York eben
hierhergeschleppt hat, zu zitieren. Als ich den dortigen
Chef der Planung fragte, was es damit auf sich habe, mit
dem schönen, riesigen Plan mit den vielen Bezirksteilen, da
hörten wir dasselbe wie in London; zunächst sahen wir,
daß der Kopf sich senkte und die keine Antwort geben
wollten; und dann sagten sie: Ja wissen Sie, das ist schon
ein bißchen Geschichte; der ist so lange und so umfang
reich vorbereitet worden, daß wir jetzt mit der Verwirk
lichung Schwierigkeiten haben. - Genau solch einen Plan
wollten wir in dieser Phase nicht, sondern wollten die
Stufenentwicklung haben.
(Beifall bei der SPD)
Ich könnte mich nun auch mit Genehmigung des Präsi
denten in Zitatbemühungen ergehen und Herrn Luster
zitieren, wie oft er das unmittelbare Zugehen auf den
Bürger, auch in der Sitzung vom 10. Februar, gefordert
hat mit auch sehr anspruchsvollen Zitaten: daß das immer
zu kümmerlich wegkomme, das unmittelbare Zugehen auf
den Bürger -. Ich will mir das hier schenken, denn wir
wollen die Einzeldebatte ja dann im Ausschuß führen. Wir
haben eine ganze Menge - auch von der CDU - in den bis
herigen Erörterungen zu diesen Problem gehört in bezug
darauf, daß es um langfristige Aussagen gehe. Lang
fristige Aussagen haben ein breites Segment zu öffnen.
Man mag Kritik an einzelnem üben; insgesamt ist diese
Segmentöffnung in diesem Band mit den 190 Seiten ent
halten.
Und ich muß noch eines sagen; Wenn Sie mal weg
kommen von der Befürchtung, hier mache ein Senat zu viel
Propaganda mit einem Stück eigener Arbeit, dann nehmen
Sie doch mal die Berichte im „Tagesspiegel“, die unab
hängig sind - und diese Zeitung ist ja nicht unkritisch
gegenüber dem Senat und uns -, und lesen Sie das, was der
in den letzten Wochen - wir wissen gar nicht woher - be
richtet hat über Perspektiven. Da können Sie Seite für
Seite rekapitulieren - wenn man es vernünftig angeht -,
welche Aussagen drin sind, was auf den Bürger zukommt,
welche Zielvoraussagen gemacht werden. Wenn man sich
nicht den Blick verstellen läßt von den Bildern, sondern an
den Text herangeht - und lesen hilft ja häufig, Sachkunde
fördert ja -, dann kommt man zu dem, was beabsichtigt
und was durchaus vertretbar ist in dieser Phase der Per
spektivvorlegung. Und die Einzeldebatte anhand weiteren
Materials aus der Planungsleitstelle zu führen, das ist
genau das Ende der Brücke, an deren Anfang vorhin Herr
Luster war.
Ich kann nur empfehlen - und Sie spüren es vielleicht
auch selbst -, zu überlegen, ob Sie nicht die Debatte mit
dem Bürger anhand des Textes führen wollen. Treten Sie
mal in Konkurrenz zu uns damit! Ich habe aus Spandau
eine Broschüre, die dort von der Bezirksverordnetenver
sammlung, optisch sehr schön aufgemacht, den Bürgern
vorgelegt worden ist; da druckt die CDU Stempel hinein
und sagt: Sprechen Sie mit uns darüber, mit der CDU!
- Warum nicht? Drucken Sie mal Ihre Stempel auch in
die Stadtentwicklungsperspektiven hinein, und diskutieren
Sie mit dem Bürger! Wenn Sie ehrlich sind, werden Sie
sehen, daß der Bürger genau auf diese Form der Diskus
sion einzugehen bereit ist, und die Aufbereitung des Mate
rials gut ist. Kommen Sie ab von diesen Wahlkampfvor
würfen, die in diesem Falle nicht stimmen,
(Abg. Dr. Schönherr: In diesem Falle!)
und die nur die Übung fortsetzen, vor Wahlen alles, was
von der Regierung kommt, in Bausch und Bogen wegzu
argumentieren ; kommen Sie zur sachlichen Erörterung
- im Ausschuß! - Vielen Dank!
(Beifall bei der SPD)
Präsident Sickert: Das Wort hat Herr Abgeordneter
Vetter.
Vetter (F.D.P); Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Vor dreieinhalb Jahren hat der Regierende Bürger
meister in seiner Regierungserklärung versprochen, Berlin
zum Modell einer modernen Großstadt zu machen. Seit
dreieinhalb Jahren bemüht sich die Opposition dieses Hau
ses, ein „Modell“ für dieses Modell in Form eines Stadt
entwicklungsplanes vorgelegt zu bekommen. Seit dreiein
halb Jahren erhalten wir vom Regierenden Bürgermeister,
vom Senat und von der Mehrheitsfraktion immer die glei
che Antwort, die Antwort: Ja, aber -. Dieses „Aber“
ist dann verpackt manchmal in technische, manchmal wie
derum in politische Bedenken. Genauso ist das eigentlich
heute hier auch wieder geschehen. Wenn man die münd
liche Erklärung des Regierenden Bürgermeisters gehört
hat über alles das, was planungstechnisch möglich ist, was
notwendig ist und worüber wir uns durchaus einigen kön
nen, dann kommt plötzlich ein Hakenschlag, und der Re
gierende Bürgermeister sagt: So schön wie das ist, aber
das können wir alles nicht aus diesen und jenen Gründen! -
Ich habe das bereits angeschnitten in der Sitzung des Aus
schusses für Planung und Stadtentwicklung, die vor Weih
nachten 1973 stattfand und die uns in diesem Ausschuß
das Vergnügen des zweiten Besuches des Herrn Regieren
den Bürgermeisters beschert hat. Ich habe damals schon,
Herr Regierender Bürgermeister, die Frage gestellt, ob
Perspektiven der Stadtentwicklung nicht wesentlich weni
ger seien als ein Stadtentwicklungsplan. Sie haben damals
auch die Antwort „Ja, aber “ gegeben, Sie haben
aber damals zum Ausdruck gebracht - und wir sind des
halb mit dem Gefühl aus diesem Ausschuß gegangen, daß
hier ein anderer Name gefunden wird -, daß hier noch
nicht das Fertige vorgelegt werden würde, daß hier aber
die Stufe knapp darunter erarbeitet werden könne.
Was hier jetzt allerdings unter dem Titel „Perspektiven
der Stadtentwicklung“ vorgelegt worden ist, hat nichts mit
dem, was uns angekündigt worden ist, gemeinsam. Ich
sage das ganz klar: Was hier vorgelegt worden ist, ist eine
aus Steuermitteln erstellte Wahlkampfbroschüre zum höhe
ren Ruhme dieses Senats!
(Abg. Dr. Haus: Ha, ha!)
Die F.D.P.-Fraktion lehnt es deshalb ab, diesen Bericht zur
Kenntnis zu nehmen und parlamentarisch zu diskutieren.
Das bedeutet nicht, Herr Kollege Dr. Haus, daß wir das
Thema, das ja im Antrag der CDU steckt, nämlich den
Stadtentwicklungsplan für Berlin vorzulegen, nicht bereit
sind, weiter zu diskutieren. Und, Herr Dr. Haus, Sie haben
ja selbst das ungute Gefühl an diesem Bericht artikuliert,
indem Sie hier immer sagten, wir sollten nicht so viel auf
die Bilder gucken. Es sind aber über 100 bunte Bilder Be
standteil dieses Berichts! Daraus geht doch hervor, was
man wirklich will. Ein solcher Plan mit den Konterfeis
aller Senatsmitglieder, mit bunten Bildern von Theaterauf
führungen Ich habe da ein Bild von Peer Gynt ge
sehen, vielleicht wäre es angebrachter, Hamlet drin zu
haben mit der Unterschrift: Es ist etwas faul im
Staate Es muß nicht unbedingt Dänemark sein!
(Abg. Hannemann: Sehr geistreich! -
Weitere Zurufe von der SPD)
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