Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
78. Sitzung vom 4. Juli 1974
Frau Dr. Besser (CDU): Vielen Dank, Herr Regierender
Bürgermeister, für diesen Vorschlag an die Partei zu mei
ner Entsendung in den Rundfunkrat. Mein Bedarf an
Tätigkeit, über die Universitäten hinaus, ist völlig ge
deckt! Ich glaube, daß ich noch mehr gar nicht schaffen
kann.
(RBm Schütz: Oder eine andere Kollegin!)
Stellv. Präsident Dr. Schönherr: Gestatten Sie eine wei
tere Zwischenfrage?
Frau Dr. Besser (CDU): Ja, bitte!
Boroffka (CDU): Frau Kollegin Dr. Besser, meinen Sie
nicht, daß der Regierende Bürgermeister gut beraten ge
wesen wäre, den Vorschlag an seine eigene Fraktion zu
richten ?
(Zuruf von der SPD: Ist ja schon! - Heiterkeit bei der
SPD)
Frau Dr. Besser (CDU): Vielen Dank, Herr Kollege Bo
roffka! Ich kann dem Regierenden Bürgermeister in die
sem Fall die Empfehlung geben: Schicken Sie doch zwei
Damen! Sehen Sie, dann geht es auch.
(RBm Schütz: Wären Sie auf die SPD-Liste gegangen? -
Abg. Lummer: Selbstverständlich!)
- Also ich meine, für den Rundfunkrat, der ja nicht mit
den Parteien hier unbedingt etwas zu tun haben muß,
wie aus der Liste der Mitglieder hervorgeht, hätte ich unter
Umständen einen Vorschlag von Ihnen über die Grup
pierungen, die aus der Bürgerschaft als relevante gesell
schaftliche Gruppe Frauen dort hinschicken, vielleicht auch
angenommen. Wer weiß?
(Abg. Beier: Aber nur vielleicht!)
- Ja natürlich, das hängt ja davon ab, was ich zeitlich zu
schaffen vermag. -
Stellv. Präsident Dr. Schönherr: Gestatten Sie eine Zwi
schenfrage von Herrn Abgeordneten Luster?
Luster: (CDU): Würden Sie sich vor Übernahme eines
solchen Mandats versichern, daß es sich nicht um ein
imperatives Mandat handelt, Frau Dr. Besser?
Frau Dr. Besser (CDU): Vielen Dank! Imperative Man
date nehme ich nicht an. Und wer es versucht, der erlebt
sehr schnell, daß es nicht geht. Schönen Dank!
Andere Bundesländer sehen diese Dinge etwas anders.
Es gibt z. B. in Baden-Württemberg vier Damen im Rund
funkrat, in Bayern - ein CSU-Land - gibt es sieben Damen
im Rundfunkrat,
(Frau Abg. Renner: Ist ja ganz anders
zusammengesetzt!)
in Rheinland-Pfalz vier, in Bremen zwei und in Hessen
drei Damen. Also wir sind hier in Berlin offensichtlich
ganz sparsam damit.
Die CDU hat sich gegen die Aufnahme des Landes
jugendrings in den Rundfunkrat ausgesprochen und spricht
sich auch weiterhin dagegen aus, weil sie der Auffassung
ist, daß hier eine Mehrfachvertretung vorliegt. Die Inter
essen derer, die Sie über den Landesjugendring in den
Rundfunkrat holen wollen, werden bereits von den Gewerk
schaften, von den Parteien, den Kirchen, vom Landes
sportbund, von den Hochschulen vertreten. Es bestände
also unseres Erachtens gar nicht die Notwendigkeit dafür.
Aber ein gravierendes Moment, das für uns dagegen
spricht, ist ganz einfach die Tatsache, daß sich im Be
zirk Steglitz der Bezirksjugendring für die Aufnahme der
FDJW, das heißt also der SEW, in den Bezirksjugendring
ausgesprochen hat und daß in der Anhörung im Ausschuß
für Wissenschaft und Kunst nicht voll glaubhaft darge
tan werden konnte, daß in überschaubarer Zukunft nicht
über diesen Umweg die SEW den Sender des freien
Teils von Berlin kontrolliert. Das bei zwei Prozent der
Wählerstimmen, die wir in allen Wahlen rückliegend hier
in dieser Stadt für die SEW gehabt haben, erscheint uns
eine unzumutbare Gefahr für die Berliner Bürger. Aus
diesem Grunde stimmen wir dagegen. Ich möchte jetzt
gleich anmelden, daß der Antrag dazu - es ist, glaube
ich, der Antrag Nummer 1 in der Liste, die wir vorgelegt
haben, § 6 Abs. 3 Nr. 8 - in namentlicher Abstimmung
in diesem Hause entschieden werden soll. Dies ist ein klarer
Antrag von uns.
Die CDU ist ferner gegen die Überschneidung von Per
sonalvertretungsgesetz und Satzung des Senders Freies
Berlin durch die Hinzuziehung oder Hinzuwahl stimmbe
rechtigter Vertreter des Personalrats im Verwaltungsrat.
Die vorgesehene Hinzuziehung zweier zusätzlicher Per
sonalratsmitglieder mit Stimmrecht im Verwaltungsrat ist
überproportional in der Vertretung der Interessen der Ar
beitnehmer, denn die Gewerkschaften vertreten unseres
Erachtens - ich glaube, da wenigstens sind wir einer Auf
fassung - die Arbeitnehmerinteressen bereits angemessen
als gesellschaftlich relevante Gruppe im Rundfunk- und
auch im Verwaltungsrat. Sie widerspricht ferner den ver
fassungsrechtlichen Grundsätzen der Struktur des Senders
Freies Berlin. Sie widerspricht auch § 6 Abs. 1 der Sat
zung der Rundfunkanstalt „Sender Freies Berlin“, in dem
ausdrücklich steht:
Seine Mitglieder
- also die des Rundfunkrats -
sind an Weisungen nicht gebunden und dürfen nicht
in einem Anstellungsverhältnis zum „Sender Freies
Berlin“ oder einer anderen Rundfunkanstalt oder
-gesellschaft stehen.
Und sie widerspricht auch § 9 Abs. 1, in dem es heißt:
Der Rundfunkrat kann für bestimmte Sachgebiete
. . . aus seiner Mitte Ausschüsse bilden. In die Aus
schüsse können nur Mitglieder des Rundfunkrats
entsandt werden.
Und es heißt dann in Absatz 2: „Als ständige Aus
schüsse“ usw. „können Verwaltungsrat und Programm
ausschuß gebildet werden.“ Das heißt, daß der Verwal
tungsrat, der vom Rundfunkrat gebildet wird im Sender
Freies Berlin, von Gesetzes wegen ein gesellschaftliches
Kontrollorgan ist.
Dementgegen hat in der Anhörung, die wir durchgeführt
haben, der Vertreter des Personalrats des SFB unmißver
ständlich zum Ausdruck gebracht, daß er sich an Wei
sungen halten müsse, wenn er als Personalrat im Verwal
tungsrat des SFB' sitzt. Er hat wörtlich - Sie können das
Wortprotokoll nachlesen - ausgeführt:
Sie haben sicher recht, daß sie Beschlüsse des Per
sonalrats oder bestimmte Weisungen zu vertreten
haben.
Das sind hier die Vertreter des Personalrats. Und an
anderer Stelle:
Sie müssen auch Autorität und Entscheidungsbe
fugnis genug haben, um notfalls
- und das kann sicher nur im Ernstfall sein -
eben auch ad hoc Entscheidungen zu treffen, ohne
daß sie nun etwa jedesmal gleich zurückgerufen
oder abgewählt werden.
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