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Volume Nr. 76, 27.06.74

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1974/75, 6. Wahlperiode, Band IV, 66.-93. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
76. Sitzung vom 27. Juni 1974 
schiene, die Sie aufgegeben haben - 3 Schulleiter, nicht 
wahr, die durchziehen ja Ihr ganzes Gesetz? Schön. Da 
haben Sie also auch dazugelernt. Dann erwähnen Sie den 
Vorsitzenden und dessen Vertreter des gemeinsamen Aus 
schusses für das berufsbildende Schulwesen. Da habe ich 
mich erkundigt: der eine ist dann ein Arbeitgeber- und der 
andere ein Arbeitnehmervertreter, nämlich entweder der 
Vorsitzende oder der Vertreter. Und als nächsten dann 
noch den Vorsitzenden des Landesausschusses der aus 
bildenden Betriebe. Das ist dann wieder einer von der 
Arbeitgeberseite. Das heißt: Unter „sonstige“ rechnen bei 
Ihnen 2 Arbeitgebervertreter und 1 Arbeitnehmer. Ich 
meine, das ist eine Kriegslist, aber Sie sollten nicht sagen: 
„Wir wollen hier ganz etwas anderes.“ 
(Abg. Wischner; Wie kommen die denn zu ihrer 
Funktion? Sie delegieren, wir wählen!) 
Und in diesem Bereich gucken Sie nun wirklich in die Ge 
setzentwürfe Ihrer Kollegen in den anderen Bundesländern 
hinein. Da werden Sie Ihr blaues Wunder erleben. - Ich 
will Ihnen ja nic.it die bayerische Schulordnung vorwerfen, 
aber gucken Sie mal in die übrigen hinein. 
(Beifall bei der SPD) 
Und lassen Sie mich zu einem letzten Punkt etwas sagen, 
warum wir den Vorstellungen der Opposition hier ein klares 
Nein entgegensetzen mußten. Es handelt sich hier um die 
Öffentlichkeit der Gremien. Herr Kayser hat davon ge 
sprochen, Herr Diepgen. Wissen Sie, hier die volle Öffent 
lichkeit der Gremien zu fordern, ist einfach absurd. Wie 
soll z. B. die Elternvertretung einer Schule frei arbeiten 
können - das gilt jetzt für die F.D.P. -, wenn Außen 
stehende in beliebiger Anzahl freien Zutritt zu diesen Ver 
anstaltungen haben? Hier würden doch Pressionsversuchen 
Tür und Tor geöffnet! - Nun hat Herr Kayser natürlich 
damals in der Sitzung gesagt: „Na ja, so wird das ja nicht 
sein in der Wirklichkeit.“ Nicht wahr? Sie waren aber 
sonst immer außerordentlich penibel, wenn es um Punkt 
und Komma ging in den Diskussionen. Und dies ist ein 
ganz entscheidender Punkt! Wir wollen hier sicherstellen, 
daß die Gremien wirklich arbeiten können und daß nicht 
an Stellen, wo Konflikte entstehen, nun Außenstehende 
hereinkommen und die Sitzung zum Platzen bringen. 
Ähnliches gilt, wenn auch in minderem Maße, für die 
Schulöffentlichkeit, wie sie die CDU fordert. Sie kennen die 
hohen Schülerzahlen an vielen Schulen. 600 Schüler, das 
heißt 1200 Elternteile und 30 bis 50 Lehrer sind keine 
Seltenheit, und in den Mittelstufenzentren liegen die Zahlen 
weit höher. Auch hier kann die Schulöffentlichkeit bedeuten, 
daß Arbeitssitzungen arbeitsunfähig werden. Wir haben 
gesichert - und darauf kommt es ja in Wirklichkeit nur 
an -, daß die Gremien in Ruhe arbeiten können und daß 
Verlauf und Ergebnisse transparent werden. Frau Renner 
hat es schon angedeutet: Je zwei Vertreter der anderen 
Partnergruppen nehmen jeweils an den Sitzungen teil. Die 
Protokolle werden ausgelegt. Und nun das letzte: In einer 
Gästeklausel haben die Gremien selbst die Möglichkeit zu 
sagen, wen sie dabeihaben wollen, und dem können sie dann 
auch Rederecht zu einzelnen Tagesordnungspunkten geben. 
- Ich halte dies für die bessere Lösung. Hier kann man 
nach Jahren der Erfahrung zu weiteren Öffnungen kommen. 
Aber umgekehrt ist das nicht möglich. Und ich meine, wenn 
ein Gremium - sie fangen ja z. T. neu an - beginnt zu 
arbeiten, dann müssen sich die Mitglieder erst selbst 
kennenlernen, in der Arbeit zusammenraufen. Sie sollen 
schließlich auch entscheiden können, wen sie dabeihaben 
wollen. Darum sollte das Parlament ihnen nicht aufzwingen, 
wer dabei sein darf. 
Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes werden Eltern, 
Lehrer und Schüler an der Lösung von Aufgaben und Pro 
blemen mitzuwirken haben, die bisher weithin dem Staat 
oblagen. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben uns 
dazu ermutigt. Ich meine, wir Sozialdemokraten haben mit 
Augenmaß und auch selbstkritisch an der endgültigen 
Ausformung dieses Gesetzes gearbeitet. Aber modischen 
Tendenzen sind wir dabei nicht aufgesessen. Das werden 
wir auch in Zukunft nicht tun. 
Ich bestätige meinen Vorrednern von der Opposition, daß 
sich die Beratungen über weite Strecken sachbezogen und 
kooperativ gestaltet haben. Daß es natürlich im Auf und 
Ab auch Punkte hitzigster Diskussionen gab, ist verständlich 
bei einer solch wichtigen Sache, die einen so großen Teil 
unserer Bevölkerung betrifft. Wir delegieren mit diesem 
Gesetz viel Vertrauen in die Vernunft der Beteiligten, und 
wir rufen Eltern, Lehrer und Schüler auf: Nutzen Sie die 
Chance, die in diesem Gesetz liegt, zum Wohle unserer 
Berliner Schule! - Ich danke Ihnen! 
(Beifall bei der SPD) 
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete Pad 
berg. 
Padberg (CDU); Herr Präsident! Meine sehr geehrten 
Damen und Herren! Nur einige wenige Bemerkungen zu 
den Ausführungen unserer verehrten Kollegen von der SPD: 
Sie haben ja nicht bloß auf die Hupe gedrückt, sondern 
- wie mir scheint - auf mehrere Hupen zugleich, um nicht 
zu sagen, mit Riesenfanfaren hier ein Gesetz angekündigt, 
das nun also ganz ideale Lösungen enthalten soll. Liebe 
Frau Kollegin Renner, ich möchte aus Ihrem Bericht nur 
zwei Dinge als Beispiele nennen, die mir typisch zu sein 
scheinen für die Qualität auch der Argumentation, die wir 
teilweise von der SPD gewöhnt sind. 
(Abg. Dr. Haus: Na, na!) 
Sie haben erstens gesagt, natürlich das wichtigste Gremium 
wäre also die Schulkonferenz. Und da wären besonders die 
Elternrechte gewahrt, nämlich durch drei Vertreter. Und 
es wäre ja so, sie werden dadurch - das haben Sie nämlich 
hinzugefügt, deshalb sage ich das - die Schulkonferenz wäre 
ja dann nicht beschlußfähig, wenn die Eltern nicht dabei 
wären. 
(Frau Abg. Renner: Die Eltern- und 
Schüler Vertreter!) 
Erst einmal handelt es sich dabei gar nicht um die Be 
schlußfähigkeit, sondern im Gesetz steht „Arbeitsfähigkeit“. 
Und da komme ich auf den Punkt, der zeigt, wie wider 
sprüchlich Ihre Argumentation ist. Wenn die Eltern und 
Schüler beide nicht da sind, dann ist nämlich die Schul 
konferenz arbeitsunfähig, und dann fällt die gesamte Arbeit 
und' die gesamte Verantwortung an die Gesamtkonferenz 
zurück. Und gerade dort haben ja die Eltern keinerlei 
Stimmrecht. Die Logik wäre, daß dann - wenn die Schul 
konferenz eben nicht beschlußfähig, überhaupt nicht arbeits 
fähig wäre, weil keine Eltern an ihr teilnehmen -, daß sie 
dann wenigstens in der Gesamtkonferenz etwas zu sagen 
hätten. Aber das wollen Sie ja nicht. Es ist doch ganz 
unlogisch, was Sie da sagten. Aber noch etwas anderes 
zu dieser berühmten Schulkonferenz: Frau Kollegin Renner, 
überlegen Sie sich bitte mal folgendes: Die Schulkonferenz 
ist nämlich bereits beschlußfähig, wenn die Hälfte dieser 
zehn Mitglieder daran teilnehmen. Das bedeutet mit anderen 
Worten, wenn außer dem Schulleiter und den drei Lehrern 
ein einziger Schüler und kein Elternvertreter an ihr teil 
nehmen, ist diese Konferenz beschlußfähig. 
(Zuruf von der SPD: Na und?) 
Das heißt, hier von einer besonderen Qualität der Wahr- 
nahme des Elternrechts zu sprechen, ist doch wirklich 
unsinnig! 
Zweiter Punkt Ihrer Ausführungen: Sie haben schöne 
Worte gefunden - Herr Schwarz hat das ja noch einmal 
unterstrichen - für diese berühmten Schülervollversamm 
lungen. Und Ihnen, Frau Kollegin Renner, ist es immerhin 
Vorbehalten gewesen - für mich sehr überraschend -, diese 
Schülervollversammlungen damit zu begründen, daß sie 
dazu dienen - das haben Sie wörtlich in diesem Zusammen 
hang gesagt -, daß die Schüler dort demokratische Spiel 
regeln erlernen sollen; ausgerechnet in Schülervollversamm 
lungen, kann ich da nur sagen. 
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