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Volume Nr. 74, 16.06.74

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1974/75, 6. Wahlperiode, Band IV, 66.-93. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
74. Sitzung vom 13. Juni 1974 
Aber ich darf vielleicht den Herrn Berichterstatter in 
einem Punkt ergänzen, nämlich hinsichtlich der Sitzung 
des Ausschusses für Bau- u. Wohnungswesen vom 13. März 
1974. Er stellte im wesentlichen richtig dar, daß der Ver 
treter der F.D.P. dort gesagt hat: In Anbetracht dieser 
Bedenken sei das Abgeordnetenhaus verpflichtet, zu prüfen, 
welche Möglichkeiten es für die Verbreiterung der Kreu 
zung gebe. Der oberirdische Ausbau auf 12 bis 13 Fahr 
spuren erscheine möglich. Die Aussage der Vorlage, es gebe 
zum Tunnel keine Alternative, treffe also nicht zu. — 
Und deshalb wurde mit dieser Begründung dann der vom 
Herrn Berichterstatter zitierte Antrag gestellt. Dazu er 
klärte der Kollege Beier: Die SPD-Fraktion sei zur Wieder 
aufnahme der Diskussion wegen der Behandlung des Tun 
nels auf der Sitzung des Ausschusses am 7. November 1973 
nicht bereit. Demgegenüber wies der Vertreter der F.D.P. 
noch einmal darauf hin, daß es für die Ablehnung seines 
Antrags, nämlich Gutachter einzuschalten, kein rationales 
Argument gebe. Die beiden anderen Fraktionen würden die 
Vorlage nur vom Tisch haben wollen. Der amtierende Vor 
sitzende, der Kollege Tromp, wies diese Behauptung mit 
Entschiedenheit zurück: die Modelle seien ausgiebig dis 
kutiert worden. Der Vertreter der F.D.P. erinnerte die 
Vertreter der anderen Fraktionen an ihre Sorgfaltspflichten 
als Abgeordnete. Der amtierende Vorsitzende, Herr Tromp, 
wies auch diesen Vorwurf zurück. Der Kollege Meissner 
pflichtete dem Antrag des Kollegen Beier von der SPD bei, 
die Diskussion zu schließen; auch er begreife einfach nicht, 
wie der Vertreter der F.D.P. dazu komme, die übrigen 
Ausschußmitglieder an ihre Sorgfaltspflicht zu erinnern. 
Das, meine Damen und Herren, war am 13. März 1974, als 
noch niemand hier in der politischen Landschaft etwas von 
einer Bürgerinitiative gehört hatte. Das kam erst später. 
Es ist also wichtig, hier festzuhalten, daß die Bedenken 
grundsätzlicher Art gegen dieses Bauvorhaben zwar später 
sehr nachdrücklich von der Bürgerinitiative unterstützt 
worden sind, daß sie aber zuerst im Hauptausschuß wegen 
der finanziellen Auswirkungen, dann auch hinsichtlich der 
konkreten Folgen und der Fragwürdigkeit des ganzen Pro 
jekts, spätestens schon am 13. 3.1974 von der F.D.P .-Frak 
tion nachdrücklich dargestellt worden sind. 
Ich darf mit Genehmigung des Präsidenten hier einmal 
aus einer kritischen Darstellung eines anderen Verkehrs 
problems, einer kritischen Darstellung, die sich in diesem 
Palle die SPD-Fraktion voll zu eigen gemacht hat, zitieren. 
Da heißt es: 
Dieser Knotenpunktstrom hat eine Stärke von 9600 Kfz 
pro Tag. In Richtung Nordwesten biegen maximal 
3600 Kfz pro Tag ein. Selbst wenn unterstellt wird, 
daß diese Abbieger aus einer bestimmten Straße kom 
men, sind das nur ein Drittel dieses Abbiegerstroms. 
Diese Annahme ist jedoch aus folgenden Gründen 
nicht zulässig: 
— dieses Zitat, was ich jetzt bringe, könnte man fast wört 
lich übertragen auf die Situation im Bereich der Kreuzung 
Clayallee/Teltower Damm/Berliner Str./Potsdamer Str. 
— Die Einwohner der anliegenden Wohngebiete und 
die Beschäftigten der anliegenden Arbeitsstätten sind 
nicht gesondert ausgewiesen. Sie verursachen jedoch 
keinen Durchgangsverkehr, sondern Quell- und Ziel 
verkehr. 
(Abg. Beier: Welche Kreuzung ist denn das ?) 
— Ein Teil der Abbieger kann aus dem aus Richtung 
Norden kommenden Strom stammen. 
— Weiterhin kann unterstellt werden, daß ein Teil 
des Verkehrs sogenannter „Parkplatz-Suchverkehr“ 
ist; in diesem Gebiet liegt eine Anzahl von Kaufhäusern 
und Einkaufsstätten, welche nur über eine sehr be 
grenzte Zahl von Stellplätzen verfügen. Dieser Verkehr 
könnte durch ein Parkleitsystem verringert werden. 
Die oben angegebenen ca. 3600 Kfz pro Tag für den 
Verkehrsstrom sind also ein theoretisch größtmöglicher 
Wert. In Wirklichkeit und unter Berücksichtigung der 
unter 1 bis 3 genannten Einschränkungen wird die 
Verkehrsbeziehung erheblich schwächer sein. Es spricht 
alles für diese Annahme. 
Für einen anderen Teil des Verkehrsstroms nach Nor 
den ergibt sich ein ähnliches Bild. Für den Gegenver 
kehr lassen sich entsprechende Feststellungen treffen. 
Es zeigt sich, daß die maximalen Belastungen überwie 
gend in den Nachmittagsstunden auftreten, das heißt, 
Berufsverkehr und Einkaufsverkehr mit den oben 
angeführten Suchfahrten überlagern sich. Als Ergeb 
nis der genauen Betrachtung dieser Zahlen zeigt sich, 
daß ein großer Teil des Verkehrs in diesem Gebiet kein 
Durchgangsverkehr ist. Es spricht also alles für die 
Annahme, daß die Verkehrsbeziehung in der gekenn 
zeichneten Art schwächer ist. Die Ausnahme muß 
jedoch durch eine Stromzählung untermauert und ge 
stützt werden.' 
Sehen Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Frak- 
tion, das ist die Untersuchung der SPD-Abgeordneten 
Lubahn und Andreas Wilke zusammen mit Herrn Diplom 
ingenieur Baz zur Gleditsch- und Kolonnenstraße, die schon 
damals sehr kritisch allen Prognosen des Senats gegenüber 
stand und welche sich die SPD-Fraktion ohne jede Strom 
zählung, nur anhand der von mir verlesenen kritischen 
Anmerkungen, zu eigen gemacht hat. Damals hatte der 
Kollege Brandt diese Einwände im Ausschuß für Bau- und 
Wohnungswesen sehr dezidiert vorgetragen. Und sehen Sie, 
hier nun gerade bei der entscheidenden Frage, welcher 
Prozentanteil des Verkehrs — den man für 1974 in der 
Beschlußvorlage mit 850 Kfz/max/h in beiden Richtungen, 
also mit 1700 insgesamt angibt, — und den man angibt 
mit 3500 Kfz/max./h für 1985 —, welcher Anteil dieses 
Verkehrs nun wirklich den Tunnel benutzen wird 
Präsident Sickert: Gestatten Sie eine Zwischenfrage? 
Liebig (F.D.P.): Ich möchte das erst einmal darstellen, 
Herr Präsident, ich komme auf Sie hinsichtlich der Zwi 
schenfragen zurück.— 
Hierzu liegt nun eine Stromzählung der Bürgerinitiative 
vor, die sehr sorgfältig gemacht worden ist, auf die Herr 
Grunwald auch in der zusätzlichen Befragung am 29. 5. in 
einer zusätzlichen Stellungnahme einging, was aber voll 
kommen untergegangen ist. Hier kommt die Bürgerinitia 
tive in ihrem offenen Brief vom 8. Juni 1974 — der meines 
Wissens allen Kollegen vorliegt; jedenfalls geht auch der 
Herr Berichterstatter davon aus — zu dem Ergebnis, daß 
nach ihrer Untersuchung — und jetzt müssen wir die Be 
griffe ganz klar scheiden — von dem in der Nähe des 
Vopeliuspfades einfahrenden Verkehr — also Zufahrt Ber 
liner Straße — in dem Gebiet Busseallee nur 35 % wieder 
auftauchen. Dasselbe gilt — die genauen Zahlen sind 35,1 % 
und 34,2 % — nach der Auskunft des Vertreters der Bürger 
initiative auch für die andere Fahrtrichtung, also Zufahrt 
Potsdamer Straße, mit Zählposten Höhe Busseallee. Von 
den dort festgestellten Kennzeichen treten in Höhe des 
Vopeliuspfades ebenfalls nur noch 35 % wieder auf. 
Sie müssen sich im klaren darüber sein, daß damit die 
Grundlage für dieses Tunnelprojekt restlos entfällt. Man 
kommt nur zu einer Zahl von 1250 Kfz maximal pro 
Stunde, die 1985 überhaupt den Tunnel, wenn er fertig 
gestellt ist, jemals benutzen werden. Diese Folgerung — die 
Bürgerinitiative legt das dar — auch auf die Zeit von 1985 
ist voll berechtigt, weil auch die vom Senat erwarteten 
Steigerungsraten von 1971 zu 1985 hinsichtlich des Zu 
fahrtsverkehrs Berliner Straße—Potsdamer Straße über 
haupt und des Geradeausverkehrs kaum voneinander ab 
weichen; 68% und 72%, worauf die Bürgerinitiative mit 
Recht hinweist, ist keine relevante Differenz für eine Pro 
gnose auf die Zeit von 1985. 
Wie man auch die Dinge dreht: wenn man vielleicht hier 
darlegen will, daß sich der Verkehr von Dreilinden aus ver 
stärkt, die Diskrepanz zwischen 1250 Kfz maximal — beide 
Richtungen zusammengefaßt —, die den Tunnel jemals 
benutzen werden, und der Aussage des Senats in seiner 
Prognose über 2100 Kfz maximal pro Stunde, diese Dif- 
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