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Volume Nr. 66, 24.01.74

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1974/75, 6. Wahlperiode, Band IV, 66.-93. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
66. Sitzung vom 24. Januar 1974 
Präsident Sickert: Keine weiteren Zusatzfragen! 
Das Wort hat der Abgeordnete Oesterlein zu einer Münd 
lichen Anfrage über Mahnmal der Opfer des National 
sozialismus. 
Oesterlein (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Ich frage den Senat: 
1. Was ist bisher unternommen worden, um die von 
Herrn Bürgermeister Neubauer zugesagte Instandsetzung 
des Mahnmals der Opfer des Nationalsozialismus am Stein- 
platz durch den Senat durchzuführen ? 
2. Wann ist mit der endgültigen Instandsetzung zu rech 
nen? 
Präsident Sickert: Das Wort zur Beantwortung hat Herr 
Senator Neubauer. 
Neubauer, Bürgermeister und Senator für Inneres: Herr 
Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Schreiben vom 
3. Januar 1974 habe ich dem Bund der Verfolgten des 
Naziregimes mitgeteilt, daß der Senat die Schändung des 
Mahnmals erstens auf das schärfste verurteilt und in Un 
terstreichung seiner politischen Haltung die Kosten für 
dessen Wiederherstellung unternimmt. 
Federführend für diese Instandsetzung ist das Bezirks 
amt Charlottenburg, in dessen Grundvermögen sich das 
Grundstück befindet, auf dem das Mahnmal steht. Die in 
zwischen durchgeführte Prüfung des Bezirksamtes hat er 
geben, daß es zur Wiederherstellung des Mahnmals etwas 
umfänglicherer Arbeiten bedarf, deren Kosten etwa auf 
7 000 bis 7 500 DM geschätzt werden. 
Das Bezirksamt wird sich in diesen Tagen mit dem 
Bund der Verfolgten des Naziregimes in Verbindung set 
zen, um die Einzelheiten der Instandsetzung abzusprechen. 
Auch wenn sich z. B. wegen der neu zu gießenden Metall 
teile des Mahnmals derzeit kein genauer Zeitpunkt der 
Wiederherstellung nennen läßt, so sind Senat und Bezirks 
amt entschlossen, dies so schnell wie möglich zu tun. 
Präsident Sickert: Wird das Wort zu einer Zusatzfrage 
gewünscht ? — Das ist nicht der Fall. 
Dann erteile ich das Wort dem Abgeordneten Baetge zu 
einer Mündlichen Anfrage über Einstellungsgespräche mit 
Lehramtskandidaten. 
Baetge (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Ich frage den Senat: 
1. Hält der Senat nach Abschluß der Einstellungs 
gespräche das eingeschlagene Verfahren für berechtigt 
und zweckmäßig ? 
2. Hält er Fragen nach der Wohnsituation des Bewer 
bers, nach seiner Ansicht über Wohngemeinschaften, nach 
der politischen Einstellung von Mitbewohnern und dar 
über, welche Fernsehsendungen er gesehen habe, für ge 
eignet, die Voraussetzungen nach § 9 des Landesbeamten 
gesetzes in gerichtsverwertbarer Weise festzustellen? 
3. Trifft es zu, daß die Teilnehmer an den Einstellungs 
gesprächen den Kandidaten nicht vorgestellt worden sind ? 
4. Sind Protokolle über diese Gespräche angefertigt wor 
den und wurden diese den Kandidaten zur Stellungnahme 
vorgelegt? 
5. Mit welcher Begründung hat der Senator die Teil 
nahme einer Vertrauensperson (Rechtsanwalt) der Kandi 
daten an diesen Gesprächen verweigert ? 
Präsident Sickert: Das Wort zur Beantwortung hat Herr 
Senator Löffler. 
Löffler, Senator für Schulwesen: Herr Präsident! Meine 
Damen und Herren! Herr Abgeordneter Baetge! Bevor ich 
auf Ihre Fragen eingehe, erlaube ich mir eine kurze Vor 
bemerkung. Ich habe wiederholt und insbesondere in Be 
antwortung der Mündlichen Anfragen der Herren Abge 
ordneten Rasch und Liebig darauf hingewiesen, daß die 
Prüfung der allgemeinen und der persönlichen Voraus 
setzungen jedes Bewerbers für die Berufung in das Be 
amtenverhältnis eine gesetzlich gebotene Pflicht der Dienst 
behörde ist. Ich habe des weiteren darauf verwiesen, daß 
ich bei 13 von insgesamt 197 Bewerbern Zweifel hatte, ob 
diese Bewerber die Gewähr dafür bieten, entsprechend dem 
gesetzlichen Gebot jederzeit für die freiheitlich-demokra 
tische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der 
Verfassung von Berlin einzutreten. 
Die zu der Wahrnehmung dieser gesetzlichen Verpflich 
tung und nach Einzelfallprüfung noch notwendig geworde 
nen acht Einzelgespräche sollten den Bewerbern Gelegen 
heit geben, die entstandenen Zweifel auszuräumen. Die Ge 
spräche bezogen sich daher auf alle Aspekte, die geeignet 
erschienen, dem Bewerber dieses zu ermöglichen und sol 
chermaßen mir Sicherheit für meine Entscheidung zu ver 
mitteln. Die Tatsache, daß die Einzelgespräche bei drei Be 
werbern zu dieser Sicherheit führten und die Zweifel aus 
geräumt wurden, spricht dafür. 
Nun zu Ihren fünf Fragen. Die erste Frage beantworte 
ich mit Ja. 
Ihre zweite Frage: Die veröffentlichten sogenannten Ge 
dächtnisprotokolle über die Einstellungsgespräche mit Be 
werbern geben Inhalt und Ablauf der Gespräche weder 
korrekt noch vollständig wieder. Vielmehr bezogen sich 
diese Gespräche auf alle Aspekte, die geeignet sind, die 
Zweifel der Behörde auszuräumen und ihr größtmögliche 
Sicherheit für die Entscheidung zu vermitteln. Die von 
Ihnen zitierten Fragen haben sich im Laufe des Gesprächs 
ergeben, um über die Person eines Gesprächsteilnehmers 
und dessen Glaubwürdigkeit einen abgerundeten Eindruck 
zu vermitteln. Im übrigen ist niemand nach Fernsehsen 
dungen gefragt worden, sondern ein Gesprächsteilnehmer 
hat von sich aus auf Sendungen hingewiesen. 
Zu Ihrer dritten Frage: Trifft es zu, daß die Teilnehmer 
an den Einstellungsgesprächen den Kandidaten nicht vor 
gestellt worden sind? — Die Gesprächsteilnehmer wurden 
vom Gesprächsleiter, der sich namentlich vorstellte, mit 
Handschlag begrüßt und verabschiedet. 
In Ihrer vierten Frage fragen Sie nach Protokollen. Ich 
darf antworten; Vor einem Einstellungsgespräch dieser 
Art ist kein bestimmtes förmliches Verwaltungsverfahren 
vorgesehen. Es ist der Behörde freigestellt, ob und in wel 
cher Form sie sich von dem Gespräch Aufzeichnungen 
macht. Selbstverständlich steht es auch jedem Beteiligten 
zu, sich Notizen zu machen. Davon ist auch von den Ge 
sprächsteilnehmern Gebrauch gemacht worden und auch 
von Vertretern des Personalrats, die anwesend waren. Je 
der Bewerber erhält eine Entscheidung am Ende des ge 
samten Verfahrens. Im negativen Fall erhält er eine aus 
führliche Begründung, die die Entscheidung der Verwal 
tung bzw. des Senators für Schulwesen mit Rechtsmittel 
belehrung enthält. Dann stehen dem Bewerber alle ge 
gebenen rechtlichen Möglichkeiten offen. In den letzten 
Tagen sind von allen fünf Bewerbern ohne Begründung 
Widersprüche beim Senator für Schulwesen eingelegt wor 
den. 
Zu Ihrer fünften Frage: Mit welcher Begründung hat der 
Senator für Schulwesen die Teilnahme etwa eines Rechts 
anwalts verweigert? Antwort: Durch das Einstellungs 
gespräch sollte dem Bewerber Gelegenheit gegeben wer 
den — ich wiederhole mich hier —, bestehende Zweifel an 
seiner Eignung im Sinne des Artikels 33 des Grundgesetzes 
auszuräumen. Zur Eignung im beamtenrechtlichen Sinne 
gehört, daß der Bewerber die Gewähr bieten muß, jederzeit 
für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutre 
ten. Die Klärung von Zweifeln daran ist nur in einem Ge 
spräch möglich. Sobald diese Zweifel vorhanden sind, muß 
ein Bewerber seine persönliche Auffassung zu diesen 
Grundfragen unserer staatlichen Ordnung selbst vertreten, 
ohne daß ein Dritter darauf unmittelbar Einfluß nehmen 
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