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Volume Nr. 70, 28.03.74

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1974/75, 6. Wahlperiode, Band IV, 66.-93. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
70. Sitzung vom 28. März 1974 
An fünf Teilgebieten der komplexen Materie möchte ich 
unsere Position erläutern. Vor einem Jahr, genau am 
5. April, wurde auf eine Große Anfrage der F.D.P. vom 
Senat sehr ausführlich dargestellt, daß der Referentenent 
wurf des Landeskrankenhausgesetzes fertig sei, und wie 
sorgfältig er seit 1971 vorbereitet worden wäre. Von den 
Leitlinien dieses ersten Entwurfes sind einige wesentliche 
Elemente der Organisation des Gesundheitswesens auf 
höherer Ebene — leider — verlorengegangen: daß dabei 
auch ein Stückchen Mitbestimmungsideologie ins Wasser 
fiel, freut uns natürlich. Im einzelnen möchte ich zu den 
fünf Punkten ganz kurz folgendes sagen; Der Ansatz zur 
Zentralisierung, die Zusammenfassung von Aufgaben des 
Gesundheitswesens in der Hauptverwaltung wurde ge 
opfert, um jedem Bezirk seinen Anteil zu belassen. Die 
provinzielle Idylle, die Zersplitterung Berlins in die zwölf 
Bezirke, aus denen Berlin-West einmal zusammenwuchs, 
soll erhalten bleiben. Hier vertut man die einmalige Chance, 
ein neues Gesetz mit einer grundsätzlich neuen Konzeption 
der Gliederung zu beginnen, und zwar aus für uns im 
Grunde genommen uneinsehbaren Gründen. Oder könnte 
es sein, daß parteipolitische Rücksichtnahmen hier gewisse 
antiquierte Formen des Bezirksegoismus erfordern? Es 
können ja auch Erinnerungen an die große Koalition sein, 
oder ist es, wie wir heute sehr deutlich gehört haben, schon 
die Vorausschau auf neue Entwicklungen ? 
Verwiesen sei in diesem Zusammenhang nur auf das 
jahrzehntelange, teilweise blamable Gerangel um die 
Unterbringung des Instituts für Perinatale Medizin, 
erinnert an die peinlichen Auseinandersetzungen um die 
Neubesetzung der Stelle des Chefs der Karl-Bonhoeffer- 
Heilstätten. Dort ist tatsächlich kein Ruhmesblatt für 
bezirkliche Selbstverwaltung geschrieben worden. 
Wie steht es mit der Durchsetzung von Hygienevor 
schriften? — Darum geht es uns ja auch immer wieder 
bei Fragen der zentralen Verwaltung der Berliner Kran 
kenhäuser. Wir haben vor Jahren darauf hingewiesen, daß 
wir hier auf eine Überwachung des Krankenhauswesens 
von der Zentrale aus dringen. Jetzt beißen in Schöneberg 
den letzten die Hunde. Sie können Hospitalismus in Kran 
kenhäusern nicht mit den Mitteln des Rechtsamtes aus 
räumen. Versagt hat hier die Gesundheitsverwaltung des 
Senats. Ansätze zu einer echten überbezirklichen Steue 
rung, wie sie uns vom Senator angedeutet worden sind, 
lassen sich nicht erkennen. 
Einige Bemerkungen zu den Rechtsfragen des Entwurfs 
im engeren Sinne: Gab es Alternativen dazu? — Gewiß! 
Was aber im Vorblatt zu diesem Gesetz als Alternative 
geboten wird, ist eine sprachliche und begriffliche Zumu 
tung; das muß man direkt auf der Zunge zergehen lassen. 
Das Wort „global“ ist in der Vergangenheit zu oft miß 
braucht worden, als daß man es ohne Zwang in einer 
solchen Sache nochmal anwenden sollte. 
Wir vermissen klarere Kriterien für die Bedarfsermitt 
lung, aber schon im Gesetz, nicht erst später, für die 
Regel —, für die Zentral- und für die Maximalversorgung. 
Wo ist der Planungsbeirat geblieben aus dem ursprüng 
lichen Entwurf von Wolters? Will man gleich von vorn 
herein die Sachkunde des früher vorgesehenen Personen 
kreises ausschalten? — Dem Krankenhausfinanzierungs 
gesetz des Bundes wird hier an mehreren Stellen — ins 
besondere im § 7 — nicht Genüge getan. Und allein zum 
Begriff der „wesentlich Beteiligten“ könnte ein gesonder 
ter Debattenbeitrag erfolgen, aber das würde leider zeit 
lich zu weit gehen. 
Ist es nicht direkt grotesk, daß die Beratung des Kran 
kenhausbedarfsplanes gar nicht in die Kompetenz des 
neuen Krankenhausbeirats gehört? — Sie ist dort nicht 
vorgesehen! Von den beschränkten Funktionen von Bei 
räten in dieser Stadt haben wir ja unjüngst im Kreisel 
nusschuß einiges sehr deutlich zur Kenntnis nehmen dür 
fen. 
Das Eigenbetriebsgesetz fordert in seinem § 11 — und 
bas ist ja vorgesehen für die künftige Verwaltung der 
Krankenhäuser auf der Bezirksebene —, daß die Eigenbe 
triebe einen Gewinn erzielen müssen, das heißt also Zwang, 
Pflicht zur Gewinnerzielung. Ist diese Regelung nicht für 
Krankenhäuser sehr problematisch? Zumindest aber pro 
blematisch für Teilbereiche: ich denke an die Geburtshilfe 
unter dem Gebot des § 218 bis hin zur Pathologie! Wo 
wollen Sie da Gewinn erzielen ? Hier hätte man doch, wenn 
man schon diese unglückliche Bindung an das Eigenbe 
triebsgesetz eingehen will, sich wenigstens gründlich der 
Mühe unterziehen müssen, die Bestimmungen der Wirt 
schaftsführungen neu zu konstruieren. Die Zweifel an 
diesem Gesetz, die erkennbaren Fehler, die Monita lassen 
sich aufreihen wie Glieder einer Kette. 
Für die Zusammenarbeit zwischen dem Krankenhaus und 
den praktizierenden Ärzten — sehr gelobt hier zu meiner 
Überraschung — könnte ein neues Krankenhausgesetz 
natürlich auch neue Wege weisen oder zumindestens ebnen; 
aber die mögliche Mitwirkung eines niedergelassenenen 
Arztes in der Krankenhauskonferenz, das ist ein zu billiger 
Ausweg als Lösung. Wir wiederholen an dieser Stelle 
unsere Vorschläge in der Hoffnung, daß vielleicht häufiges 
Vorbringen, steter Tropfen den Stein höhlt. In Stichworten 
nochmals das, was wir schon mehrfach angeregt haben: 
Mehr Fachärzte in selbständiger Position in Dauerstellung 
in die Krankenhäuser, Nebentätigkeitsgenehmigungen für 
diese Fachärzte in ambulanter Kassenpraxis, Arbeitsmög 
lichkeiten für Belegärzte spezieller Fachrichtungen in den 
Krankenhäusern. Solche funktionierenden Konzeptionen 
gibt es, nicht nur in Deutschland, schon an anderen Stellen. 
Wo bleibt denn im Senatsentwurf die angekündigte Ver 
zahnung mit den anderen Trägern der Gesundheitssiche 
rung? Der Senat hatte noch im Dezember erklärt, daß man 
„offen sei für grundlegend neue Konzeptionen“: wir sehen 
aber nichts davon. 
Wie steht es viertens um die Zuständigkeit der Ärzte im 
Krankenhaus, um die Möglichkeit, in den Entscheidungs 
gremien Verantwortung zu tragen ? 
Ich habe in einer früheren Debatte hier einmal gesagt, 
daß die neue Krankenhausstruktur — so, wie sie uns da 
mals angekündigt war — gegenüber der Macht der Ver 
waltung und des Bezirksamtes die Mitwirkungsmöglichkeit 
eines Arztes schon fast als störend ansieht: nur Mitwir 
kung wohlgemerkt, von Mitbestimmung kann dabei ohne 
hin keine Rede sein. Welche Umkehr aller Vorstellungen 
auf diesem Gebiet! Parität erscheint hier nur noch als 
Fata Morgana. 
Der Zusammensetzung der Krankenhauskonferenz in 
dieser Form können wir auf keinen Fall zustimmen. Zwei 
Stadträten und drei Bezirksverordneten stehen drei Dienst 
kräfte des Krankenhauses gegenüber, von denen keiner 
Arzt sein muß. Ich glaube, das ist etwas zu wenig für ein 
Krankenhaus. 
Vergleicht man diese personelle Zusammensetzung mit 
dem Aufgabenkatalog der Krankenhauskonferenz, dann 
vermag man den Vorstellungen des Senats nun überhaupt 
nicht mehr zu folgen. Dieses Gremium soll zum Beispiel 
entscheiden über Bestellung und Abberufung der Kran 
kenhausleitung, der Abteilungsleiter usw., der Weiter-, 
Port- und Ausbildungsmaßnahmen. In welcher Institution 
der Verwaltung, der Wirtschaft oder wo auch immer 
würde man es wagen, den Sachverstand der in erster Linie 
Verantwortlichen so rigoros auszuschalten wie in dieser 
Konzeption? Schrecken denn nicht die bösen Vorbilder der 
Universitätskrankenhäuser ? Waren alle Anhörungen, waren 
alle Eingaben umsonst, müssen die gleichen Fehler immer 
wiederholt werden, nur um hier einem modischen Trend 
zu folgen ? 
(Abg. Hannemann: Gehört doch in den Ausschuß, 
das ist doch schrecklich!) 
Diese Unterrepräsentation der Ärzte wird auch nicht da 
durch ausgeglichen, daß die Mitglieder der Krankenhaus 
leitung an der Krankenhauskonferenz teilnehmen können. 
Sie sind „berechtigt" und „verpflichtet“, ihre „Ansicht dar 
zulegen“: abstimmen, mitgestalten dürfen sie nicht. Sie 
können nur begrenzt mitwirken, ganz gewiß aber werden 
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