Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
69. Sitzung vom 14. März 1974
die von Ihnen angeführten Punkte — zu einer Interpreta
tion, weil die Texte einwandfrei und klar sind. Wenn dieses
strittig ist, sollten wir das miteinander tun, und ich lade —
ja hier nicht, aber vielleicht anderswo — ein, daß man
dann die Mittel einer Zwischenfrage dazu benutzt; ich bin
gerne bereit, meine Information, meine Meinung dazu zu
geben; solange dies nicht geschieht, muß ich behaupten,
daß die etwas vage und diffuse Diskussion um Unklarhei
ten im Abkommen, um graue Zonen, auch was Herr
Moersch bezeichnet hat — bei allem Respekt vor den
Freien Demokraten, auch ein F.D.P.-Mann kann sich mal
irren — —
(Abg. Lummer: Der Kanzler auch? —
Heiterkeit bei der SPD)
— Nein, nein; der Kanzler ist in der Sache sehr präzis
gewesen; ein solches Zitat möchte ich mir gerne noch ein
mal ansehen, wie Sie es hier gefunden haben.
(Abg. Wronski: Wann war das, präzise?)
Ja, in dieser Frage ist er Da sind Sie ja schon
überzeugt in diesem Punkte. Wir freuen uns ja schon, daß
wir schrittweise aufeinanderzumarschieren.
(Abg. Wronski: Sehr gut!)
Ich gehe jetzt davon aus, daß also diese These der Unklar
heiten im Abkommen keine Thesen sind, die wir hier unter
uns aufrechterhalten sollen, und ich appelliere in dem
Sinne ja nur an die Kolleginnen und Kollegen der CDU, ob
das eigentlich wirklich notwendig ist, um Opposition zu
machen, ob man nicht darauf verzichten kann. Ich finde
nur noch die einzige Erklärung darin in der Möglichkeit,
die ja jede Opposition haben muß, eben alles auszuschöp
fen. Dies halte ich für nicht ergiebig genug für die Inter
essen unserer Stadt.
Darf ich als letztes sagen; Die Meinungsverschiedenhei
ten mit Bonn, die lange Liste, die dort aufgestellt ist, die
lange schon zurückreicht, und was man da alles schon für
Schwierigkeiten gehabt hat: Ich mache kein Hehl daraus,
daß es in dem einen oder anderen Punkte in der Tat auch
Schwierigkeiten in der Verständigung, aber auch Schwie
rigkeiten in der Meinungsbildung gegeben hat — da mag
es mehrere Gründe geben —; nur bleibe ich dabei — weil
Sie, Kollege Lorenz, das hier nochmal freundlicherweise
aus dem „Spandauer Volksblatt“ zitiert haben —, immer,
wo wir uns gestritten haben — bis auf den einen Fall mit
dieser bulgarischen Fluglinie, den ich auch für wichtig
halte —, in den eigentlich wirklichen Fällen, wo wir Mei
nungsverschiedenheiten hatten, haben wir nach teilweise
mehr intern-heftigem als äußerlich-deutlichem Austausch
von Argumenten uns durchgesetzt als Berliner Senat und
auch — wenn Sie das so wollen — als Berliner Sozialdemo
kraten. Und dies deshalb, weil alles in allem wir doch da
von ausgehen können — Sie werden da Nein sagen, aber
ich bin davon überzeugt —, daß wir es mit einer Bundes
regierung zu tun haben, mit der wir keinen Streit haben
wie in früheren Jahren über die Zuschüsse für dieses Land,
die finanziellen Erfordernisse im Innern, und weil wir es
mit einer Bundesregierung zu tun haben, die eben doch —
letzten Endes auf den letzten Punkt immer gebracht —
diese Stadt zu dem zentralen Punkt ihrer Entspannungs
politik gemacht hat und an dieser Stadt auch sich in Zu
kunft testen läßt, ob sie erfolgreich ist mit dem Bemühen
um Abbau von Spannung und Sicherung von Frieden; und
ich halte dieses für ein ungeheures Positivum, und ich
werde mich bemühen, auch in Zukunft dafür einzutreten,
daß diese Bundesregierung, so wie sie jetzt ist, in Bonn
auch über 1976 erhalten bleibt; dasselbe gilt auch für uns
hier in Berlin.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Sickert: Das Wort hat Herr Abgeordneter Lo
renz.
Lorenz (CDU): Herr Präsident! Herr Regierender Bür
germeister! Ich verstehe ja, daß Sie es schwer haben.
(Zuruf von der SPD: Nee! —Heiterkeit bei der SPD)
Es steht fest, daß nicht nur die Berliner Bevölkerung, son
dern nach den letzten Umfragen die große Mehrheit der
deutschen Bevölkerung über die Ergebnisse der Ost- und
Deutschland-Politik dieser Bundesregierung enttäuscht ist.
Das wissen Sie auch ganz genau;
(Frau Abg. Renner; Das predigen Sie doch immer!)
und jetzt ist es natürlich nicht so einfach, davon abzulen
ken, möglichst von den Fakten wegzudiskutieren und hier
so durch Gegenbehauptungen das eine oder andere in die
Welt zu setzen, um das negative Ergebnis ein bißchen zu
verwischen. Nur werden natürlich Ihre Behauptungen, Herr
Regierender Bürgermeister, deshalb nicht richtiger, etwa
wenn Sie sie mehrfach wiederholen, ich hätte zu irgend
einem Zeitpunkt hier vom Podium aus den Kollegen Lum
mer gerügt, weil er irgend etwas über „Grauzonen“ gesagt
hat — davon kann gar keine Rede sein —,
(Abg. Schwarz; Aber angekündigt!)
zum Beispiel, daß wir wüßten, daß unsere Freunde da in
Bonn von der CDU/CSU-Fraktion ganz andere Meinungen
vertreten; mir ist davon nichts bekannt,
(Bm Neubauer: Das ist ja das Schlimme!)
ich werde mich gerne nochmal informieren.
(Heiterkeit bei der SPD)
— Nein, das Schlimme ist, daß Sie so etwas einfach be
haupten, Herr Bürgermeister, ohne daß es dafür auch nur
den Schatten eines Beweises gibt.
Und dann die Behauptung, wir hätten unsere Meinung
in bezug auf das Viermächte-Abkommen hier dauernd ge
ändert, mal hätten wir ja gesagt, mal hätten wir nein ge
sagt, dann wieder ja, dann wieder nein.
(Zuruf von der SPD: Das stimmt doch!)
Wissen Sie, nun ist das ja Gott sei Dank so, daß man
genau nachlesen kann, was wir gesagt haben, das steht ja
in den Protokollen dieses Hauses,
(Zurufe von der SPD: Eben!)
und bei der Besprechung des Viermächte-Abkommens
haben wir einen Resolutionsentwurf eingebracht, der in
mehreren Punkten ganz genau unsere Stellungnahme be
inhaltet, der Ihrem Resolutionsentwurf gegenübergestellt
worden ist. Ich darf nochmal erklären: Hier in diesem
Hause ist niemals über das Viermächte-Abkommen abge
stimmt worden, also konnte man weder zustimmen noch
ablehnen, sondern hier sind Entschließungen angenommen
worden — oder zur Debatte gestellt worden —, die nun zu
dem Inhalt des von uns nicht zu verantwortenden Vier
mächte-Abkommens der Vier Mächte Stellung nehmen.
Und da haben wir ganz präzise gesagt, was wir dazu mei
nen, daß das ein tragbarer Kompromiß ist, der Vorteile
hat, leider auch Nachteile mit sich bringt. Und darauf
haben wir in allen Besprechungen über die Folgen, über die
Ausfüllungen, über die Praktiken — insbesondere von der
anderen Seite — immer wieder hingewiesen. Ich habe neu
lich noch einmal in einer Debatte einer Formulierung des
Kollegen Haus zugestimmt, daß das eine schwierige Sache
sei mit dem Viermächte-Abkommen — sinngemäß —, aber
ein tragbarer Kompromiß, von dem aus wir jetzt hier un
sere Politik machen müssen. Und da lassen wir uns nicht,
Herr Regierender Bürgermeister, einreden, daß wir mal so
und mal etwas anderes sagen; das kann man hier leicht
behaupten, das Gegenteil ist aus den Protokollen dieses
Hauses nachzuweisen.
(Beifall bei der CDU)
2702