Abgeordneteimaus von Berlin - 6. Wahlperiode
68. Sitzung vom 28. Februar 1974
zum Beispiel ihren Werkunterricht im Jugendwerkheim
durchführen. Wir halten es auch nicht für erforderlich, daß
in den Bezirken der zuständige Schulrat für Sonderschulen
jetzt unbedingt selbst eine Sonderschullehrerausbildung
besitzen muß. Sie sehen wahrscheinlich hierbei auf die
Flächenstaaten, wo eine solche Forderung sicherlich eine
gewisse Berechtigung hat — das sehen wir auch ein. Aber
es ist in Berlin nicht notwendig, wo man sich jederzeit
vom Sonderschulleiter in allen wichtigen Fragen beraten
lassen kann.
Wir haben auch etwas gegen die Isolierung von seelisch
behinderten Kindern, wie sie in Ihrer Forderung zum Aus
druck kommt, möglichst frühzeitig schon spezielle Klassen
— Beo-Klassen — für seelisch behinderte Kinder zu schaf
fen. Auch dagegen haben wir etwas, denn wir sind der
Auffassung, man sollte gerade diese Kinder möglichst nicht
isolieren und auf alle Fälle nicht schon so frühzeitig iso
lieren.
Zusammengefaßt, meine Damen und Herren, ohne den
Beratungen in den einzelnen Ausschüssen und speziell im
Fachausschuß vorgreifen zu wollen: Wir finden, daß mit
diesem Antrag offene Türen eingerannt werden. In ver
schiedenen Dingen ist dieser Antrag sogar ein Stoß ins
Leere, weil die hier vorgetragenen Forderungen in wesent
lichen Punkten schon akzeptiert und in nicht unerheblichem
Maße realisiert sind. — Schönen Dank für Ihre Auf
merksamkeit !
(Beifall)
Stellv. Präsident Dr. Schönherr: Das Wort hat der Abge
ordnete Wahl.
Wahl (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Her
ren! Im Interesse der Sache und im Interesse des betroffe
nen Personenkreises möchte ich hier nicht etwa in einen
Streit eintreten um ein Erstgeburtsrecht -—■ oder wer zuerst
dagewesen ist. Der Kollege Wischner hat ja schon darauf
hingewiesen, daß meine Fraktion vor längerer Zeit zu
diesem Problemkreis im Zusammenhang mit dem Behin
dertenbericht einen Antrag gestellt hat. Ich möchte aber
an Hand ihrer Fleißarbeit, dieser katalogisierten Aufzäh
lung von Schlag- und Fachworten hier ein ganz klein
bißchen Betrübnis darüber äußern dürfen, daß die CDU-
Fraktion, die sich ja, wie diese Fleißarbeit ausweist, sehr
lange und sehr intensiv mit dieser Materie beschäftigt hat,
nicht schon bei den Beratungen unseres Antrages im Aus
schuß sich etwas mehr auch für diese Sache eingesetzt hat.
(Frau Abg. Schneider; Aber das ist eine ganz
unerhörte Unterstellung!)
Ich hoffe aber — und ich bin gerne bereit dies zuzu
geben —, daß eine derartige Katalogisierung natürlich auch
Vorteile hat. Wir haben bei unserem Antrag einige Punkte
nicht genannt, die Sie jetzt im Rahmen Ihrer beinahe
vollständigen Aufzählung — möchte ich sagen —- aufge
führt haben. Das muß nicht unbedingt heißen, daß wir
diese Punkte vergessen haben oder nicht berücksichtigt
wissen wollten. Wir waren von vornherein der Meinung,
daß das Setzen von Schwerpunkten — Herr Wischner hat
ja angesprochen, daß es notwendig sei — und eine Reihen
folge dieser Schwerpunkte erst im Ausschuß erarbeitet
werden sollte. Deshalb waren wir der Meinung, daß man
das mit einem Antrag, der einige dieser Punkte beinhaltet,
vorziehen kann. Wir sind deswegen erfreut, daß jetzt der
Antrag der CDU uns die Gelegenheit geben wird, im Inter
esse der Sache
(Abg. Wronski: Fleißarbeit!)
und für die betroffenen Personen bei der weiteren Be
ratung vielleicht noch mehr rauszuholen, als es allein durch
unseren Antrag möglich gewesen wäre.
(Beifall bei der F.D.P.)
Präsident Sickert: Das Wort hat Herr Abgeordneter
Wischner.
Wischner (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Nur ein paar Worte: Herr Kollege Hiersemann,
ich muß in aller Deutlichkeit Ihren Versuch zurückwei
sen, uns die Schuld dafür zu geben, daß die Frage der
Behinderten in der letzten Zeit nicht erörtert wurde. Sie
wissen ganz genau — und wenn Sie etwas anderes behaup
ten, so tun Sie das wider besseres Wissen —, daß die
Tagesordnung im Jugendausschuß nur in einheitlicher Ab
stimmung zwischen den Fraktionen erstellt wird; und
wenn Sie so wollen, dann haben Sie genauso mit daran
schuld. Wenn Sie sich dazu bekennen würden, wäre ich
sehr dankbar.
Aber nur noch ein paar Worte zum Inhaltlichen: Ich habe
den Eindruck, Sie haben den Antrag unter dem Motto
behandelt: Entweder wir haben alles, oder wir haben alles
dagegen! — Sie haben vieles in der Planung. Bloß wenn
Sie sich zum Beispiel die gegenwärtige Vorlage über die
Kinderzentren ansehen und sie dann mit Ihren Behaup
tungen über die Integration überprüfen, dann müßten Sie
Ihre Worte sehr schnell zurücknehmen. — Ich danke Ihnen!
(Beifall bei der CDU)
Präsident Sickert: Das Wort hat Frau Abgeordnete
Schneider.
Frau Schneider (CDU): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Ich möchte nicht allzuviel zu diesem Thema
sagen, aber ich möchte mich als eines der ältesten Mit
glieder hier im Hause einmal dagegen verwahren, daß
man einen Stil einreißen läßt, der alles zerpflückt und in
Grund und Boden vernichten möchte, was von der
Opposition kommt.
(Abg. Wronski: Sehr richtig!)
Dieser Antrag ist uns so ernst. Wir haben lange Zeit dafür
verwandt, einen Stufenkatalog aufzustellen, der nicht uns
für die Zukunft helfen soll, sondern gerade den Ärmsten
der Armen, den geistig und körperlich Behinderten. Und
ich kann es nur bedauern — es tut mir leid, ich bin sehr
erregt darüber —, daß man in solcher Art und Weise ver
handelt und nur von „Schaufensteranträgen“ spricht und
von „Fleißarbeit“, die eine Fraktion zustande gebracht hat.
(Abg. Brinckmeier: Hat doch keiner gemacht! —
Abg. Wronski: Alles Miesmacherei! —
Beifall bei der CDU)
Präsident Sickert: Meine Damen und Herren! Ich habe
keine Wortmeldungen mehr. Ich schließe die Beratung.
Der Ältestenrat empfiehlt, den Antrag an den Ausschuß
für Familie, Jugend und Sport — federführend —, an den
Ausschuß für Gesundheit und Umweltschutz, an den Aus
schuß für Schulwesen, an den Ausschuß für Arbeit und
Soziales sowie an den Hauptausschuß zu überweisen. Wer
diesen Überweisungen seine Zustimmung zu geben
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke, das
ist so beschlossen.
Zu lfd. Nr. 23 möchte ich Ihnen mitteilen, daß die antrag
stellende Fraktion ihren Antrag über ärztliche Meldepflicht
bei körperlich und geistig behinderten Kindern — Druck
sache 6/1279 — mit Schreiben vom 27. Februar 1974 zurück
gezogen hat.
(Abg. Kayser: Nanu!)
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