Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
92. Sitzung vom 23. Januar 1975
hält oder nicht, ob sie sich hier umweltfreundlich verhält
oder ob sie die Luft verschmutzt. Das ist eine Frage der
Geschäftspolitik der Bewag, und ich frage mich für meine
Fraktion weiter: Was denn in aller Welt haben die Senats
mitglieder im Aufsichtsrat der Bewag zu tun, wenn nicht
die Interessen der Öffentlichkeit wahrzunehmen ?
(Beifall bei der CDU)
Dazu brauchen sie keine Weisungen, das müssen sie aus
eigenem Antrieb tun. Das haben sie nicht getan. Sie haben
in der Bewag versagt, wie wir beklagen müssen und be
klagt haben, daß sie an anderen Stellen versagt haben. Die
Quittung werden Sie, so hoffen wir, auch bekommen. —
Ich danke Ihnen!
(Beifall bei der CDU)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete
Bodin.
Dr. Bodin (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Herr Kollege Luster! Es tut mir leid, daß Sie sich
jetzt eben so erregt haben. Ich bin der Meinung, die sach
liche Erörterung dient der Klärung des Problems viel
mehr. Wenn Sie einmal bedenken, daß der Senat vier Auf
sichtsratsmitglieder von 21 hat, dann werden Sie fest
stellen, daß mit dieser „Mehrheit“ natürlich jeder Beschluß
ohne weiteres durchzusetzen ist.
Dann kommt dazu noch folgendes: Die Bewag hat ja
doch wahrscheinlich — ich bin kein Fachmann, ich kenne
die Situation nicht — aus bestimmten Gründen, die ihr
einen Erfolg in einem Prozeß versprechen, diese ent
sprechenden Auflagen nicht erfüllt, entweder aus techni
schen Gründen oder aus dem Grund, daß sie sagt, sie hat
diese Auflagen nicht nötig, weil auch so eine entsprechende
Abhilfe erfolgt — und nun kommt es sehr auf den Begriff
an, ob ich von einer „Belastung“, von einer „Verschmut
zung“, von einer „Verseuchung“ oder von einer „Ver
pestung“ spreche. Denn hier kommt es auf den Grad an.
Und solange wir immer noch hören, daß erst eine Be
lastung da ist — die ja kein Mensch in Abrede stellt —,
ist es doch etwas anderes für die Rechtssituation. Denn
Sie stellen so, wie Sie das ganze hier dargelegt haben,
jede Rechtsstaatlichkeit in Frage, wenn Sie sagen, da darf
nicht prozessiert werden. Wenn eine Notsituation eintritt,
ist die Bewag in der Lage, auf das 0,6prozentige Heizöl
umzuschalten. Und wenn eine Notsituation eintritt, dann
kann auch die Gesundheitsverwaltung entsprechend ein-
greifen. Solange diese Notsituation aber nicht eingetreten
ist, besteht doch gar kein Grund, den rechtsstaatlichen
Ablauf der ganzen Aktion in Frage zu stellen. Wir sind ja
selbst die meist Interessierten, da wir annehmen, wenn ich
das jetzt sage als Spandauer, daß wir wahrscheinlich beim
Kraftwerk Oberhavel auch eine entsprechende Verstärkung
der Anlage bekommen werden und diese Problematik dann
auch für uns eine Rolle spielt. Wir sind der Meinung, daß
hier zwei Sachen miteinander vermengt sind. Es wird der
Begriff der Verseuchung einfach in den Raum gestellt,
ohne ihn zu belegen — er ist nämlich nicht zu belegen —,
und der andere Weg, der Rechtsweg, so wird es dargestellt,
darf nicht ablaufen, weil eine Gefahr übergeordneter Natur
da ist. Und die ist nicht da. Und deshalb sind wir der Mei
nung, daß die Antwort des Senats in der gegenwärtigen
Lage durchaus befriedigend ist. Wenn wir wissen, daß alle
Maßnahmen durchgeführt werden, die mit dem Meßsystem
uns dann die Auskunft geben werden, ob wir bei diesem
Heizöl, das jetzt verwendet wird, bleiben können, ob der
technische Stand der Entschwefelungsanlagen so ist, daß
er das gewünschte Ziel erreicht, dann werden die ent
sprechenden Konsequenzen auch gezogen, da können Sie
sicher sein.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete
Wahl.
Wahl (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Bei meiner vorigen Wortmeldung habe ich darum
gebeten, daß der Senator für Gesundheit und Umwelt
schutz Meßergebnisse der Immissionen bekannt gibt. Es
wird hier immer wieder davon geredet, daß Auflagen über
die Konzentration des Heizöls eingehalten werden und alle
möglichen anderen Dinge. Das betrifft den Emissions
pegel, und der ist uninteressant. Da der Senator für Ge
sundheit und Umweltschutz den hier genannten Zahlen
der Immissionen nicht widersprochen hat, muß ich diese
hier genannten Zahlen als wahr und richtig unterstellen
und demzufolge feststellen, daß die zur Zeit gültigen Ge
setze nicht eingehalten werden und die Art der Beantwor
tung der Großen Anfrage der CDU-Opposition der Versuch
einer Ausflucht ist. Auf jeden Fall ist die Anfrage nicht
richtig beantwortet, und die Situation, in der wir uns im
gegenwärtigen Zeitpunkt befinden, kann nicht in Ordnung
sein, wenn den Meßwerten, die hier vorhin genannt wor
den sind, nicht widersprochen wird. Die richtigen, echten
Meßwerte müssen hier auf den Tisch gelegt werden.
(Beifall bei der F.D.P.)
Präsident Sickert: Das Wort hat Herr Senator Pätzold.
Pätzold, Senator für Gesundheit und Umweltschutz:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Erstens liegt mir daran festzustellen, daß durch das Bun
desimmissionsschutzgesetz zwar eine Reihe neuer Rege
lungen getroffen worden ist, daß dies aber die Zuständig
keitsabgrenzung zwischen dem Senator für Arbeit und
Soziales und dem Senator für Gesundheit und Umwelt
schutz da nicht berührt, wo es nach wie vor um die Wahr
nehmung von umfassenden Befugnissen geht, die man
herkömmlicherweise als Gewerbeaufsicht bezeichnet. In
sofern hat es also keinen Zweck, aufgrund einer neuen
Gesetzesüberschrift hier begehrlich nach einem anderen
Senator Ausschau zu halten. Es hat der in jeder Weise
zuständige Senator geantwortet.
Zweitens: In Frage 5 der Großen Anfrage der CDU ist
nach der Gesundheitsaufsicht gefragt worden. Senator
Liehr hat in seiner Antwort für den Senat insgesamt das
dazu Notwendige gesagt, aber ich ergänze gerne, daß die
Gesundheitsaufsicht zunächst beim Bezirksamt Steglitz
und bei dem dafür verantwortlichen Stadtrat liegt und daß
sich die Befugnisse des Gesundheitssenators darauf be
ziehen, wenn es dort nicht funktioniert, wie bei allen an
deren übertragenen Vorbehaltsaufgaben einzuschreiten.
Einen solchen Grund zum Einschreiten gegenüber dem
dortigen CDU-Gesundheitsstadtrat habe ich nicht gesehen,
denn auch er hat offenbar keine Gesundheitsgefährdung
konkret unterstellt. Dabei lasse ich das etwas schwierige
Problem beiseite, daß hier die Abgrenzung zwischen Ge
sundheitsaufsicht einerseits und den neu entstandenen,
breiteren Umweltschutzzuständigkeiten andererseits auf
wirft, aber nicht vertieft zu werden braucht.
Präsident Sickert; Gestatten Sie eine Zwischenfrage? —
Herr Abgeordneter Boroffka!
Boroffka (CDU): Herr Senator, muß ich das, was Sie
soeben ausführten, so verstehen, daß zukünftig zum Bei
spiel die Meßwerterfassung und die Meßwertauswertung
Aufgaben der Bezirksämter sind ?
Pätzold, Senator für Gesundheit und Umweltschutz:
Nein, das müssen Sie natürlich nicht so verstehen, Herr
Abgeordneter Boroffka; Sie haben mich nur nicht ausreden
lassen; ich wollte das ja gerade zum Ausdruck bringen,
daß die unmittelbare Zuständigkeit behördenmäßig beim
Bezirksamt liegt, daß aber beispielsweise die Meßaufgabe
zentral beim Senator für Gesundheit und Umweltschutz
liegt;
(Zuruf von der CDU)
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