Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
92. Sitzung vom 23. Januar 1976
nicht juristisch, sondern soziologisch-psychologisch zu ver
stehen, bei Senat und SPD-Fraktion verfangen hat. Dafür
hat die CDU kein Verständnis; denn wer gesetzwidriges
Verhalten als sozialwissenschaftlich richtig deklariert, der
hebt unseren Rechtsstaat aus den Angeln und macht sich
zum unerbittlichen Feind unserer parlamentarisch-reprä
sentativen Demokratie. Außerdem: Was nützen die schö
nen Worte des Universitätspräsidenten, wenn sie die für
die Einhaltung der Gesetze zwingend erforderlichen Taten
vermissen lassen! Wieviel glaubwürdiger wäre der Univer
sitätspräsident, wenn er seinen Beteuerungen gemäß ge
handelt hätte und wenn seine Worte nicht erkennbar den
Makel der Unwahrheit getragen hätten! — So erklärte der
Universitätspräsident im Pressedienst der Technischen Uni
versität zu den Vorfällen vom 9. November 1973, der Ver
sammlungsleiter habe offensichtlich die Tätlichkeiten nicht
verhindern können; die von diesem ergriffenen Maßnahmen
seien erfolglos geblieben. Und dies verbreitete der Universi
tätspräsident, obwohl ihm durch mindestens fünf Zeugen
aussagen — darunter auch von mindestens einem seiner
Mitarbeiter — bekannt sein mußte, daß der Versamm
lungsleiter nicht nur überhaupt keine Maßnahmen zur Ver
hinderung der Tätlichkeiten ergriffen hatte, sondern sogar
noch das Mikrophon zur Verfügung gestellt hatte, damit
die Versammlung gegen die Hinauszuwerfenden aufge
peitscht werden konnte. Zudem entsteht durch die Dar
stellung des Universitätspräsidenten der Eindruck, als ob
der Versammlungsleiter die angeblich von Professor Koe-
nigs provozierten Ausschreitungen habe abwehren wollen,
wodurch der wahre Verlauf der Ereignisse völlig auf den
Kopf gestellt wird und Zweifel an einer verantwortungs
vollen und unparteiischen Amtsführung des Universitäts
präsidenten begründet werden, zumal er nichts unternom
men hat. um das in der Öffentlichkeit zwangsläufig ent
stehende verzerrte Bild von den Ereignissen zu berichtigen.
Unabhängig davon, daß der Universitätspräsident in die
sem Fall wie in zahlreichen anderen Fällen bis in die
jüngste Zeit hinein nicht durchgreifend für die persönliche
Sicherheit aller Versammlungsteilnehmer gesorgt oder
eben die Veranstaltung untersagt hat und es auch vermied,
die Identität von Störern und Gewalttätern festzustellen,
möchte ich abschließend einige Konsequenzen aus dem
geschilderten Vorgang ziehen:
1. Die Regelungen in dem Formblatt, auf dem die Ver
gabe eines Raums beantragt wird, müssen überarbeitet
werden. Es bestanden offenbar Unklarheiten über die Ver
pflichtung des Veranstalters zur universitätsöffentlichen
Durchführung der Veranstaltung aufgrund der Formulie
rungen des Formblatts. Es ist auch insofern mißverständ
lich gefaßt, weil nach ihm Grund zur Auflösung einer Ver
anstaltung nur der auf ihr erlassene Aufruf zur Begehung
strafbarer Handlungen sein soll, nicht jedoch die Begehung
einer strafbaren Handlung selbst. Grund zur Verweigerung
eines Raums oder zur Entziehung eines schon bewilligten
Raums muß auch die vorherige Ankündigung von straf
baren Handlungen sein, die auf der geplanten Veranstal
tung begangen werden sollen. Auch dies wird an der Tech
nischen Universität grundsätzlich nicht beachtet.
2. Wenn der Präsident für sich oder für seine sonst zu
ständigen Mitarbeiter das Recht in Anspruch nimmt, eine
solche Veranstaltung jederzeit auflösen zu können, dann
muß er oder der sonst Zuständige jederzeit erreichbar sein,
insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, wo Professor
Koenigs im Präsidialamt darum gebeten hatte, ihm den
Besuch der Veranstaltung ungehindert zu ermöglichen.
3. Die Beobachtung einer Veranstaltung muß unbedingt
durch Mitarbeiter des Präsidialamts erfolgen, Beobachtung
durch Hausmeister reicht nicht aus. Es ist vor allem dafür
zu sorgen, daß Straftäter — auf welche Weise auch im
mer — identifiziert werden können.
4. Weil der Universitätspräsident entgegen seiner Ver
pflichtung die Veranstaltung nicht laufend beobachtete und
ihre rechtzeitige Auflösung sowie die Feststellung von
Rechtsbrechern nicht sichergestellt worden war, ließ sich
der Universitätspräsident bei der Beurteilung der Situation
von Fehlentscheidungen leiten.
5. Eine Raumvergabe für Großveranstaltungen darf nur
erfolgen, wenn der Veranstalter durch Organisation und
Hilfskräfte zusammen mit der Universitätsverwaltung den
imgestörten rechtmäßigen Verlauf der Veranstaltung
sichern kann.
6. Schließlich fehlt es an klaren Weisungen an die Haus
meister über ihre Pflicht zur Weiterleitung von Beobach
tungen, die sie bei Veranstaltungen machen.
Ich nehme an, daß der Senat diese aus den Vorfällen
gewonnenen Ansichten teilt.
(Abg. Wronski: Nein; macht er nicht!)
Wenn dem so ist, dann liegt in jeder dieser Feststellungen
ein Vorwurf mangelhafter Organisation bei der Abwick
lung von Universitätsveranstaltungen; das Verschulden da
für trägt allein der Universitätspräsident, denn er ist der
für die Organisation in der Technischen Universität
(Abg. Wronski: Der Senat hätte längst ein
anständiges Universitätsgesetz machen müssen!)
und für das Hausrecht letztlich Verantwortliche.
Im übrigen bitte ich um die Beantwortung der Frage,
aufgrund welcher Bestimmungen und wessen Antrags die
Untersuchung der Vorfälle, die sich alle in der Öffentlich
keit abgespielt haben, zur reinen Personalangelegenheit
deklariert wurde
(Unruhe — Glocke des Präsidenten)
und ob, gegebenenfalls welche, Disziplinarmaßnahmen ge
gen den Universitätspräsidenten ergriffen wurden, wenn
schon nach Ansicht des Senats keine außerordentliche
Kündigung ausgesprochen werden konnte.
Ferner sollte mitgeteilt werden, welches Ergebnis die
Untersuchung gegen die Mitarbeiter des Universitätspräsi
denten gehabt hatte — denn darüber schweigt sich die
Mitteilung Nr. 406 trotz des klaren Wortlauts des Be
schlusses des Abgeordnetenhauses völlig aus —, zumal der
amtierende Senator für Wissenschaft und Kunst — Senator
Löffler seinerzeit — das Verhalten des Herrn Wyrwinski
an jenem Abend in der Sitzung des Abgeordnetenhauses
von Berlin vom 22. November 1973 als „unmöglich und
nicht zu rechtfertigen“ qualifizierte, welches „wohl auch
kaum mit seinen amtlichen Pflichten zu vereinbaren“ ge
wesen sei.
Schließlich interessiert, ob die in der Mitteilung Nr. 406
zum 1. Oktober 1974 versprochene Kuratoriumsvorlage über
die Raumvergabe an der TU inzwischen verabschiedet wor
den ist oder wann sie verabschiedet werden wird. Dies be
sonders meine ich auf dem Hintergründe der Tatsache, daß
am letzten Wochenende gewaltsame Handlungen außerhalb
der Technischen Universität, im Bezirk Kreuzberg, in der
Technischen Universität vorbereitet wurden im Rahmen
eines Basars und eines fröhlichen Festes des Kampfkomi
tees „Bethanien", was Sie wunderschön in einem dicken
Heft nachlesen können, das dieses Kampfkomitee heraus
gegeben hat.
(Abg. Wronski: Hat die gleiche Richtung!)
Dort steht auch der KSV dahinter! Dort steht die von der
KPD eingerichtete „Volksambulanz“ dahinter, und dort
können Sie die Worte finden: „Da die verstockten Bürger
unseren Vorschlägen nicht folgen wollen, werden wir sie
gewaltsam dazu zwingen!“
Wenn Sie meinen, daß in dieser Weise eine Universität,
die aus den Mitteln der Steuerzahler dieser Stadt und der
Bundesrepublik finanziert wird, als Zentrum der Vorberei
tung gewaltsamer Aktionen in dieser Stadt der richtige
Ort ist. dann müssen Sie das hier sagen. Wenn Sie meinen,
daß dem nicht so ist, dann müssen Sie etwas tun, damit
das endlich aufhört! — Recht schönen Dank!
(Beifall bei der CDU)
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