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Volume Nr. 92, 23.01.75

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1974/75, 6. Wahlperiode, Band IV, 66.-93. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
92. Sitzung vom 23. Januar 1976 
nicht juristisch, sondern soziologisch-psychologisch zu ver 
stehen, bei Senat und SPD-Fraktion verfangen hat. Dafür 
hat die CDU kein Verständnis; denn wer gesetzwidriges 
Verhalten als sozialwissenschaftlich richtig deklariert, der 
hebt unseren Rechtsstaat aus den Angeln und macht sich 
zum unerbittlichen Feind unserer parlamentarisch-reprä 
sentativen Demokratie. Außerdem: Was nützen die schö 
nen Worte des Universitätspräsidenten, wenn sie die für 
die Einhaltung der Gesetze zwingend erforderlichen Taten 
vermissen lassen! Wieviel glaubwürdiger wäre der Univer 
sitätspräsident, wenn er seinen Beteuerungen gemäß ge 
handelt hätte und wenn seine Worte nicht erkennbar den 
Makel der Unwahrheit getragen hätten! — So erklärte der 
Universitätspräsident im Pressedienst der Technischen Uni 
versität zu den Vorfällen vom 9. November 1973, der Ver 
sammlungsleiter habe offensichtlich die Tätlichkeiten nicht 
verhindern können; die von diesem ergriffenen Maßnahmen 
seien erfolglos geblieben. Und dies verbreitete der Universi 
tätspräsident, obwohl ihm durch mindestens fünf Zeugen 
aussagen — darunter auch von mindestens einem seiner 
Mitarbeiter — bekannt sein mußte, daß der Versamm 
lungsleiter nicht nur überhaupt keine Maßnahmen zur Ver 
hinderung der Tätlichkeiten ergriffen hatte, sondern sogar 
noch das Mikrophon zur Verfügung gestellt hatte, damit 
die Versammlung gegen die Hinauszuwerfenden aufge 
peitscht werden konnte. Zudem entsteht durch die Dar 
stellung des Universitätspräsidenten der Eindruck, als ob 
der Versammlungsleiter die angeblich von Professor Koe- 
nigs provozierten Ausschreitungen habe abwehren wollen, 
wodurch der wahre Verlauf der Ereignisse völlig auf den 
Kopf gestellt wird und Zweifel an einer verantwortungs 
vollen und unparteiischen Amtsführung des Universitäts 
präsidenten begründet werden, zumal er nichts unternom 
men hat. um das in der Öffentlichkeit zwangsläufig ent 
stehende verzerrte Bild von den Ereignissen zu berichtigen. 
Unabhängig davon, daß der Universitätspräsident in die 
sem Fall wie in zahlreichen anderen Fällen bis in die 
jüngste Zeit hinein nicht durchgreifend für die persönliche 
Sicherheit aller Versammlungsteilnehmer gesorgt oder 
eben die Veranstaltung untersagt hat und es auch vermied, 
die Identität von Störern und Gewalttätern festzustellen, 
möchte ich abschließend einige Konsequenzen aus dem 
geschilderten Vorgang ziehen: 
1. Die Regelungen in dem Formblatt, auf dem die Ver 
gabe eines Raums beantragt wird, müssen überarbeitet 
werden. Es bestanden offenbar Unklarheiten über die Ver 
pflichtung des Veranstalters zur universitätsöffentlichen 
Durchführung der Veranstaltung aufgrund der Formulie 
rungen des Formblatts. Es ist auch insofern mißverständ 
lich gefaßt, weil nach ihm Grund zur Auflösung einer Ver 
anstaltung nur der auf ihr erlassene Aufruf zur Begehung 
strafbarer Handlungen sein soll, nicht jedoch die Begehung 
einer strafbaren Handlung selbst. Grund zur Verweigerung 
eines Raums oder zur Entziehung eines schon bewilligten 
Raums muß auch die vorherige Ankündigung von straf 
baren Handlungen sein, die auf der geplanten Veranstal 
tung begangen werden sollen. Auch dies wird an der Tech 
nischen Universität grundsätzlich nicht beachtet. 
2. Wenn der Präsident für sich oder für seine sonst zu 
ständigen Mitarbeiter das Recht in Anspruch nimmt, eine 
solche Veranstaltung jederzeit auflösen zu können, dann 
muß er oder der sonst Zuständige jederzeit erreichbar sein, 
insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, wo Professor 
Koenigs im Präsidialamt darum gebeten hatte, ihm den 
Besuch der Veranstaltung ungehindert zu ermöglichen. 
3. Die Beobachtung einer Veranstaltung muß unbedingt 
durch Mitarbeiter des Präsidialamts erfolgen, Beobachtung 
durch Hausmeister reicht nicht aus. Es ist vor allem dafür 
zu sorgen, daß Straftäter — auf welche Weise auch im 
mer — identifiziert werden können. 
4. Weil der Universitätspräsident entgegen seiner Ver 
pflichtung die Veranstaltung nicht laufend beobachtete und 
ihre rechtzeitige Auflösung sowie die Feststellung von 
Rechtsbrechern nicht sichergestellt worden war, ließ sich 
der Universitätspräsident bei der Beurteilung der Situation 
von Fehlentscheidungen leiten. 
5. Eine Raumvergabe für Großveranstaltungen darf nur 
erfolgen, wenn der Veranstalter durch Organisation und 
Hilfskräfte zusammen mit der Universitätsverwaltung den 
imgestörten rechtmäßigen Verlauf der Veranstaltung 
sichern kann. 
6. Schließlich fehlt es an klaren Weisungen an die Haus 
meister über ihre Pflicht zur Weiterleitung von Beobach 
tungen, die sie bei Veranstaltungen machen. 
Ich nehme an, daß der Senat diese aus den Vorfällen 
gewonnenen Ansichten teilt. 
(Abg. Wronski: Nein; macht er nicht!) 
Wenn dem so ist, dann liegt in jeder dieser Feststellungen 
ein Vorwurf mangelhafter Organisation bei der Abwick 
lung von Universitätsveranstaltungen; das Verschulden da 
für trägt allein der Universitätspräsident, denn er ist der 
für die Organisation in der Technischen Universität 
(Abg. Wronski: Der Senat hätte längst ein 
anständiges Universitätsgesetz machen müssen!) 
und für das Hausrecht letztlich Verantwortliche. 
Im übrigen bitte ich um die Beantwortung der Frage, 
aufgrund welcher Bestimmungen und wessen Antrags die 
Untersuchung der Vorfälle, die sich alle in der Öffentlich 
keit abgespielt haben, zur reinen Personalangelegenheit 
deklariert wurde 
(Unruhe — Glocke des Präsidenten) 
und ob, gegebenenfalls welche, Disziplinarmaßnahmen ge 
gen den Universitätspräsidenten ergriffen wurden, wenn 
schon nach Ansicht des Senats keine außerordentliche 
Kündigung ausgesprochen werden konnte. 
Ferner sollte mitgeteilt werden, welches Ergebnis die 
Untersuchung gegen die Mitarbeiter des Universitätspräsi 
denten gehabt hatte — denn darüber schweigt sich die 
Mitteilung Nr. 406 trotz des klaren Wortlauts des Be 
schlusses des Abgeordnetenhauses völlig aus —, zumal der 
amtierende Senator für Wissenschaft und Kunst — Senator 
Löffler seinerzeit — das Verhalten des Herrn Wyrwinski 
an jenem Abend in der Sitzung des Abgeordnetenhauses 
von Berlin vom 22. November 1973 als „unmöglich und 
nicht zu rechtfertigen“ qualifizierte, welches „wohl auch 
kaum mit seinen amtlichen Pflichten zu vereinbaren“ ge 
wesen sei. 
Schließlich interessiert, ob die in der Mitteilung Nr. 406 
zum 1. Oktober 1974 versprochene Kuratoriumsvorlage über 
die Raumvergabe an der TU inzwischen verabschiedet wor 
den ist oder wann sie verabschiedet werden wird. Dies be 
sonders meine ich auf dem Hintergründe der Tatsache, daß 
am letzten Wochenende gewaltsame Handlungen außerhalb 
der Technischen Universität, im Bezirk Kreuzberg, in der 
Technischen Universität vorbereitet wurden im Rahmen 
eines Basars und eines fröhlichen Festes des Kampfkomi 
tees „Bethanien", was Sie wunderschön in einem dicken 
Heft nachlesen können, das dieses Kampfkomitee heraus 
gegeben hat. 
(Abg. Wronski: Hat die gleiche Richtung!) 
Dort steht auch der KSV dahinter! Dort steht die von der 
KPD eingerichtete „Volksambulanz“ dahinter, und dort 
können Sie die Worte finden: „Da die verstockten Bürger 
unseren Vorschlägen nicht folgen wollen, werden wir sie 
gewaltsam dazu zwingen!“ 
Wenn Sie meinen, daß in dieser Weise eine Universität, 
die aus den Mitteln der Steuerzahler dieser Stadt und der 
Bundesrepublik finanziert wird, als Zentrum der Vorberei 
tung gewaltsamer Aktionen in dieser Stadt der richtige 
Ort ist. dann müssen Sie das hier sagen. Wenn Sie meinen, 
daß dem nicht so ist, dann müssen Sie etwas tun, damit 
das endlich aufhört! — Recht schönen Dank! 
(Beifall bei der CDU) 
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