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Volume Nr. 92, 23.01.75

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1974/75, 6. Wahlperiode, Band IV, 66.-93. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
92. Sitzung vom 23. Januar 1975 
parteiintern bei den lieben Genossen der SPD-Koalition — 
Rivalitäten, welcher Bezirk etwa die Kurse für den Real 
schul- oder Hauptschulabschluß bekommt. Alles rauft sich 
gegenseitig die Haare, um bloß ein bißchen Attraktivität 
in den jeweiligen Volkshochschulen zu bekommen. Wir mei 
nen, daß das keine Konzeption ist, geschweige denn eine 
Gesamtkonzeption. 
Die Einbeziehung der freien Träger — das kann man 
hier mit einem Satz sagen — ist überhaupt nicht differen 
ziert dargestellt worden. Das Gesamtwerk ist im Grunde 
nur ein Bericht, und dieser Bericht ist — auch wenn er 
das vielleicht nicht beabsichtigt hat — eine ungeschminkte 
Darstellung des politischen und speziell bildungspolitischen 
Unvermögens des Senats, für Erwachsene bildungspolitisch 
etwas aufweisen zu können. 
Und nun zu den Argumenten, die von der SPD gegen 
unseren Gesetzentwurf vorgetragen worden sind. Ich be 
grüße zunächst, daß im Rahmen der ersten Ausschuß 
sitzung von der SPD erklärt wurde, daß der § 1 unseres 
Gesetzes akzeptiert wird. Dann wäre es natürlich nahe 
liegend gewesen, darauf aufbauende Änderungsanträge zu 
den anderen Paragraphen zu stellen, soweit sie nicht den 
Vorstellungen der SPD entsprechen. Das ist unterblieben. 
Warum? Weil die SPD erst mal warten wollte, was denn 
der Senat bringt. Hätte man gewußt, was der Senat bringt, 
hätten wir auch schon damals im Ausschuß diskutieren 
können, aber da man nicht wußte, was er bringt und man 
schon gar nicht wußte, ob irgendwelche Parteitags 
beschlüsse der SPD vom Senat auch politisch umgesetzt 
werden, wurde dort zeitlich gemauert und vereinfachend 
kritisiert, wir wollten nur umorganisieren. 
Wenn man ein System ändern will, dann muß man auch 
neue Organisationsformen anbieten, und die sind nach un 
serer festen Überzeugung — gerade auch nach den An 
hörungen — die Zentralisierung. Das ist natürlich nicht 
eine Sache, die von heute auf morgen geschehen kann, aber 
es ist ein Entwicklungsprozeß, den man zielgerichtet in 
Gang setzen muß; das ist die politische Anforderung auch 
für die nächsten Jahre. Und wenn die CDU, die ja mit 
Sicherheit nach den nächsten Wahlen aus der Opposition 
heraus ziemlich deutlich kritisieren wird, mit einem neuen 
und besseren Gesetz aufwarten sollte, wäre das eine Über 
raschung. 
(Abg. Wronski: Werden Sie auch Senator?) 
Was jedenfalls die CDU bisher vorgelegt hat, ist eine 
kümmerliche Beschränkung auf den Bereich der freien 
Träger. Denn auch das, was dort geregelt ist, ist nicht um 
fassend genug. Deswegen möchte ich hier nicht weiter auf 
die CDU-Vorlage eingehen, insofern wird meine Fraktion 
der Ausschußempfehlung zustimmen und den CDU-Vor 
schlag ablehnen. 
Abschließend ein letztes Wort zur F.D.P.-Vorlage. Ich 
möchte es mir ersparen, noch auf Einzelheiten einzugehen, 
das ist schon oft geschehen. Ich habe mich deswegen weit 
gehend auf die Senatsvorlage beschränkt, aber auch dabei 
konnten Sie ja unsere differenzierten Positionen ablesen. 
Wir meinen, daß die zentrale Zusammenfassung der An 
gebote in Berlin es auch räumlich und organisatorisch 
erleichtert, regional wichtige und wünschbare und auch 
regional ermittelte Angebote zu erstellen. Das kann durch 
aus im Rahmen der Heranziehung der bisherigen Möglich 
keiten der bezirklichen Volkshochschulen geschehen. Durch 
unsere Vorlage sollte ein Prozeß eingeleitet werden, gegen 
den sich aber der Senat sträuben mußte, weil er sonst den 
Offenbarungseid hätte leisten müssen, da er selber kein 
Konzept hat und zur Zeit gewinnen will — ähnlich wie es 
auch beim Kongreßzentrum geschieht, nur erst mal alles 
über den Wahltermin hinausschieben, später wird man 
weitersehen. 
Wir glauben, daß wir dem Parlament eine differenzierte 
Vorlage unterbreitet haben, die im einzelnen für gute Ge 
sichtspunkte aufgeschlossen und veränderungsfähig ist. Das 
gesamte FJXP.-Konzept aber in der kurzen und fast pein 
lichen Weise damit abzuwerten, wie es geschehen ist, daß 
wir nur inhaltslos organisieren wollten — so dargestellt 
durch den Kollegen Schwarz —, finden wir töricht, weil es 
offenbart, daß in Berlin gerade vieles neu zu organisieren 
ist. — Danke schön! 
(Beifall bei der F.D.P.) 
Stellv. Präsident Dr. Schönherr; Das Wort hat der Ab 
geordnete Schwarz. 
Schwarz (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Wir haben uns im Ausschuß über die Kritik, die 
dort von den beiden Verbandsgruppen angesetzt wurde, 
durchaus gefreut. Denn beide haben die Ausarbeitung des 
Senats als Fortschritt und Verbesserung dargestellt und 
dann Kritik im Detail geübt. Dies ist vollkommen in Ord 
nung und richtig, und das wird bei einem so großen Kom 
plex wie Volkshochschule und Erwachsenenbildung immer 
der Fall sein. Insofern ist dagegen gar nichts zu sagen, und 
es ist ja auch der Sinn der Anhörung, daß man andere 
Meinungen kennenlernt und nicht in allen Punkten in seiner 
eigenen Meinung bestätigt wird — sonst würde es reichlich 
steril zugehen. Aber schwierig ist es, mit der F.D.P. und der 
CDU über reine Sachinhalte zu diskutieren, wie zum Bei 
spiel über berufliche Bildung, politische Bildung, Senioren 
bildung, Öffentlichkeitsarbeit, Fremdsprachen, all das, was 
hier drinsteht. Denn in den beiden Gesetzentwürfen der 
CDU und der FDP. — das müssen Sie doch zugeben — 
steht von sachlichen Inhalten überhaupt nichts, gar nichts 
drin. 
(Zurufe von der CDU — Abg. Kayser: Stimmt 
doch gar nicht! — Zuruf von der SPD: Lesen Sie 
doch richtig!) 
— Gar nichts! Der zentrale Punkt — um noch mal auf die 
beiden Anträge zu kommen — bei der CDU: Wir haben 
das auch von den Verbänden gehört, daß eine Zusammen 
arbeit des Senats mit freien Trägem bisher vorhanden ist 
und es keine wesentlichen Gründe für Beanstandungen 
gegeben hat. Da kann man sich immer Verbesserungen im 
Detail vorstellen — in Ordnung. Aber was hier im CDU- 
Antrag versucht wird, ist doch, dem Wildwuchs im Bereich 
der Erwachsenenbildung Tür und Tor zu öffnen und den 
Staat zur Kuh machen, die gemolken wird. 
(Beifall bei der SPD) 
Stellv. Präsident Dr. Schönherr: Gestatten Sie eine Zwi 
schenfrage ? 
Schwarz (SPD): Ich will erst mit der F.D.P. noch ein 
Wort reden, Kollege Diepgen, 
(Zuruf von der P.D.P.: Aha!) 
dann können Sie gern fragen. — Nun noch zur F.D.P.: 
Wissen Sie, Herr Kayser, Zehlendorf, Reinickendorf, Wil 
mersdorf; da heißt es wohl immer ... dorf, aber es sind 
keine Dörfer, sondern Großstädte. Und Sie haben das so 
dargestellt, als ob hier Mini-Volkshochschulen überall so 
ein bißchen herumfuhrwerken, gegeneinander und nicht 
miteinander, als ob das Miniinstitutionen sind, die ein 
wenig Volksbildung betreiben. Das ist nicht der Fall. 
Sie wissen, daß ich ein erklärter Befürworter der be 
zirklichen Volkshochschulen bin, ich habe auch gesagt, 
warum. Konkurrenz ist gut, das hebt das Geschäft, und 
die Volkshochschulen in den Bezirken sind eben bürgemah. 
Wenn Sie das alles zentralisieren wollen, kriegen Sie einen 
Riesenwasserkopf, bei dem an Praxis nachher weniger 
rauskommt als bei den Volkshochschulen der Bezirke. 
Gehen Sie doch mal in die Bezirke und fragen Sie dort 
die Leute, die die Volkshochschulen wirklich besuchen, ob 
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