Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
89. Sitzung vom 6. Dezember 1974
haftigen Gottes nicht. Wir sind nicht froh darüber, sondern
wir bedauern es außerordentlich, daß wir konstatieren
müssen, daß wir mit unserer Prognose recht hatten. Die
Zahlen vom 30. November haben schon wieder einen An
stieg von 200 Arbeitslosen gebracht, und die Fachgemein
schaft hat heute, sicher nicht zu Unrecht, gesagt, daß sie
nach wie vor leider die Auffassung vertreten muß, daß wir
mit etwa 4000 Arbeitslosen zum Ende dieses Jahres zu
rechnen haben. Außer Beschimpfungen gegenüber der Wirt
schaft hatte der Senator keine Antwort. Für die Arbeits
losen hat er kein Wort gefunden; ich fürchte, so wird es
auch heute wieder sein. - Ich danke Ihnen!
(Beifall bei der CDU)
Stellv. Präsident Lorenz: Das Wort hat der Abgeordnete
Liebig.
Liebig (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Unsere Änderungsanträge zum Haushalt hat der
Kollege Rasch schon weitgehend begründet. Ich kann mich
daher auf einige Punkte zum Kongreßzentrum und zum
Tunnelbau in Zehlendorf, auf die sich unsere Anträge be
ziehen, beschränken.
Einige Mitglieder dieses Hauses waren vor kurzem vom
Senat - ob vom Senat oder von der IHK, das war nicht so
ganz klar - zu einer Präsentation des Kongreßzentrums
gebeten worden. Ich will nicht diese Präsentation oder die
Gespräche hier wiedergeben, aber es war doch interessant
- deswegen bringe ich das hier vor -,
(Abg. Gottschalk: „Wieder“ vor!)
daß der Senator für Bau- und Wohnungswesen und in fi
nanzieller Beziehung auch der Senator für Finanzen kon-
zeidierten, daß man aufgrund der großen Steigerung der
Baukosten - nach Angabe der „Neuen Heimat“ jetzt 530
Millionen DM - dem Abgeordnetenhaus eine neue Vorlage
unterbreiten müsse. Dann - das war das Interessante -
sagte Senator Striek plötzlich: Ja, aber der Stand
ort sei vom Abgeordnetenhaus beschlossen. - Wenn
sich hier Senator Striek hinstellt und mit dem Brust
ton der Überzeugung sagt: Wir werden das Projekt
noch genau nach Einsparungsmöglichkeiten prüfen, dann
sollten Sie und die Öffentlichkeit sich nicht Sand in die
Augen streuen lassen, meine Damen und Herren! Wenn
das Projekt dort bleibt, wo es geplant war und weiter ge
plant wird, dann kann man sich - wie ich meine - das,
was der Senator Striek da vor hat, nämlich in kleinkarier
ter Weise zu streichen, ganz ersparen; denn man wird die
Kosten ohnehin nicht unter 1 Milliarde DM drücken kön
nen. Ich bin trotz dieser Präsentation nicht davon über
zeugt, daß das Raumprogramm, das vorgesehen ist, dann
wirklich noch funktionsfähig ist. Ich bin auch nicht der
Überzeugung, daß -
(Abg. Pawlak: Sie zu überzeugen ist ja
auch schwierig!)
- Nun, wir haben die Dinge ja schon diskutiert. Vielleicht
kann ich eine kurze Begründung geben. - Ich bin auch
nicht der Überzeugung, daß die Restaurant-Plätze aus
reichen.
(Abg. Glagow: Noch größer?)
In dieser Situation glaubt der Herr Senator Striek nun -
gegenüber dem Konzept der Architekten - besonders an
die Möglichkeit, bei einem finanziell wirklich ins Gewicht
fallenden Posten, nämlich dort Einsparungen erreichen zu
können, wo die Architekten eine Aufzugsmöglichkeit des
Gestühls für die Halle II vorsehen. Ich darf mir an dieser
Stelle eine Prophezeiung erlauben: Eben wegen der
schlechten Raumaufteilung, eben wegen der zu geringen
Restaurant-Plätze wird es wahrscheinlich überhaupt nicht
möglich sein, große Kongresse dort zu beköstigen, wenn
man nicht in der Mittagspause diese technische Möglich
keit des Hochziehens des Gestühls der Halle H benutzt;
sonst scheitert man vollkommen. Gerade dort aber will
dieser Senat nun kürzen.
Stellv. Präsident Lorenz: Gestatten Sie eine Zwischen
frage ?
Liebig (F.D.P.); Bitte schön!
Stellv. Präsident Lorenz: Herr Abgeordneter Nauck!
Nauck (SPD): Herr Liebig! Sind Ihre Ausführungen so
zu verstehen, daß das Kongreßzentrum noch größer sein
müßte als es bisher konzipiert ist?
Liebig (F.D.P.): Hätten Sie doch einen Moment mit
Ihrer Zwischenfrage gewartet! Ich habe es schon ange
deutet, aber ich hätte es gleich noch einmal unterstrichen.
Ich warne auch die CDU-Fraktion, dem Senat - diese
Randbemerkung gestatten Sie mir - in dieser Beziehung
ein Alibi dadurch zu liefern, daß sie die „Neue Heimat“
angreift. Ich glaube, hier handelt es sich nach wie vor -
und da hat die „Neue Heimat“ recht - um einen kompri
mierten Hochbau, der nun einmal dieses Geld kosten wird.
Wenn Sie hier etwas einsparen wollen, wenn Sie hier
nicht bloß der Öffentlichkeit und dem Parlament Sand in
die Augen streuen wollen, dann müssen Sie von diesem
Standort weg und hinüber in die Jaffestraße gehen.
(Zurufe von der SPD: Aha!)
Es ist ja kein Geheimnis geblieben, daß mindestens ein
Senator von Anfang an sich für diesen Standort eingesetzt
hat.
(Frau Abg. Lowka; Siehste, siehste!)
Aber damals war offensichtlich die Eissporthalle des Herrn
Warneke noch nicht gebaut, und deswegen wollte man da
nicht hin. Das scheint jedenfalls ein Grund dafür gewesen
zu sein.
Zu dem Tunnelprojekt nur ein paar Worte: Herr Sena
tor, Sie werden ja in der Zeitung das Gutachten des Ikos-
Vereins gelesen haben und die Zeichnung im „Tagesspie
gel“ über die einzelnen Spuren gesehen haben. Machen Sie
sich einmal die Mühe, Herr Senator, nehmen Sie das Pro
tokoll der Sitzung des Bauausschusses - ich glaube, vom
13. Mai - zur Hand, und Sie werden zwischen dem, was
ich damals ausgeführt habe - und zwar zu einem Zeit
punkt, als von Bürgerinitiativen zu diesem Tunnelprojekt
noch keine Rede war -, und dem, was dieser Planungsver
ein, dieser Zusammenschluß von Ingenieuren, dazu erar
beitet hat, mehr als einen Berührungspunkt finden. In den
Perspektiven des Senats - das wird auch zitiert von dieser
Planungsgruppe - heißt es:
Eingriffe in die Stadtstruktur, die dem Verkehr oder
ausschließlich einzelwirtschaftlichen Gesichtspunk
ten dienen, sind auf das unbedingt nötige Maß zu
beschränken.
Weiß Gott, auf das nötige Maß zu beschränken. Jedenfalls
kann man dort nicht leichtfertig acht oder zehn Häuser
abreißen, oder - damit leite ich zum nächsten Punkt über -
man kann nicht ganze Straßenzeilen für ein Tunnelprojekt
wie das der Saarstraße abreißen wollen und glauben, das
sei kein Eingriff in die gewachsene Stadtstruktur.
Ich habe am 26. September 1974 eine Mündliche An
frage eingebracht,
(Abg. Hauff: Keine Schleichwerbung!)
auf die vom Senat geantwortet wurde: Die Untersuchungen
der einzelnen Entwurfsvarianten für diesen Tunnel stän-
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