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Volume Nr. 89, 06.12.74

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1974/75, 6. Wahlperiode, Band IV, 66.-93. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
89. Sitzung vom 6. Dezember 1974 
machen, aus dem wir abgeleitet haben, warum wir den 
Etat dieser Senatsverwaltung nicht akzeptieren können. 
Wir hatten vor wenigen Tagen einen beispielhaften Vor 
gang, als sich der Hauptausschuß mit der Anforderung von 
Stellen für - ebenfalls wieder - ein Programm beschäftigen 
sollte, das in der Senatsverwaltung entwickelt und mit den 
Bezirken abgestimmt wurde und zu dem der Hauptaus 
schuß erklären mußte: Dazu können wir nichts sagen. 
Bitte, lieber Fachausschuß, hilf uns bei dieser Entschei 
dung! 
(Abg. Stach: Ist doch richtig!) 
Es ging darum, daß eine Prioritätenliste aufgestellt wor 
den war, bei der man sich über diese Prioritäten eben un 
terhalten mußte, und es wurde in der Sitzung des Fach 
ausschusses festgestellt, daß einige dieser aufgeführten 
Prioritäten eben nicht - wie gesagt wurde - unausweich 
liche Ausgaben hätten sein müssen, und demzufolge haben 
die Oppositionsparteien in der Ausschußsitzung dafür vo 
tiert, diese Prioritätenliste zu verändern. 
Dieser ganze Vorgang - und deshalb betrachten wir es 
als beispielhaft - ist einfach dadurch zustande gekommen, 
daß gesetzliche Grundlagen und gesetzliche Voraussetzun 
gen zur Aufstellung von derartigen Vorhaben fehlen. Es 
gibt darüber hinaus eine ganze Anzahl weiterer Beispiele. 
Um der Senatsverwaltung das Leben einfacher zu machen, 
um ihr gesetzliche Grundlagen an die Hand zu geben, mit 
deren Hilfe sie ggf. leichter einige Vorhaben, auch Sonder 
maßnahmen, hätte durchführen können, haben wir seiner 
zeit das Kita-Gesetz hier vorgelegt. Dieses Kita-Gesetz 
wurde vom Hause und von der Mehrheitsfraktion abge 
lehnt mit der Begründung, daß genügend gesetzliche 
Grundlagen vorhanden seien, um diesen Sachbereich hier 
in Berlin abzudecken. Ich glaube, das eben zitierte Beispiel 
und verschiedene andere zeigen jedoch, daß die gesetzlichen 
Grundlagen, mit denen diese Senatsverwaltung arbeitet, 
eben nicht ausreichend sind. Wir haben die Befürchtung, 
Herr Dolata - und vielleicht unterscheiden wir uns dadurch 
ein bißchen von Ihnen -, daß diese Senatsverwaltung auf 
grund ihres Arbeitsstils sich gegenüber anderen Senatsver 
waltungen nicht in dem Maße durchsetzen kann, vielleicht 
auch nicht durchsetzen will, wie es nach unserer Auffas 
sung von den Gedankengängen des neuen Jugendhilfege 
setzes her erforderlich wäre. Die Senatsverwaltung für 
Schulwesen z. B. arbeitet mit einem ganzen Bündel von 
Gesetzen, hat entsprechende Grundlagen und ist, glaube 
ich, deshalb immer wieder in der Vorhand, wenn es darum 
geht, Kompetenzfragen zwischen diesen beiden Senatsver 
waltungen, die Jugendliche betreffen, zu behandeln. Wir be 
fürchten, daß, wenn diese Senatsverwaltung ihren Arbeits 
stil nicht ändert, sie demnächst eines Tages zum Schaden 
der Jugendlichen, für die wir uns eingesetzt haben, unter 
gebuttert wird. 
Ich könnte noch einige weitere Beispiele in der gleichen 
Richtung bringen. Doch möchte ich nur ganz kurz ein 
Beispiel anführen, da ja in letzter Minute erst von dieser 
Senatsverwaltung versucht worden ist, verschiedenes aus- 
zubessem. Die Senatsverwaltung hat in letzter Minute - 
und ich will hier gar nicht untersuchen, warum erst so 
spät - den sogenannten KEP I vorgelegt und glaubt, damit 
Grundlagen zu schaffen. Nach unserem Dafürhalten sind 
aber diese Grundlagen eben restlos unsicher, einfach nur in 
den Wind geplante Angelegenheiten und in vielen ihrer An 
sätze, insbesondere in der Personalplanung doch recht 
fragwürdig. 
Das gleiche könnte man auch für die Bauplanung aus 
führen, und im Zusammenhang mit der Bauplanung wird 
ja von dieser Verwaltung immer wieder argumentiert, daß 
ihre Vorstellungen über Standorte sich nach sozialen Be 
dürfnissen ausrichten. Diese sozialen Bedürfnisse werden 
von dieser Verwaltung immer wieder zitiert, aber eben nur 
zitiert und nie konkretisiert, geschweige denn gesetzlich 
gesichert. Der Mangel an Geld oder Bildung darf nach un 
serer Auffassung nicht der alleinige Maßstab dafür sein, 
an welche Stelle man z. B. eine Kindertagesstätte hinzu 
setzen hat, eben weil dieser Begriff der sozialen Bedürf 
nisse absolut ungesichertes Gebiet ist. Wir wissen doch alle, 
daß unsoziale Verhaltensweise und Verwahrlosung auch in 
der sogenannten Oberschicht vorhanden sind. 
Zum Schluß noch einige Worte zu den Kindertages 
stättengebühren, und Sie werden es mir wahrscheinlich 
nicht übelnehmen, daß ich dieses Steckenpferd, das wir ja 
auch über die ganze Legislaturperiode immer wieder ge 
bracht haben, auch heute noch einmal erwähne. Bei der 
Generalaussprache über den KEP wurde erklärt, in wel 
cher Art und Weise die Kita-Gebühren abgebaut werden 
könnten. Als ich äußerte, daß das nach unseren Vorstel 
lungen bei weitem nicht ausreichend sei und daß man die 
Kita-Gebühren sehr viel schneller, praktisch also sofort 
ersatzlos streichen könnte - keine Angst, wir bringen 
deswegen keinen Änderungsantrag hier zum Haushalt 
ein -, wurde mir erwidert, daß dieses Verlangen ein abso 
lut undurchdachtes Verlangen wäre, denn mit dem Weg 
fall dieser Gebühren würden wir den weiteren Ausbau der 
Kindertagesstätten in Frage stellen. Ich will hier an dieser 
Stelle nur daran erinnern, daß z. B. im universitären Be 
reich mit dem Wegfall der Gebühren noch auf keinen 
Fall - und das wissen wir alle - der weitere Ausbau der 
Universitäten in irgendeiner Form gefährdet worden ist. 
Lassen Sie mich also abschließend noch einmal fest 
stellen; Wegen der Arbeitsweise und des Arbeitsstils und 
einiger unsachlicher Ansätze glaubt auch meine Fraktion, 
diesem Etat nicht zustimmen zu können. 
(Beifall bei der F.D.P.) 
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete Pro 
zell. 
Prozell (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Wenn Sie sich dahingehend verstehen könnten, Herr 
Dolata, daß in der Jugendverwaltung viele soziale Pro 
jekte in Angriff genommen wurden und durchgeführt wer 
den, könnten wir dem sogar zustimmen, denn nicht alles, 
was so aussieht, ist unbedingt sozialistisch. Ich glaube, die 
letzten Ansätze, die wir festgestellt haben, sind doch mehr 
sozialer Natur als sozialistischer Natur gewesen. 
(Beifall bei der SPD) 
Ich freue mich darüber hinaus, daß der Herr Kollege 
Wahl - wie mir inzwischen mitgeteilt wurde - den KEP 
inzwischen gelesen hat, 
(Abg. Wahl: Das hat er schon lange, mehrfach!) 
denn in der Sitzung des Jugendausschusses haben Sie 
diesen KEP noch gelobt und hervorgehoben, was er für 
eine hervorragende Fleißarbeit gewesen sei. Ein bißchen 
zu lang ist er mir selbst auch, aber heute sagen Sie nun, 
das sei alles gar nichts und ganz furchbar schlimm. Aber 
man lernt eben nie aus, das ist eine alte Sache. 
Die Bedeutung der Familien- und Jugendpolitik in die 
sem Hause, die wir mit diesem Etat vorlegen, ist daraus 
abzulesen, daß die Steigerungsrate in diesem Jahr 25 Mil 
lionen DM beträgt, das sind etwa 16 vom Hundert. Ein 
Schwerpunkt ist der Bau von neuen Kindertagesstätten. 
Darauf entfallen 9 Mio DM. Das Programm, das wir in 
unserem Wahlprogramm bis 1974 vorgelegt haben, wurde 
erfüllt, deshalb muß es weitergehen, damit wir dann eines 
Tages vielleicht mal dazu kommen, kostenlose Kinder 
gartenplätze anzubieten, um die soziale Gerechtigkeit zu 
erhalten. Wir können nicht jetzt, wo wir nicht ausreichend 
Plätze haben, schon sagen: Wir machen das umsonst für 
die, die wollen, und die anderen bleiben draußen, weil wir 
ihnen nicht genug Plätze anbieten. 
(Beifall bei der SPD) 
Hier ist nicht nur die Situation anders, wir haben auch 
keine Kindergartenpflicht, aber wir haben eine Schulpflicht, 
deshalb muß man fein sauber die Dinge auseinanderhalten. 
Der zweite Schwerpunkt - und das ist wieder eine gute 
Sache, das zeigt, wie weit man kooperativ Zusammenarbei 
ten will, es steht letztendlich auch im Ausführungsgesetz 
3348
	        
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