Abgeordnetenhaus von Berlin - G. Wahlperiode
88. Sitzung vom 5. Dezember 1974
— Doch, sonst nutze ich meine zehn Minuten hier aus
und melde mich nochmal zu Wort. Das schaffe ich. Keine
Sorge, das schaffe ich.
(Abg. von Kekulä: Eine schlimme Drohung!)
Zwei Worte nur zu den Anträgen, die hier von der
CDU-Fraktion vorgelegt worden sind: Antrag Nr. 3
— Festwochen — findet unsere Zustimmung; Antrag Nr. 4
— Streichung von 6 Millionen DM — lehnen wir ab und
Antrag Nr. 4 a ebenfalls.
Einige Sätze noch zur Kulturpolitik, und das ist gar
nicht so lächerlich, wie Sie das hier vielleicht jetzt dar
stellen; es gibt da durchaus ganz ernste Probleme. Ich
habe zur Theaterpolitik vorhin in der II. Lesung etwas
gesagt; ich möchte das nicht wiederholen.
Ich möchte nur einen Punkt ansprechen, und zwar auch
im Zusammenhang mit den Rundfunk- und Femsehanstal-
ten in dieser Stadt. Sie alle wissen, daß wir hier sehr
stark um die Gebührenerhöhungen, Auflagen und Pro
bleme gerungen haben, die im Zusammenhang mit der
Gebührenerhöhung bzw. mit dem angeblichen Mangel an
finanziellen Mitteln an den Rundfunkanstalten entstehen.
Und Sie kennen auch alle die Einschränkungen, die jetzt
von den Rundfunk- und Femsehanstalten beraten und
überlegt werden, Sie kennen die Überlegung, einen sende
freien Tag zu machen, und Sie wissen auch, daß die Fern
sehanstalten erwägen, mehr Fremdprogramme zu über
nehmen zu Lasten der Eigenproduktion. Ich möchte das
hier nur stichwortartig anschneiden, denn dies ist ein ganz
wesentlicher Punkt für das Kulturleben unserer Stadt;
Diese Einschränkungen und die Übernahme von Fremd
produktionen zu Lasten der deutschen oder Berliner Pro
duktion bedeuten eine außerordentliche soziale Verschär
fung in dem Bereich der Schauspieler und auch in dem
Bereich der Literaten in dieser Stadt. Das müssen wir
hier bei der Debatte in diesem Moment ganz klar wissen.
Und dies ist auch wichtig für die Kollegen, die im Rund
funkrat sitzen, nämlich zu wissen, welche Folgen das
haben kann. Der Kollege Zellermayer hat soeben nochmal
die Funktion und die Problematik im Zusammenhang mit
der Mosaik-Union-Film angesprochen. Herr Kollege
Zellermayer, Sie haben völlig recht. Auch hier entstehen
schwerwiegende Probleme und Belastungen für das zu
künftige Filmleben in unserer Stadt. Dies kann und darf
an dieser Stelle nach meiner Überzeugung nicht verharm
lost werden, auch wenn es vielleicht vom wirtschaftlichen
Standpunkt aus mehr in den Bereich Wirtschaft gehört.
Und ich möchte den Herrn Senator ausdrücklich bitten,
sich verstärkt — und ich kenne die finanzielle Proble
matik ohne Zweifel — auch um den Bereich Literatur
förderung in unserer Stadt zu kümmern.
Wenn wir alle davon ausgehen müssen, daß die finan
ziellen Möglichkeiten auch in Zukunft knapp sein werden,
so sollten wir doch ernsthaft bedenken, ob wir es uns
gerade in Berlin leisten können, womöglich überpropor
tional finanzielle Rücknahmen, Einschränkungen im Kul
turbereich hinzunehmen; denn, meine Damen und Herren,
Berlin lebt — und da sind wir uns wohl in diesem Hause
unter allen drei Fraktionen einig — außerordentlich stark
in seinem Image und in seiner zukünftigen Funktion von
dem Gesamtbild als Kulturstadt und Bildungsstadt in
Deutschland als Nummer 1 in diesem Bereich; und wir
sollten uns sehr gut überlegen, ob wir hier nicht doch zu
sätzliche Maßnahmen ergreifen können. Das, was im
Femsehbereich zur Zeit passiert, ist außerordentlich ge
fährlich. Und ich darf den Herrn Senator herzlich bitten,
sich auch die Überlegungen des Verbandes Deutscher
Schriftsteller in der IG Druck und Papier — wir stehen
der IG Druck und Papier nicht so nahe wie Sie — zu
Herzen zu nehmen und zu überlegen, was Sie da in diesem
Bereich tun können.
Noch ein letztes Wort: Sie haben einen Bericht über die
bildende Kunst in dieser Stadt vorgelegt. Wir haben diesen
Bericht zum Teil schon im zuständigen Ausschuß beraten.
Ich muß hier nur feststellen, daß der Bericht ohne Zwei
fel ausgezeichnete Leitvorstellungen und Ideen enthält;
leider enthält er auch ein deutliches Eigentor, nämlich
die eigene Einschränkung, daß für die Realisierung dieser
Vorstellungen in dieser Stadt das Geld nicht existiert. Dies
ist natürlich ein Eigentor, wenn der Senat hier formuliert,
er habe nicht die Mittel für konzeptionelles Verhalten in
diesem Bereich der bildenden Kunst in dieser Stadt. Ins
gesamt reduziert sich dann dieser Bericht auf die be
rühmte Kunsthalle — ich will das hier nicht vertiefen —;
aber dieses, meine Damen und Herren, ist ohne Zweifel
als Ergebnis dann zu wenig. — Ich danke Ihnen!
(Beifall bei der F.D.P.)
Stellv. Präsident Dr. Schönherr: Das Wort hat Herr
Senator Dr. Stein.
Ich bitte das Plenum, nicht lauter zu sprechen als der
Redner selbst. Das stört!
(Zuruf: Sehr gut! — Abg. Schmitz: Hervorragend!)
Dr. Stein, Senator für Wissenschaft und Kunst: Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sicherlich in
keiner sehr leichten Situation, am Ende eines langen Tages
hier noch meinen Haushalt zu vertreten, bevor hier im
Hause abgestimmt wird, und mich dabei auch der Ge
schäftsordnung dieses Hauses zu fügen, nach der mir
zehn Minuten zur Verfügung stehen. Ich habe nachgerech
net; Pro 100 Millionen DM etwa eine Minute, das heißt
pro 1 Million DM 0,6 Sekunden.
(Heiterkeit — Abg. Zellermayer: Zeichen der
Inflation!)
Gewisse Lücken in meiner Argumentation mögen auch
auf diesen Zeitdruck zurückzuführen sein; ich bitte, das
also freundlichst zu berücksichtigen. Ich werde also ver
suchen, meine Notizen rasch umzublättern und rasch zu
sprechen.
(Beifall — Abg. Lummer: Rasch ist Ihnen
dankbar!)
Ich möchte damit beginnen, daß ich Herrn Lorenz
zitiere, der gestern hier in diesem Hause gesagt hat: Eine
Aufgabe, die Berlin auch nach dem Viermächte-Abkom
men erfüllen muß, ist Ausstrahlung und Anziehungskraft
zu haben, und zwar das auch wieder ganz besonders als
kulturelles Zentrum. — Nun, ich greife diese Diktion der
Opposition auf und vertrete hier die These gegen jeden
Angriff, der dagegen kommen könnte: In der letzten
Legislaturperiode, an derem Ende wir stehen, von 1970
bis 1974, hat die kulturelle Ausstrahlung und Anziehungs
kraft Berlins im kulturellen Sektor zugenommen: hat zu
genommen, hat nicht abgenommen,
(Beifall bei der SPD — Abg. Dr. Haus; Jawohl! —
Abg. Lummer: Es fehlt noch der Beweis,
Herr Senator!)
sondern konnte an wesentlichen Stellen erweitert werden.
Ich hoffe, das auch dann klarmachen zu können, wenn
ich alle diese Erweiterungen — wie eben dargelegt —
höchstens in Stichworten andeuten kann und mir hier
nicht den Luxus erlauben will, lange Ausführungen über
jeden Fortschritt zu machen, den wir hier gemacht haben.
Nun, meine Damen und Herren, Ich hatte geglaubt
— vielleicht ähnlich wie Herr Rasch —, man könnte mal
den Abschluß der Legislaturperiode dazu verwenden, ein
mal die Gewichte umzukehren und nicht nur von Hoch
schulen hier zu sprechen, sondern auch von den wichtigen
anderen Kulturbereichen. Eigentlich im letzten Moment
habe ich mich entschlossen, doch davon abzukommen, zu
nächst diesen kulturellen Bereich abzuhandeln: auch ich
komme zuerst zu den Hochschulen, und auch die Oppo
sition hat ja gezeigt — gerade auch mit ihren sehr pole
mischen Äußerungen zur Hochschulpolitik des Senats -—,
daß sie diesem Gebiet mindestens eine sehr große, wenn
auch von ihrem Gesichtspunkt aus offenbar negative Be
deutung gibt. Ich will auch hier nicht den Eindruck er-
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