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Volume Nr. 64, 14.12.73

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1973, 6. Wahlperiode, Band III, 43.-65. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - G. Wahlperiode 
64. Sitzung vom 14. Dezember 1973 
Beim Halbzeitbericht erklärte der Herr Senator, er werde 
bis zum Ende des Jahres 1973 einen Seniorenplan vor 
legen. Dafür wurde eine Konzeption zur Verbesserung der 
Zustände im Bereich der Obdachlosen, die ebenfalls bis 
Ende 1973 vorgesehen war, verschoben. Ich sehe nur, daß 
wir im Moment weder den einen noch den anderen Plan 
haben, und kann nur hoffen, daß der Seniorenplan mög 
lichst bald vorgelegt wird und möchte die Frage stellen, 
ob daraus keine haushaltsmäßigen Auswirkungen für 1974 
zu erwarten sind. — Ich danke Ihnen! 
(Beifall bei der CDU) 
Stellv. Präsident Lorenz: Das Wort hat der Abgeordnete 
Meyer! 
Meyer (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten 
Damen und Herren! Ich glaube, das Haus ist sich darüber 
klar, und von der CDU haben wir eben erfahren, daß auch 
sie genau so wie wir der Auffassung ist, daß dieser Sozial 
etat und der Etat der Abteilung Arbeit und Sozialwesen 
ein ausgeglichener ist im Gegensatz zu dem, was von Herrn 
Krüger hier gesagt worden ist, als er nämlich meinte, er 
müsse sich an ein Tempo gewöhnen, das langsam ist. Ich 
weiß nicht, von wem Sie das gehört haben, 
(Abg. Krüger: Von Ihnen!) 
— von mir aus nicht. Von mir können Sie das nicht gehört 
haben, denn für mich kann ein Tempo niemals schnell 
genug sein, lassen Sie mich das sagen. 
Der Sozialetat — das möchte ich sagen — war früher 
der Etat, der hier eine stundenlange Debatte ausgelöst hat. 
Sie ist heute Gott sei Dank nicht mehr notwendig, eben 
weil auf dem Sozialsektor — wenn auch nicht alles, aber 
doch sehr viel erreicht worden ist. 
Lassen Sie mich ein Problem herausgreifen, das Sie ge 
rade angesprochen haben: das Problem der Obdachlosen 
heime. Auch wir sind der Auffassung, daß auf diesem Sek 
tor noch sehr viel getan werden muß. Aber erinnern wir 
uns auch daran, wie das Problem war, als wir noch nicht 
die Frage der Obdachlosenheime in den einzelnen Bezirken 
zu vertreten hatten, als es ein zentrales Obdachlosenheim 
gab. das wirklich nicht den Ansprüchen gerecht wurde, die 
auch heute noch zu regeln sind. Aber hier muß man doch 
einmal einen Appell an diejenigen richten, die private 
Hausvermieter sind, nämlich diejenigen, die sich ständig 
weigern, kinderreiche Familien in ihren Häusern aufzuneh 
men und aus diesem Grunde sehr viele kinderreiche Fami 
lien ohne deren Schuld in Obdachlosenheime eingewiesen 
werden müssen, 
(Sen Liehr: Sehr richtig!) 
damit sie überhaupt ein Unterkommen haben. 
(Beifall bei der SPD) 
Hier zeigt sich dann natürlich die Problematik der Kinder 
und der heran wachsenden Jugend, und deswegen von hier 
aus der Appell an alle, die auch größere Wohnungen zu 
vermieten haben, daß sich alle einmal überlegen, wie not 
wendig es ist, gerade auf diesem Sektor etwas zu tun. 
Ich bin der Auffassung, daß gerade im Sektor der Sozial 
arbeit viel mehr Kräfte notwendig sind, um die Mängel, die 
entstanden sind, auszugleichen. Und ich möchte noch ein 
mal betonen, daß wir mit allen übereinstimmen, die da 
sagen, daß dieser Etat einer der ausgeglichensten ist. Wir 
hoffen, daß in den kommenden Jahren noch weniger Zeit 
dazu verwandt wird, weil wir bereits in der Vorarbeit in 
den Ausschüssen mit der Senatsabteilung gemeinsam ver 
suchen, diese Probleme so zu lösen, daß wir eines Tages 
sagen können: Auf dem sozialen Sektor hat dieses Haus 
gemeinsame gute Arbeit geleistet. 
(Beifall bei der SPD) 
Stellv. Präsident Lorenz: Das Wort hat der Abgeordnete 
Rudolf Müller. 
Müller (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Die Ausführungen des Kollegen Abgeordneten Hitzig 
rath veranlassen mich, hier noch einmal zu sprechen zum 
Problem der Obdachlosenhilfe, obwohl ich das eigentlich 
nicht wollte. 
Verehrter Herr Kollege Hitzigrath! Wer Ihre Hofsänger- 
arie hier gehört hat, 
(Abg. Hitzigrath: Wir sind doch hier nicht 
beim Mainzer Karneval!) 
— entschuldigen Sie bitte diese Formulierung, aber leider 
kann ich es nicht anders ausdrücken — der mußte zu dem 
Ergebnis kommen, daß wir doch einen außerordentlich 
tüchtigen Senat haben, der in diesem Bereich sehr viel 
getan hat. 
(Zurufe von der SPD: Richtig! — Beifall) 
Ich muß Ihnen leider vorwerfen, verehrter Herr Kollege, 
daß Sie mit zwei Zungen sprechen, und ich erlaube mir aus 
diesem Grunde, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten, 
zu zitieren aus dem Protokoll über die 27. Sitzung des Aus 
schusses für Arbeit und Soziales: „Abgeordneter Hitzig 
rath sagt, der Bericht sei auch für die Fraktion der SPD 
nicht befriedigend. Er begrüße es, daß der Senat sein Kon 
zept vorlegen wolle. Ein Jahr sei jedoch zu lange. Deshalb 
halte er den Antrag der CDU insgesamt für richtig, bitte 
aber, anstatt „alsbald" die Worte „so schnell wie möglich“ 
einzusetzen.“ 
(Abg. Dach: Hört! Hört!) 
Herr Hitzigrath! Sie haben in Ihren Ausführungen 
erstens verschwiegen, daß der Senat bzw. der anwesende 
Senatsdirektor angekündigt hat, daß das Konzept zur Ob 
dachlosenhilfe zu den Maßnahmen erst frühestens in der 
zweiten Jahreshälfte 1974 vorliegen werde. Sie haben fer 
ner verschwiegen, daß der CDU-Antrag vorsah eine zeit 
liche Einbindung des Senats, nämlich zum 31. März 1974. 
Sie haben verschwiegen, daß der Senat — wenn er ein der 
artiges Konzept vorlegt —- ja nicht etwa vom Punkt Null 
anfängt; dann, könnte man sagen, sei ein Viertel- oder ein 
halbes Jahr zu kurz. Es ist doch so, daß der Senat bereits 
eine Reihe von Berichten vorgelegt hat, darunter auch 
einen detaillierten Bericht über die Möglichkeiten der Ver 
besserung der Maßnahmen zur Resozialisierung der Ob 
dachlosen — Senatsbeschluß Nr. 1253/68 — vom 19. No 
vember 1968. Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, 
verehrter Herr Kollege, diesen Bericht einmal sorgfältig 
zu studieren, dann hätten Sie feststellen müssen, daß in 
diesem Bericht bereits ein sorgfältig ausgearbeitetes Kon 
zept vorliegt. Die Schwierigkeit, vor die sich der Senat 
allerdings offensichtlich gestellt sieht, ist es, dieses Kon 
zept auf die Gegenwart fortzuschreiben und vor allen Din 
gen dieses Konzept durchzuführen. Die Bezirke haben be 
reits 1969, als sie feststellten, daß von 38 städtischen Ob 
dachlosenheimen nur 3 Obdachlosenheime ohne jegliche 
Beanstandung in baulicher Hinsicht waren, einen Finanz 
bedarf von 4,137 Mio DM angemeldet. In den drei darauf 
folgenden Jahren, nämlich von 1970 bis 1972, wurden 
2,7 Mio DM für die Renovierung ausgegeben. Das heißt: 
Anderthalb Mio DM weniger als die Bezirke für notwen 
dig hielten. Sie haben nicht erwähnt, daß beispielsweise 
bei 303 — das heißt bei einem Drittel — lembehinderten 
Kindern in Schularbeitszirkeln nur 150 bis heute betreut 
werden. 
Sie haben schließlich auch nicht gesagt — wohlweislich 
verschwiegen —, daß Sie nicht die Zivilcourage hatten, ob 
wohl Sie mit uns in der Kritik des Senats im Ausschuß 
einer Meinung waren, gegen die Ausführungen des Senats 
direktors mit uns zusammen den Senat auf einen festen 
Termin einzubinden. Und Sie haben vorgestern abend, ver 
ehrter Herr Kollege, als Sie sich weigerten, eine sofortige 
Abstimmung eines Antrages zuzulassen, der bereits im 
Ausschuß für Arbeit und Soziales behandelt worden war, 
ein weiteres beschämendes Beispiel für Ihre mangelnde 
Zivilcourage in Ihrer Fraktion gegeben! 
(Beifall bei der CDU) 
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