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Volume Nr. 63, 13.12.73

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1973, 6. Wahlperiode, Band III, 43.-65. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin — 6. Wahlperiode 
63. Sitzung vom 13. Dezember 1973 
müßte man allerdings bei der Politik dieses Senats eigent 
lich noch eine Million DM drauflegen. Denn mit seiner 
Politik allein kann er für diese Stadt nach unserer Über 
zeugung nicht werben. Vielleicht mag mir an dieser Stelle 
der Tip erlaubt sein, die Informationsbroschüren des Se 
nats demnächst mit dem Steglitzer Kreisel als Aufmacher 
zu versehen. 
Neben dem Gesamtaufwand für die Berlin-Informatio 
nen muß aber auch der Inhalt kritisch überprüft werden. 
So sehr wir die Darstellungen der Verbesserung der Lage 
in und um Berlin nach dem Viermächte-Abkommen für 
richtig halten und begrüßen, so sehr müssen wir allerdings 
für bedenklich erachten, wenn in einigen Informations- 
filmen über Berlin die objektiv bestehenden Probleme die 
ser Stadt verschwiegen werden. Es geht einfach nicht an, 
und es gehört zu einer verantwortungsbewußten Informa 
tionspolitik, objektiv über die Lage in und um Berlin zu 
berichten. Daß mancher in dieser Stadt darunter aller 
dings wiederum Schwarzmalerei für die Situation und Zu 
kunft Berlins versteht, ist dem Senat nicht anzulasten. 
Die Beziehungen zwischen Berlin und dem Bundesgebiet 
gehören in die besondere Verantwortung des Senators für 
Bundesangelegenheiten. Aufgrund dieser besonderen Be 
deutung und auch aufgrund der Tatsache, daß eine haus 
haltspolitische Kontroverse über diesen Einzelhaushalts 
plan jedem in diesem Hause schwerfällt, wird die F.D.P.- 
Fraktion dem Einzelhaushalt Bundesangelegenheiten zu 
stimmen. 
Dies allerdings kann man nicht mehr für den Einzelplan 
des Senators für Inneres sagen, in dessen Verantwortung 
die Personalwirtschaft liegt. Wir hatten für die Beratung 
im Hauptausschuß eine kritische Überprüfung der Stellen 
anforderungen in diesem Haushaltsplan angekündigt. Man 
kann nicht leugnen, daß sich der Hauptausschuß insge 
samt um diese kritische Überprüfung bemüht hat. Der Er 
folg allerdings ist minimal, da nur in wenigen Fällen die 
echte Notwendigkeit einer neuen Personalstelle genau von 
uns festgestellt werden konnte. Bei jeder Haushaltsbera 
tung muß daher auch erneut die Frage gestellt werden, ob 
unser System der Stellenschlüssel nicht doch, wie im „Ver 
gleichsspar- und Stadtstaat“ Hamburg, durch die analyti 
sche Dienstpostenbewertung ersetzt werden sollte. Die Ge 
fahr, daß wir uns in der Praxis mehr Personal leisten, als 
notwendig ist, scheint mir nicht mehr von der Hand wei 
send zu sein. 
Merkwürdige Stilblüten allerdings treibt die Personal 
politik des Senators für Gesundheit und Umweltschutz. Die 
von ihm beantragten Stellen für Planer sind nach Über 
zeugung meiner Fraktion überflüssig. Gewiß, Planung ist 
„in“. Es scheint uns allerdings fast ein Treppenwitz zu 
sein, wenn der ehemalige Gesundheitssenator Wolters bei 
gleicher Personalausstattung die Zentralisierung eines ra 
tionellen Krankenhauswesens plant, der Gesundheitssena 
tor Pätzold die Zentralisierung zwar gegenüber den be 
zirklichen Zuständigkeiten opfert, dafür aber für ver 
stärkte Planung in seiner Zentrale Planstellen anfordert 
und auch bekommt. Daß ausgerechnet der ehemalige Se 
natsdirektor bei Finanzen eine derartig aufwendige Per 
sonalpolitik betreibt, muß schon verwundern. 
Traurig muß uns auch die Odyssee der Universitätsein 
richtung Perinatale Medizin stimmen. Der Hauptausschuß 
hat sich mit dieser Reise durch die Krankenhäuser be 
schäftigt. Ob nun das Haus Dahlem wirklich zu der ge 
planten zehnjährigen Zwischenstation wird oder ob eine 
andere Zukunft sich irgendwo für diese Einrichtung dar 
stellt, möchte ich nach der leidvollen Erfahrung der Ver 
gangenheit füglich bezweifeln. Wir haben, sowohl was die 
Kostenentwicklung von drei auf ca. zehn Milllionen DM als 
auch was diese Rundreise angeht, recht frühzeitig eine 
derartige Enwlcklung vorhergesehen und auch den Senat 
davor gewarnt. 
Ich möchte an dieser Stelle der Versuchung widerstehen, 
im Zusammenhang mit dem Einzelplan 08 — Wissenschaft 
und Kunst — längere Ausführungen zur Entwicklung der 
Hochschulen zu machen. Wir werden — wie alle Jahre wie 
der — im Rahmen der Beratung des Einzelplanes später 
genügend Gelegenheit haben — und ich bin sicher, daß 
dieses Haus das auch extensiv nutzen wird —, zu den Ein 
zelfragen Stellung zu nehmen. Aber eines wurde in den 
Beratungen des Hauptausschusses zur Hochschulentwick 
lungsplanung deutlich, daß zur Zeit keiner so recht weiß, 
wie diese Hochschulentwicklungsplanung, d. h. Ausbau und 
Bedarf für die nächsten Jahre, aussehen soll. Die Zahlen 
der mittelfristigen Finanzplanung stimmen nicht mehr mit 
denen überein, die der Senat im Hauptausschuß genannt 
hat, und diese stimmen nicht mehr mit denen überein, die 
der Senator für Wissenschaft und Kunst im zuständigen 
Ausschuß genannt hat. Wir werden sehen, was in dem 
endlich für Frühjahr 1974 angekündigten Hochschulent 
wicklungsplan stehen wird. Eines ist gewiß, wieder neue 
Zahlen. 
Zum Kulturteil dieses Einzelplanes ist aufgrund der 
Hauptausschußberatung anzumerken, daß die Oper die 
alte Tradition wahrt, sich nicht an den vorgegebenen 
Haushaltsrahmen zu halten. Den staatlichen Bühnen unter 
dem Intendanten Lietzau gebührt nach unserer Ansicht 
das Lob, eine wesentlich bessere Relation zwischen finan 
ziellem Aufwand und künstlerischer Leistung erbracht zu 
haben. 
(Abg. Schwarz: Zensor!) 
Wie in den Vorjahren, meine Damen und Herren, haben 
wir auch in diesem Jahr über die Zuschüsse an die Privat 
theater debattiert. Mit der Fehlentscheidung der SPD- 
Fraktion in Sachen „Tribüne“ gegen den Senat im vorigen 
Jahr ist ein vernünftiges Konzept nach unserer Überzeu 
gung zur Unterstützung der Privattheater in Berlin ver 
hindert worden. Die Auswirkungen dieser Fehlentschei 
dung wirken sich auch im Jahre 1974 aus, und der Herr 
Berichterstatter hat bereits auf das Problem — die Diskus 
sion Forum — hingewiesen. Das Gießkannenprinzip ist in 
diesem Bereich erhalten geblieben. Die gezielte Förderung 
der Schaubühne am Halleschen Ufer möchte ich an dieser 
Stelle ausdrücklich namens meiner Fraktion begrüßen. 
Es gäbe zum Einzelplan 08 noch eine Fülle von Einzel 
details — vor allen Dingen auch im Kulturbereich — hier 
vorzutragen. Ich darf nur allgemein feststellen, daß nach 
unserer Überzeugung der Kulturbereich leider, leider im 
mer wieder dem Hochschulbereich nachgeordnet wird. Ich 
hoffe sehr, daß es uns gelingen wird, eines Tages hier eine 
gewisse Ausgeglichenheit und Ausgewogenheit auch in der 
parlamentarischen Beratung und Diskussion zu erreichen. 
Was sich allerdings im weiten Bereich der Hoch- und 
Tiefbaumaßnahmen in dieser Stadt tut, meine Damen und 
Herren, muß nach Meinung meiner Fraktion scharf miß 
billigt werden. Die Fehlplanung des Kongreßzentrums 
blockiert mit ihren Millionen im Haushalt 1974 ein großes 
Stück Manövriermasse und damit Geld für bürgernahe 
Reformpolitik. Daß die Gesamtkosten womöglich die 500- 
Millionen-Marke bereits erreicht haben, war vorhersehbar, 
und ich kann nur meine Befürchtung aus der I. Lesung 
dieses Haushalts wiederholen: 700 Millionen DM werden 
gewiß nicht das letzte Wort sein. Wenn man daran und 
an die Nachfolgekosten denkt, dann ist es selbst heute 
nicht zu spät, dieses Projekt zu streichen. In der Freien 
und Hansestadt Hamburg ist man jetzt schon zu der Ein 
sicht gelangt, daß sich das Kongreßzentrum zu einer 
großen Fehlplanung entwickeln kann und die Nachfolge 
kosten in keinem Verhältnis zu dem erwarteten Nutzen 
stehen. 
Der Steglitzer Kreisel ist ohne Zweifel ein Symbol für 
die Haushaltspolitik dieses Senats, wobei auch hier die 
Nachfolgekosten die für andere Bereiche wie Schul- und 
Gesundheitswesen dringend erforderlichen Mittel blockie 
ren werden. Die Vorschläge, wie man die vielen Räume des 
Steglitzer Kreisels in Zukunft wird verwenden können, 
reichen von der Freien Universität über die dringend be 
nötigte Kunsthalle bis hin zum Abgeordnetenhaus von 
Berlin. Auch das Kudamm-Eck scheint — wie man hört — 
nicht mehr lange warten zu wollen, um unter die Flügel 
der öffentlichen Hand zu schlüpfen. Nimmt man die hier 
aufgewendeten oder noch aufzuwendenden Mittel insge 
samt für das Jahr 1974 zusammen, so sind schnell in die 
sem Bereich 100 Millionen DM erreicht. Was hätte mit 
diesen Mitteln nicht alles in den genannten Bereichen der 
Bildungs- und Gesundheitspolitik getan werden können! 
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