Abgeordnetenhaus von Berlin — 6. Wahlperiode
62. Sitzung vom 12. Dezember 1978
— Sehr verehrter Herr Abgeordneter, ich habe Ihnen das
erklärt, wann wir auch im Rahmen der Innenminister
konferenz diese Meinung vertreten und dann auch durch
gehalten haben und viele Innenminister nicht unserer
Meinung waren
(Abg. Boroffka: Weil das Problem in den Ländern
anders ist als in Berlin! — Weitere Zurufe von der
CDU — Widerspruch bei der SPD)
— Na ja, Sie machen sich das sehr einfach; auch andere sind
aus dieser Verantwortung nicht zu entlassen. Aber zwei
Punkte sind es: Es ist ein entscheidender Schritt, wenn
wir einen Alleingang machen, der mit vielen Problemen
verbunden ist
(Zuruf von der CDU: Ja!)
— danke! —, und den will ich erst dann tun — dieses sage
ich allerdings —, falls der Verdacht aufkommen sollte,
daß es irgendwo Papiertiger gibt, sonst bundeseinheitlich.
Und zweitens; Wer auf ein Verbot von Organisationen
zustrebt und Wirkung von diesem Verbot erwartet, soll
sich künftig überlegen, ob er dies in öffentlicher Debatte
des Abgeordnetenhauses tut.
(Beifall bei der SPD und der F.D.P. — Unruhe)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete Dr.
Rass.
Dr. Rass (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Nach den Ausführungen des Kollegen Oxfort und
des Innensenators bleibt eigentlich nicht mehr viel zu
sagen. Es ist aus gutem Grund nicht üblich, daß man
gegenseitig hier im Hause Zensuren erteilt,
(Abg. Lorenz: Das sagen Sie mal Ihrem
Bürgermeister!)
ich möchte aber doch darauf hinweisen, daß nach meiner
Meinung die Ausführungen von beiden Rednern vorbild
lich sachlich, vorbildlich nüchtern und von jenem Mut zur
Ehrlichkeit gekennzeichnet waren, der eine ganz wichtige
Voraussetzung ist, mit diesem schwierigen Problem fertig
zu werden.
(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)
Ich glaube aber, es ist notwendig, auch zu den Aus
führungen des Kollegen Lorenz doch noch einige kurze
Anmerkungen zu machen, nicht, weil ich die Unsachlich
keiten, Herr Kollege Lorenz, die leider wieder in Ihren
Ausführungen enthalten waren, richtigstellen möchte;
wir haben dies wiederholt getan. Auch nicht, weil ich
unterstreichen möchte, in welchen Teilen Ihrer Ausfüh
rungen wir einig sind, denn auch das haben wir wiederholt
festgestellt. Weil ich Ihnen aber gerade unterstelle, trotz
aller unterschiedlicher Einschätzung der politischen Maß
nahmen, daß Sie bei Ihren Vorschlägen von ehrenwerten
Motiven getragen werden, muß ich Sie fragen, Herr Kol
lege Lorenz;
(Unruhe bei der CDU — Zurufe von der CDU)
Sie wissen genau, daß dieser Aktionismus des KSV, der
uns hier in Berlin so zu schaffen macht, eben kein spezi
fisch Berliner Problem ist.
(Abg. Lorenz; Aber wir haben uns damit zu
beschäftigen!)
Ich erinnere an die beiden Beispiele; Denken Sie an das,
was man den Sturm auf das Rathaus in Bonn genannt
hat, denken Sie an die Schwierigkeiten, die die CDU-
Regierung in Baden-Württemberg mit der Universität
Heidelberg hat. Ich nenne absichtlich nur zwei Beispiele.
Ich frage Sie, Herr Kollege Lorenz, warum lassen Sie
dieses aus ? Sie reagieren so empfindlich — oder zumindest
Teile Ihrer Fraktion — auf eine Erklärung von unserer
Seite, warum lassen Sie diese Dinge aus, wo doch jeder
weiß, daß das ein Problem ist, das nur bundesweit zu
behandeln, bundesweit zu lösen und dem keineswegs bei
zukommen ist mit Vorwürfen, daß der Berliner Senat al
lein untätig sei.
Ich muß Sie auch weiter fragen; Warum stellen Sie
diesen Antrag heute? Sie haben die Antwort gegeben:
Als neuerliche Mahnung. Nun muß ich aber nach den letzten
Ausführungen und Zwischenrufen, die wir von der CDU
gehört haben, hier doch unterstellen, daß offensichtlich die
Kommunikation und der Austausch der Meinungen inner
halb der CDU nicht gut funktioniert, denn sonst müßte
ich Ihnen in der Tat ähnliches unterstellen, wie es Herr
Innensenator Neubauer gemacht hat. Sie sollten eigentlich
wissen — und ich meine, viele von Ihnen wissen —, daß
die Innenminister — und zwar auch die Innenminister der
CDU-regierten Länder — seit geraumer Weile diesen
Punkt beraten; und mehr noch, Sie müßten eigentlich
auch von diesen internen Konferenzen wissen, welche Hal
tung gerade der Innensenator hier einnimmt. Und dann
frage ich mich: Was soll denn diese neuerliche Mahnung?
Gehen Sie doch mal nach Stuttgart, dort sollten Sie die
Mahnung anbringen, aber nicht hier. Gehen Sie nach Bonn,
da haben Sie die zuständige Stelle, nämlich den Bundes
innenminister, da müssen Sie tätig werden. Erklären Sie
mir, warum hier und heute. Erklären Sie mir bitte weiter
— das gilt für die Kollegen im Wissenschaftsausschuß,
die sich immer so intensiv darum bemühen, uns als SPD
zu unterstellen, wir würden uns nicht in der richtigen
Weise um die Universitäten kümmern.
(Zuruf: Ist das keine Unterstellung?)
Was hat denn Professor Koenigs, der Ihnen sicherlich doch
— das darf ich sagen — nicht allzu fernsteht, davon ge
sagt, wie Ihr Antrag auf den KSV wirkt? Das ist eine
Aufwertung, es ist nicht meine Aussage, das sagt Profes
sor Koenigs von der Notgemeinschaft. Sie sollten das sehr
ernsthaft prüfen und dabei einbeziehen, daß wir im Mo
ment an der Technischen Universität Wahlen haben. Von
Dienstag bis Freitag werden die studentischen Vertreter
in die Fachbereiche gewählt. Was Sie hier machen — es
tut mir leid — ist eine direkte Wahlhilfe für den KSV,
das müssen Sie sich sagen lassen.
(Zuruf von der SPD: Sehr richtig! — Abg. Lorenz:
Schlimm genug, wenn Sie dieser Auffassung sind!)
— Bitte, Sie können das diskutieren, die Tatsachen krie
gen wir nicht weg.
(Abg. Lummer; Vielleicht muß man den KSV
fördern, damit er weniger Stimmen bekommt!)
Man kann sich überlegen — dies hat Herr Senator Neu
bauer sehr eindeutig ausgeführt —, wann man einen sol
chen Antrag stellt. Ich möchte nun fragen: Was bringt
dieser Antrag positiv? Herr Kollege Oxfort hat sehr ein
dringlich darauf hingewiesen, welche negativen Auswir
kungen entstehen, wenn nun nach sorgfältiger Abwägung
bei allen Innenministern — ich wiederhole immer wieder,
also auch bei den Innenministern der CDU-regierten Län
der — zum Schluß in Abwägung aller Gründe eben doch
herauskommt: Hier und heute nicht. Das kann man nicht
ausschließen. Ich brauche die Worte nicht zu wiederholen,
die Herr Kollege Oxfort gesagt hat. Und umgekehrt noch
einmal unterstrichen, was der Innensenator gesagt hat:
Wenn wir nun tatsächlich nach einer gewisesn Zeit zu
einem Verbot kommen, dann ist das doch wohl Unvernunft
bis zur Potenz, vorher groß anzukündigen und zu tönen:
Wir werden verbieten mit all den Nebenwirkungen, die wir
gestern und heute schon wieder erlebt haben, und dann
nach einer gewissen Zeit zu handeln. Wie man hier vorzu
gehen hat, wissen Sie genauso gut wie ich.
Als Regierungspartei hat man es nicht so einfach, zu
sagen: Der Antrag bringt nichts, was soll das, sondern
man steht in der Verantwortung, man muß sich über-
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