Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
G2. Sitzung vom 12. Dezember 1973
Aber während das wirkliche Problem langfristig wohl
nur geistig-politisch mit Aussicht auf Erfolg bekämpft wer
den kann, wenn alle Demokraten entschlossen sind, diesen
Kampf gemeinsam zu führen, stellt der Aktionismus des
KSV eine konkrete, die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
erfüllende und direkte Verletzung der Rechtsordnung dar.
Würden bei uns die zum Schutze unserer Rechtsordnung
eingesetzten Institutionen noch überall, auch an den Hoch
schulen, ordnungsgemäß funktionieren, dann wäre dar
über hier wahrscheinlich keine Debatte erforderlich. Näm
lich die Staatsanwaltschaft hätte allein aufgrund der täg
lichen Presseinformationen die entsprechenden Ermittlun
gen längst aufgenommen und mit der Polizei die notwen
digen Maßnahmen getroffen. Wir können jedoch leider nicht
erkennen, daß die Verantwortlichen sich endlich dazu ent
schlossen hätten, die erforderlichen Maßnahmen einzulei
ten und den gestörten Rechtsfrieden an den Hochschulen
wiederherzustellen. Deshalb stellen wir den Verbotsantrag
nach den Bestimmungen des § 3 des Vereinsgesetzes. Unser
Antrag ist als neuerliche Mahnung an die zur Sicherung
des Rechtsfriedens berufenen Personen zu verstehen, das zu
tun, wozu sie von Amts wegen verpflichtet sind und worauf
sie ihren Amtseid abgeleistet haben.
(Beifall bei der CDU)
Es ist nach unserer Auffassung unerträglich, daß die Ge
waltkriminalität an unseren Hochschulen praktisch einen
Freiraum besitzt, in dem sich Gruppen ungestört in einer
Weise betätigen können, wie das der KSV tut. Hausfrie
densbruch, Nötigung, Freiheitsberaubung und Geiselnahme,
Körperverletzung, Diebstahl und Raub werden nachweislich
von seinen Mitgliedern begangen, ohne daß die zur Ver
brechensbekämpfung verpflichteten Organe bisher durch
greifend tätig geworden sind. Wenn das ungehindert so
weitergeht, dann schwindet das ohnehin erheblich vermin
derte Vertrauen der Berliner in die Fähigkeit der Ord
nungsorgane, die Bürger wirkungsvoll schützen zu können,
mehr und mehr. Für die Bevölkerung nämlich sind die täg
lichen Pressemeldungen über das Bandenunwesen an den
Hochschulen noch beunruhigender als die Nachrichten über
die allgemeine Kriminalität in der Stadt insgesamt. Die
Berliner fragen sich zu Recht, was in unserer Stadt werden
soll, wenn diese Jungakademiker eines Tages ins Berufs
leben gehen und beispielsweise ihre Vorgesetzten, die Leh
rer ihrer Kinder oder Richter werden.
(Abg. Wronski: Oder Abgeordnete!)
Aber auch die Mehrzahl der Studenten muß nach unserer
Auffassung vor den antidemokratischen und kriminell
handelnden Gruppen geschützt werden. Das Rowdytum hat
derart überhand genommen, daß Appelle an die Studieren
den, von sich aus dem Treiben des KSV Widerstand ent
gegenzusetzen, allein nichts mehr nützen. Auch die vielen
Hochschulbediensteten, die teilweise wegen des Verhaltens
des KSV schon in den Streik getreten sind, wie wir wissen,
haben ein Recht auf Schutz des Staates. Es bleibt übrigens
angesichts der herrschenden Verhältnisse beachtenswert,
daß es immer wieder Professoren, Assistenten und auch
Studenten gibt, die sich nicht einschüchtern lassen. Wir
können sie darin nur nachhaltig unterstützen. Gegen diese
Dozenten, Assistenten und Studenten entfacht der KSV
eine systematische Terrorkampagne. In einem von der
KSV-Zelle Bauwesen/Maschinenbau herausgegebenen Flug
blatt wird angekündigt:
Deshalb werden Sie auch in Zukunft keine ruhige
Minute mehr haben. Wo Sie gehen und stehen, werden
Sie sich den Fragen der fortschrittlichen und anti
imperialistischen Studenten gegenübergestellt sehen,
die Ihnen mit Haß entgegentreten werden.
Über einen besonders mißliebigen Professor, dessen Vor
lesungen laufend gesprengt werden, wird erklärt, man
werde ihn auf Schritt und Tritt als Volksfeind verfolgen
und aus der TU jagen. Dieser Ankündigung sind Taten ge
folgt. Vorlesungen werden gestört und müssen abgebrochen
werden, Hochschullehrer werden beschimpft, festgehalten
und geschlagen. Am 29. November drangen etwa 300 Per
sonen, unter ihnen viele, die als KSV-Aktivisten bekannt
sind, in den Sitzungssaal des akademischen Senats der
Freien Universität, versperrten die beiden Ausgangstüren
und blockierten das einzige Telefon im Raum. Die Mit
glieder des akademischen Senats durften den Raum erst
nach anderthalb Stunden verlassen, nachdem Mitglieder
der linken Senatsfraktion versprochen hatten, auf der
nächsten akademischen Senatssitzung über vom KSV er
hobene Forderungen zu diskutieren. Der Vorfall am 9. No
vember in der TU, bei dem der TU-Professor Folkmar
Koenigs gewaltsam aus dem TU-Gebäude verschleppt, mit
Fausthieben und Fußtritten traktiert und schließlich auf
der Hardenbergstraße niedergestoßen wurde, ist hier ebenso
wie das beschämende Verhalten des Universitätspräsiden
ten Wittkowsky in diesem Zusammenhang bereits erörtert
worden. Das rundet das Bild ab, das der KSV von sich ver
mittelt. Wir sind überzeugt, daß es sich beim KSV auch um
eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 des Straf
gesetzbuches handelt, dessen Tätigkeit darauf angelegt ist,
strafbare Handlungen zu begehen. Die gemeinsame Ver
abredung und Planung solcher Straftaten geht zur Genüge
aus den Druckschriften, Flugblättern und sonstigen Ver
öffentlichungen hervor, die vom KSV herausgegeben wer
den. Die Praxis beweist ihre Umsetzung in die Tat an den
Universitäten und Hochschulen.
Wir fordern daher den Senat auf, den KSV zu verbieten
und ihn sowie seine Nebenvereinigungen sofort aufzulösen,
weil seine Tätigkeit gegen die Strafgesetze, gegen die frei
heitlich-demokratische Grundordnung und gegen die Völ
kerverständigung gerichtet ist. Denn neben dem kriminel
len Gesamtverhalten dieser Gruppe müssen wir feststellen,
daß sich der KSV darüber hinaus zu politischen Zielen be
kennt, die mit der freiheitlich-demokratischen Ordnung
unvereinbar sind. Auch das geht aus den Selbstzeugnissen
des Verbandes hervor. Er strebt die Durchsetzung des
Marxismus-Leninismus, die Ablösung unserer freien Ge
sellschaftsordnung durch eine Einparteien-Diktatur an.
Der KSV arbeitet konspirativ, die Mitglieder tragen oft
Decknamen, er ist zentralistisch aufgebaut mit einer abso
luten Befehlskette von oben nach unten, und er bekennt
sich ausdrücklich zur Anwendung von Gewalt. In einem
vom „Regionalkomitee West-Berlin“ des KSV herausgege
benen Flugblatt heißt es zum Beispiel:
Wovor sich die Bourgoisie fürchtet, tödlich fürch
tet, das ist die Volksrevolution, der bewaffnete
Kampf der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten
um die Macht, ein Kampf, der von der Kommunisti
schen Partei entscheidend organisiert und voran
getrieben werden wird.
Der Traum vom bewaffneten Umsturz ist also offenbar
die eigentliche Triebfeder für die Aktivität dieser Vereini
gung. Da die Massenbasis nicht herzustellen ist, degene
riert dieser Traum zu ganz gewöhnlicher Aggressivität
gegen Personen und Sachen. Je länger der Staat dieses
Treiben duldet, desto größer wird die Gefahr, daß der KSV
ebenso wie die KPD eines Tages revolutionäre Ersatzhand
lungen vomimmt, die eine erhebliche allgemeine Beein
trächtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar
stellen können und Menschenleben ernsthaft gefährden
müssen. Schließlich richtet sich die Tätigkeit des KSV
auch gegen die Völkerverständigung. Die maßlosen An
griffe gegen die Vereinigten Staaten, die Freiheit, Sicher
heit und Lebensfähigkeit unserer Stadt garantieren, kön
nen nicht länger hingenommen werden. Die Tatsache, daß
die pausenlose Verunglimpfung der USA an den Hoch
schulen geduldet wird, wird doch allmählich unerträglich.
Schon wenn in einem öffentlichen Dienstgebäude im Lande
Berlin ein Plakat hängen kann, in dem es heißt, „die
eigentlichen Verbrecher sitzen ln der Brandt-Regierung“,
und wenn es erst einer einstweiligen Verfügung durch die
Witwe Ernst Reuters bedarf, daß ein Plakat, das das An
denken Reuters ln den Staub zieht, entfernt wird, sind
doch derartige Vorfälle beschämend genug. Aber wenn in
der Eingangshalle der TU auf einem Plakat des KSV der
2394