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Volume Nr. 62, 12.12.73

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1973, 6. Wahlperiode, Band III, 43.-65. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
G2. Sitzung vom 12. Dezember 1973 
Aber während das wirkliche Problem langfristig wohl 
nur geistig-politisch mit Aussicht auf Erfolg bekämpft wer 
den kann, wenn alle Demokraten entschlossen sind, diesen 
Kampf gemeinsam zu führen, stellt der Aktionismus des 
KSV eine konkrete, die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale 
erfüllende und direkte Verletzung der Rechtsordnung dar. 
Würden bei uns die zum Schutze unserer Rechtsordnung 
eingesetzten Institutionen noch überall, auch an den Hoch 
schulen, ordnungsgemäß funktionieren, dann wäre dar 
über hier wahrscheinlich keine Debatte erforderlich. Näm 
lich die Staatsanwaltschaft hätte allein aufgrund der täg 
lichen Presseinformationen die entsprechenden Ermittlun 
gen längst aufgenommen und mit der Polizei die notwen 
digen Maßnahmen getroffen. Wir können jedoch leider nicht 
erkennen, daß die Verantwortlichen sich endlich dazu ent 
schlossen hätten, die erforderlichen Maßnahmen einzulei 
ten und den gestörten Rechtsfrieden an den Hochschulen 
wiederherzustellen. Deshalb stellen wir den Verbotsantrag 
nach den Bestimmungen des § 3 des Vereinsgesetzes. Unser 
Antrag ist als neuerliche Mahnung an die zur Sicherung 
des Rechtsfriedens berufenen Personen zu verstehen, das zu 
tun, wozu sie von Amts wegen verpflichtet sind und worauf 
sie ihren Amtseid abgeleistet haben. 
(Beifall bei der CDU) 
Es ist nach unserer Auffassung unerträglich, daß die Ge 
waltkriminalität an unseren Hochschulen praktisch einen 
Freiraum besitzt, in dem sich Gruppen ungestört in einer 
Weise betätigen können, wie das der KSV tut. Hausfrie 
densbruch, Nötigung, Freiheitsberaubung und Geiselnahme, 
Körperverletzung, Diebstahl und Raub werden nachweislich 
von seinen Mitgliedern begangen, ohne daß die zur Ver 
brechensbekämpfung verpflichteten Organe bisher durch 
greifend tätig geworden sind. Wenn das ungehindert so 
weitergeht, dann schwindet das ohnehin erheblich vermin 
derte Vertrauen der Berliner in die Fähigkeit der Ord 
nungsorgane, die Bürger wirkungsvoll schützen zu können, 
mehr und mehr. Für die Bevölkerung nämlich sind die täg 
lichen Pressemeldungen über das Bandenunwesen an den 
Hochschulen noch beunruhigender als die Nachrichten über 
die allgemeine Kriminalität in der Stadt insgesamt. Die 
Berliner fragen sich zu Recht, was in unserer Stadt werden 
soll, wenn diese Jungakademiker eines Tages ins Berufs 
leben gehen und beispielsweise ihre Vorgesetzten, die Leh 
rer ihrer Kinder oder Richter werden. 
(Abg. Wronski: Oder Abgeordnete!) 
Aber auch die Mehrzahl der Studenten muß nach unserer 
Auffassung vor den antidemokratischen und kriminell 
handelnden Gruppen geschützt werden. Das Rowdytum hat 
derart überhand genommen, daß Appelle an die Studieren 
den, von sich aus dem Treiben des KSV Widerstand ent 
gegenzusetzen, allein nichts mehr nützen. Auch die vielen 
Hochschulbediensteten, die teilweise wegen des Verhaltens 
des KSV schon in den Streik getreten sind, wie wir wissen, 
haben ein Recht auf Schutz des Staates. Es bleibt übrigens 
angesichts der herrschenden Verhältnisse beachtenswert, 
daß es immer wieder Professoren, Assistenten und auch 
Studenten gibt, die sich nicht einschüchtern lassen. Wir 
können sie darin nur nachhaltig unterstützen. Gegen diese 
Dozenten, Assistenten und Studenten entfacht der KSV 
eine systematische Terrorkampagne. In einem von der 
KSV-Zelle Bauwesen/Maschinenbau herausgegebenen Flug 
blatt wird angekündigt: 
Deshalb werden Sie auch in Zukunft keine ruhige 
Minute mehr haben. Wo Sie gehen und stehen, werden 
Sie sich den Fragen der fortschrittlichen und anti 
imperialistischen Studenten gegenübergestellt sehen, 
die Ihnen mit Haß entgegentreten werden. 
Über einen besonders mißliebigen Professor, dessen Vor 
lesungen laufend gesprengt werden, wird erklärt, man 
werde ihn auf Schritt und Tritt als Volksfeind verfolgen 
und aus der TU jagen. Dieser Ankündigung sind Taten ge 
folgt. Vorlesungen werden gestört und müssen abgebrochen 
werden, Hochschullehrer werden beschimpft, festgehalten 
und geschlagen. Am 29. November drangen etwa 300 Per 
sonen, unter ihnen viele, die als KSV-Aktivisten bekannt 
sind, in den Sitzungssaal des akademischen Senats der 
Freien Universität, versperrten die beiden Ausgangstüren 
und blockierten das einzige Telefon im Raum. Die Mit 
glieder des akademischen Senats durften den Raum erst 
nach anderthalb Stunden verlassen, nachdem Mitglieder 
der linken Senatsfraktion versprochen hatten, auf der 
nächsten akademischen Senatssitzung über vom KSV er 
hobene Forderungen zu diskutieren. Der Vorfall am 9. No 
vember in der TU, bei dem der TU-Professor Folkmar 
Koenigs gewaltsam aus dem TU-Gebäude verschleppt, mit 
Fausthieben und Fußtritten traktiert und schließlich auf 
der Hardenbergstraße niedergestoßen wurde, ist hier ebenso 
wie das beschämende Verhalten des Universitätspräsiden 
ten Wittkowsky in diesem Zusammenhang bereits erörtert 
worden. Das rundet das Bild ab, das der KSV von sich ver 
mittelt. Wir sind überzeugt, daß es sich beim KSV auch um 
eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 des Straf 
gesetzbuches handelt, dessen Tätigkeit darauf angelegt ist, 
strafbare Handlungen zu begehen. Die gemeinsame Ver 
abredung und Planung solcher Straftaten geht zur Genüge 
aus den Druckschriften, Flugblättern und sonstigen Ver 
öffentlichungen hervor, die vom KSV herausgegeben wer 
den. Die Praxis beweist ihre Umsetzung in die Tat an den 
Universitäten und Hochschulen. 
Wir fordern daher den Senat auf, den KSV zu verbieten 
und ihn sowie seine Nebenvereinigungen sofort aufzulösen, 
weil seine Tätigkeit gegen die Strafgesetze, gegen die frei 
heitlich-demokratische Grundordnung und gegen die Völ 
kerverständigung gerichtet ist. Denn neben dem kriminel 
len Gesamtverhalten dieser Gruppe müssen wir feststellen, 
daß sich der KSV darüber hinaus zu politischen Zielen be 
kennt, die mit der freiheitlich-demokratischen Ordnung 
unvereinbar sind. Auch das geht aus den Selbstzeugnissen 
des Verbandes hervor. Er strebt die Durchsetzung des 
Marxismus-Leninismus, die Ablösung unserer freien Ge 
sellschaftsordnung durch eine Einparteien-Diktatur an. 
Der KSV arbeitet konspirativ, die Mitglieder tragen oft 
Decknamen, er ist zentralistisch aufgebaut mit einer abso 
luten Befehlskette von oben nach unten, und er bekennt 
sich ausdrücklich zur Anwendung von Gewalt. In einem 
vom „Regionalkomitee West-Berlin“ des KSV herausgege 
benen Flugblatt heißt es zum Beispiel: 
Wovor sich die Bourgoisie fürchtet, tödlich fürch 
tet, das ist die Volksrevolution, der bewaffnete 
Kampf der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten 
um die Macht, ein Kampf, der von der Kommunisti 
schen Partei entscheidend organisiert und voran 
getrieben werden wird. 
Der Traum vom bewaffneten Umsturz ist also offenbar 
die eigentliche Triebfeder für die Aktivität dieser Vereini 
gung. Da die Massenbasis nicht herzustellen ist, degene 
riert dieser Traum zu ganz gewöhnlicher Aggressivität 
gegen Personen und Sachen. Je länger der Staat dieses 
Treiben duldet, desto größer wird die Gefahr, daß der KSV 
ebenso wie die KPD eines Tages revolutionäre Ersatzhand 
lungen vomimmt, die eine erhebliche allgemeine Beein 
trächtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar 
stellen können und Menschenleben ernsthaft gefährden 
müssen. Schließlich richtet sich die Tätigkeit des KSV 
auch gegen die Völkerverständigung. Die maßlosen An 
griffe gegen die Vereinigten Staaten, die Freiheit, Sicher 
heit und Lebensfähigkeit unserer Stadt garantieren, kön 
nen nicht länger hingenommen werden. Die Tatsache, daß 
die pausenlose Verunglimpfung der USA an den Hoch 
schulen geduldet wird, wird doch allmählich unerträglich. 
Schon wenn in einem öffentlichen Dienstgebäude im Lande 
Berlin ein Plakat hängen kann, in dem es heißt, „die 
eigentlichen Verbrecher sitzen ln der Brandt-Regierung“, 
und wenn es erst einer einstweiligen Verfügung durch die 
Witwe Ernst Reuters bedarf, daß ein Plakat, das das An 
denken Reuters ln den Staub zieht, entfernt wird, sind 
doch derartige Vorfälle beschämend genug. Aber wenn in 
der Eingangshalle der TU auf einem Plakat des KSV der 
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