Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
62. Sitzung vom 12. Dezember 1973
suchenden Familien konnten während der Zeit von
November 1972 bis Februar 1973 nur 138 Familien mit
Wohnraum versorgt werden. Die Petentin, zu deren Familie
sieben Kinder gehörten, wandte sich bereits im September
1972 an den Petitionsausschuß. Sie konnte, wie einer Mit
teilung des Senators für Bau- und Wohnungswesen vom
I Juli 1973 zu entnehmen war, inzwischen in einer 3%-Zim
mer-Altbauwohnung mit Ofenheizung untergebracht wer
den. Dem Ausschuß ist aber ein Fall bekannt geworden,
in dem neun Menschen in einem Raum leben müssen.
Immer noch scheint in der Bevölkerung die Rechtslage
bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen
weitgehend unklar zu sein. So wenden sich immer wieder
Bürger an den Petitionsausschuß mit der Sorge, daß sie
ihre Wohnung demnächst verlieren würden, da der Eigen
tümer die Umwandlung der Miet- in Eigentumswohnungen
beabsichtige und sie naturgemäß nicht in der Lage seien,
die Wohnungen zu erwerben. Trotz der bisherigen Auf
klärungsarbeit herrscht hier offenbar in weiten Kreisen der
Bevölkerung nach wie vor Unsicherheit und Unkenntnis.
Der Ausschuß konnte den Petenten bisher mitteilen, daß
nach der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage niemand den
Verlust seiner Wohnung in einem solchen Falle zu befürch
ten brauche. Es wäre aber zu überlegen, auf welche Weise
die immer wieder auftretende Unsicherheit beseitigt wer
den kann; insbesondere ist an die Darstellung dieses Pro
blems in den Massenmedien zu denken.
Nun das Problem einer Petentin, die Krankenschwester
ist und im Schwestem-Wohnheim des Auguste-Viktoria-
Krankenhauses wohnt. Sie hat in ihrer Eingabe den Aus
schuß davon unterrichtet, daß die Nutzungsentgelte rück
wirkend erhöht und den Krankenschwestern in Rechnung
gestellt worden seien. Der Senat hat mit seiner Mitteilung
zur Kenntnisnahme Nr. 192 vom 5. April dieses Jahres die
Auffassung des Ausschusses bestätigt, wonach die einsei
tige rückwirkende Erhöhung des Mietzinses rechtlich nicht
möglich war. Es wurde zugesichert, eine rechtlich einwand
freie Regelung herbeizuführen. Der dem Land Berlin in
diesem Fall entstandene Einnahmeverlust wurde auf ca.
9200 DM geschätzt.
Nicht helfen konnte der Ausschuß einem Petenten, der
wissen wollte, ob er wegen verschiedener Schäden des von
ihm mitbewohnten Miethauses berechtigt sei, den Mietzins
um etwa 25 % zu kürzen. Der Ausschuß mußte den Peten
ten darauf hinweisen, daß über die hier vorliegende zivil-
rechtliche Frage im Streitfälle das ordentliche Gericht zu
entscheiden habe. Ich erwähne diesen Fall nur deshalb,
weil er für viele ähnliche steht, bei denen man vergeblich
den Petitionsausschuß anruft.
In einem anderen Fall ist folgendes interessant. Die
Petentin bewohnte mit ihrem türkischen Ehemann eine
Hauswartdienstwohnung in Moabit. Mitarbeiter des Be
zirksamtes Tiergarten hatten ihr bei Vorsprachen gesagt,
daß die Ausstellung eines Wohnberechtigungsscheines nicht
in Frage käme, da ihr Mann Ausländer sei. Als die Peten
tin aus gesundheitlichen Gründen und wegen der Geburt
ihres dritten Kindes die Hauswartstelle aufgeben mußte,
hat sie den Petitionsausschuß um Hilfe bei der Beschaffung
geeigneten Wohnraums gebeten. Sie hat dem Ausschuß
darüber hinaus mitgeteilt, daß ihr ausländerrechtliche
Maßnahmen gegen ihren Ehemann für den Fall in Aussicht
gestellt worden seien, daß ihre Familie vorübergehend in
ein Obdachlosenasyl ziehen müßte.
Aufgrund zum Teil nur fernmündlicher Rücksprachen
haben sowohl der Senator für Bau- und Wohnungswesen
als auch das Bezirksamt Tiergarten von Berlin in diesem
Pall außerordentlich schnell und sachgerecht gehandelt. So
ist der Petentin in wenigen Tagen vom Bezirksamt eine
geeignete Wohnung zur Verfügung gestellt worden, die sie
inzwischen auch bezogen hat. Parallel dazu hatte das
Landesamt für Wohnungswesen noch vor Vorliegen eines
Wohnberechtigungsscheines die Petentin für eine geeignete
Wohnung in Berlin-Reinickendorf benannt. Die Einzelhei
ten dieses Vorganges können Sie der Mitteilung zur Kennt
nisnahme Nr. 255 vom 30. Oktober 1973 entnehmen. Sie
sehen also, es geht auch unbürokratisch.
Damit wende ich mich einem neuen Sachgebiet zu, und
ich kündige Ihnen jetzt bereits an, daß ich gewissermaßen
ressortweise Vorgehen werde. Zunächst Soziales und Sozial
versicherung. Dem Ausschuß ist aufgefallen, daß bei der
Bearbeitung von Sozialhilfeangelegenheiten insbesondere
zwei Bezirksämter zu Klagen Anlaß geben. Der erste Pall:
In jüngster Zeit hatte der Petitionsausschuß eine Eingabe
zu behandeln, zu der das zuständige Bezirksamt in seiner
Stellungnahme mitteilte, daß durch Verschulden der Pe
tenten eine erhebliche Überzahlung eingetreten sei. Nach
dem der Ausschuß die Akten angefordert hatte, konnte er
feststellen, daß die Schuld allein das Bezirksamt trifft.
Über Jahre hinweg war es zu mehreren Bearbeitungsfeh
lem gekommen. In der Akte fehlten zum Beispiel jegliche
zur Prüfung der vorgenommenen Berechnungen erforder
lichen Vermerke. Der Berichterstatter des Ausschusses
hatte Gelegenheit genommen, die Angelegenheit mit dem
zuständigen Stadtrat und seinen Mitarbeitern im Bezirks
amt zu erörtern. Sie ist inzwischen bereinigt worden. Da
nicht die Petenten Schuld an den fehlerhaften Entscheidun
gen tragen, hat das Bezirksamt davon abgesehen, die über
zahlten Beträge zurückzufordem. Nach dem Gespräch
wies der Stadtrat auf die qualitativ und quantitativ unzu
reichende Personalausstattung in seinem Amt hin. Ähn
lich soll es auch bei anderen Sozialämtern sein. Ich glaube,
das wäre für diejenigen, die über Personalverstärkungen
zu entscheiden haben, ein Punkt, auf den sie recht aufmerk
sam hören sollten.
In welche Schwierigkeiten ein Bürger kommen kann,
der von mehreren Dienststellen Zahlungen erhält und im
Umgang mit Behörden nicht geübt ist, hat der Ausschuß
in einer anderen Petition erfahren. Der Petent und seine
Kinder erhalten von fünf verschiedenen Stellen Zahlungen.
Wenn bei einer Zahlung — zum Beispiel aufgrund neuer
gesetzlicher Bestimmungen — eine Änderung eintritt, so
hat dies wegen der Anrechnungsvorschriften Auswirkun
gen auf alle anderen Zahlungen. Dies hat zur Folge, daß
dem Bürger innerhalb kurzer Zeit eine größere Anzahl
von rechtsmittelfähigen Bescheiden zugestellt wird. Da der
Petent in der Vergangenheit mehrfach sein Recht erst bei
Gericht erhielt, war er Behörden gegenüber mißtrauisch
geworden. Das hatte dazu geführt, daß er praktisch gegen
jeden Bescheid von dem jeweiligen Rechtsmittel Gebrauch
machte, weil er im Laufe der Zeit jeglichen Überblick ver
loren hatte. Inzwischen weiß er auch nicht mehr, bei wel
chen Behörden und in welchen Angelegenheiten er Rechts
mittel eingelegt hat. Der Ausschuß hatte die Unterlagen
eines Jahres angefordert. Er war aber bisher nicht in der
Lage, den Gesamtsachverhalt voll aufzuklären. Er hat die
Angelegenheit mit konkreten Hinweisen dem Senat zur
Überprüfung zugeleitet.
Immer wieder erhält der Petitionsausschuß Eingaben in
Rentenangelegenheiten. Dabei sind nicht nur die Renten
der BfA und der LVA gemeint, sondern zum Beispiel
Elternrenten, die vom Versorgungsamt gezahlt werden,
und andere vergleichbare Leistungen. In Angelegenheiten,
die die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte betrifft,
kann der Petitionsausschuß nicht tätig werden, da es sich
nicht um eine Behörde des Landes Berlin handelt. Für sie
trifft aber genau wie für die Landesversicherungsanstalt
Berlin zu, daß die Bearbeitung von Rentenanträgen erheb
liche Zeit in Anspruch nimmt. In der Antwort auf eine
Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Döring hat der
Senat von Bearbeitungszeiten bis zu 4 % Monaten gespro
chen. Dem Ausschuß sind jedoch Bearbeitungszeiten bis
zu neun Monaten und erheblich mehr bekannt geworden.
In solchen Fällen ist dem Petitionsausschuß immer wieder
unter Angabe der verschiedensten Gründe mitgeteilt wor
den, daß die Bearbeitung sich bedauerlicherweise verzögert
habe und die Landesversicherungsanstalt den Petenten
ausdrücklich um Entschuldigung bitte. Der Ausschuß hält
es für besser, wenn sich in Fällen, in denen eine Behörde
Anlaß hat, sich zu entschuldigen, sie diese Entschuldigung
selbst gegenüber dem jeweilig Betroffenen zum Ausdruck
bringt.
Aus dem Sachbereich darf ich Ihnen nun einige Einzel
fälle vortragen. Als das Versorgungsamt in einer Eltem-
rentensache feststellte, daß die Petentin einen Unterhalts
anspruch nach dem BGB an ihren lebenden Sohn in Höhe
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