Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
68. Sitzung vom 11. Oktober 1973
30 Mio DM mittelfristige Gelder vorsieht. Die Situation
verschärft sich noch, wenn man bedenkt, daß beim Eigen
kapital noch 25 % fehlen sollen. Hier setzt unsere Frage 4
ein. Was stimmt an diesem Zahlenkreisel, wo liegen die
Schwierigkeiten? Ist es richtig, daß etwa die Zusage eines
30-Millionen-Kredits seitens der betreffenden Bank davon
abhängig gemacht wurde, daß der Senat weitere zehn
Stockwerke anmietet? Wir fragen in diesem Zusammen
hang wohlbemerkt ausdrücklich nach Wünschen und An
trägen, nachdem der Senat und andere hier neuerdings so
streng begrifflich unterscheiden.
Nach den optimistischen Erklärungen der Gesellschafte
rin der Avalon-Bau GmbH gibt es aber gar keine Schwie
rigkeiten. Für sie handelt es sich bei der ganzen Affäre nur
um bürokratisches Fehlverhalten und um politische In
diskretion. Die Finanzierungslücke von 40 Mio DM bereitet
ihr überhaupt keine Kopfschmerzen; wenn für die erste
Hypothek keine 10 Mio DM Vorrang eingeräumt wird, so
wird sie einfach das Eigenkapital entsprechend erhöhen,
was allenfalls zu einer ungünstigeren Abschreibungsquote
für die Kommanditisten führen würde, was allerdings
unsere geringste Sorge wäre.
Also keinerlei Stützungsbegehren an den Senat? Der
Senat soll sich eher glücklich preisen, daß er noch weitere
zehn Geschosse anmieten darf. Wenn die Sachdarstellung
der Gesellschafterin der Avalon-Bau GmbH stimmt, dann
hat den Senat eine ganz unerklärliche Hysterie befallen und
er hat sich völlig grundlos in mehreren Sondersitzungen
mit dem Regierenden Bürgermeister an der Spitze mit
diesem ganz alltäglichen Vorgang befaßt. Angesichts der
ungewöhnlichen Aktivität des Senats möchten wir aber
doch eher vermuten, daß es sich um Schwierigkeiten ernste
rer Natur handelt und die Abfassung nichtssagender
Presseerklärungen nicht der einzige Zweck seiner Betrieb
samkeit gewesen ist.
Angesichts der von uns befürchteten Probleme möchten
wir den Senat mit unseren Fragen zu 5 und 6 auffordern,
diesmal bei der Entscheidung über eine weitere Lebenshilfe
für den Steglitzer Kreisel streng nach den Maßstäben der
Wirtschaftlichkeit vorzugehen. Der Senat sollte sich die
Frage vorlegen, welches Vorgehen für das Land Berlin
wirtschaftlich günstiger ist, ohne sich davor zu scheuen,
auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß die Avalon-
Bau GmbH den Bau, aus welchen Gründen auch immer,
eventuell nicht zu Ende führen kann. Denn das gilt ja
wohl doch noch nicht, daß das, was gut für den Kreisel
ist, auch gut für diese Stadt sein muß. Böse Zungen be
schwören bereits den bevorstehenden Konkurs der Gesell
schaft herauf, wenn der Senat nicht helfend eingreife.
Hier stellt sich dann anschließend die Frage; Ist das Land
Berlin für den Fall des denkbaren Konkurses genügend
gesichert sowohl hinsichtlich der Nutzung der für die BVG
errichteten Verkehrsanlagen als auch hinsichtlich des An
spruches auf Eigentumsübertragung an den zehn Etagen?
Oder droht etwa der Verlust dieser Rechte, wenn der Senat
nicht weiter stützt ?
Schließlich auch noch ein Wort zu den von uns geforder
ten strengen Rentabilitätsgrundsätzen. Wir verkennen
nicht, daß der denkbare Zusammenbruch einer großen
Baugesellschaft Weiterungen in anderen Bereichen der
Wirtschaft haben kann und daß möglicherweise die Be
reitschaft westdeutscher Kapitalanleger, ihr Geld nach
Berlin zu bringen, nachteilig beeinflußt wird. Andererseits
möchten wir dem Senat dringend empfehlen, keine Berliner
Imagepflege um den Preis der Seriosität zu betreiben; das
sind wir allein schon dem Bund seiner Finanzzuschüsse
wegen schuldig. Die fortlaufende Stützung unwirtschaft
licher Projekte würde auch das Gegenteil von dem be
wirken, was wir alle doch sicherlich wollen, nämlich eine
gesunde Wirtschaftsstruktur in dieser Stadt zu erhalten be
ziehungsweise zu erreichen. Die Lebenshilfe für Lebens
unfähige wäre da der falsche Weg. Das hat der Senat
früher allerdings auch erkannt und entsprechend gehandelt.
Zuletzt hat der Herr Finanzsenator hierzu bemerkenswerte
Ausführungen gemacht. Er äußerte nämlich in der letzten
Sitzung, daß er die Sorge habe, daß bei der zunehmenden
Zahl von Insolvenzen auch in Berlin der Ruf nach der
öffentlichen Hand zunehmend Bedeutung erhalte und be
klagt in diesem Zusammenhang Mängel an Erfahrung oder
geringen Eigeneinsatz im Management immer größerer
Unternehmensgruppen, dies meist gepaart mit zu geringer
Eigenkapitaldecke und zu kurzfristigen Fremdmitteln. Er
faßte alles in dem völlig richtigen Satz zusammen; Ein
Naturgesetz auf öffentliche Hilfe im unternehmerischen
Risiko gibt es nicht. Wir hoffen sehr, daß gerade er als
Finanzverantwortlicher seine prophetisch anmutenden
Worte auch auf die Kreiselproblematik bezogen wissen
möchte.
In diesem Zusammenhang scheint es auch erforderlich,
klarzustellen, daß wir die Berlinförderungsmaßnahmen
nach Art und Umfang durch den Kreisel jedenfalls nicht
zur Diskussion gestellt wissen wollen. Im Gegenteil, die im
Berlinförderungsgesetz vorgesehenen Möglichkeiten waren
und sind notwendig für die wirtschaftliche Entwicklung
dieser Stadt. Wenn die Vergünstigungen dieses Gesetzes
jedoch hier oder dort zu unwirtschaftlichen Investitionen
führen, besteht in keinem Falle ein Anlaß, zu Lasten öffent
licher Haushalte überzogenen Ertragserwartungen nach
träglich die finanzielle Grundlage frei Haus zu liefern.
Würde dies Schule machen, würde den vielen Gegnern der
Berlinförderung nur Munition für die Änderung der be
stehenden Gesetze geliefert werden.
Auch die Probleme, die bei eventuellen Schwierigkeiten
der Avalon-Bau GmbH für die in diesem Projekt tätigen
kleinen Unternehmer und deren Mitarbeiter entstehen,
wollen wir nicht verkennen. Andererseits kann sich der
Senat nicht deshalb zur Stützung unwirtschaftlicher Unter
nehmen verleiten lassen. Dies verbietet sich schon ange
sichts der Weiterungen, die aus solchen Präzedenzfällen
gefolgert werden könnten. Hier wären allerdings gezielte
und rechtzeitig geplante Auffangmaßnahmen in Erwägung
zu ziehen, um soziale Härten bei schuldlos Betroffenen zu
vermeiden.
Mit unserer abschließenden Frage zu Ziffer 6 möchten
wir den Senat anregen, bei der Erwägung von möglichen
Hilfsmaßnahmen für den Kreisel immer die Frage im Auge
zu behalten; Ist das Projekt tatsächlich wirtschaftlich und
wird es künftig nachhaltig die zu seiner Erhaltung notwen
digen Erträge abwerfen? Anderenfalls fürchten wir, daß
der Senat mit schöner Regelmäßigkeit neue Krisen mana
gen und weitere Forderungen an die öffentliche Hand be
dienen muß, so daß das Projekt künftig eher Steglitzer
Faß ohne Boden heißen könnte. Für diesen Fall kann man
dem Senat nur dringend empfehlen, die alte Kaufmanns
regel zu beherzigen und schlechtem Geld nicht auch noch
gutes hinterherzuwerfen. — Vielen Dank!
(Beifall bei der F.D.P. und der CDU)
Präsident Sickert: Das Wort zur Beantwortung hat Herr
Senator Striek.
Striek, Senator für Finanzen: Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Darf ich, Herr Abgeordneter Richter,
im Grunde mit einer persönlichen Bemerkung die Beant
wortung der Großen Dringlichkeitsanfrage übernehmen?
Ich verfüge über keine Prophetengabe und der Sinn meiner
Haushaltsrede war ein allgemeiner, hat keinem persönlich
besonders gegolten und hat auch keinen ausgeschlossen,
(Abg. Lummer: Gut!)
um dies hier ganz deutlich gleich an den Anfang zu stellen.
Der Senat befindet sich nicht im Zustand der Ratlosigkeit,
sondern er befindet sich im Zustand einer ernsthaften Prü
fung einer nicht nur ein Unternehmen, sondern die gesamte
Wirtschaftspolitik der Stadt tangierenden Frage. Und ich
glaube, daß einer verantwortlichen Regierung, einem ver
antwortlichen Senat, eine hinreichende und umfassende
Prüfung wichtiger wirtsachftspolitischer Fragen zugestan
den werden muß. und wenn nicht sozusagen unverzüglich
innerhalb 24 Stunden eine Antwort — auch auf öffentlich
diskutierte Fragen — - gegeben wird, kann dies nicht als
Ratlosigkeit ausgelegt, sondern als Ausdruck des Verant
wortungsbewußtseins im Finden einer Lösung gedeutet
werden.
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