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Volume Nr. 55, 05.07.73

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1973, 6. Wahlperiode, Band III, 43.-65. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
55. Sitzung vom 5. Juli 1973 
Eine Statistik zeigt, daß inzwischen eine ganze Reihe 
von Assistenzprofessoren berufen wurde oder in andere 
Berufe gegangen ist, also gar nicht entlassen wurde, son 
dern auf eigenen Wunsch aus dem Dienst als Assistenz 
professor ausgeschieden ist. Zum andern zeigt dieselbe 
Statistik, daß zu den jeweiligen Stichtagen in den Jahren 
1974 bis 1977 jeweils nur eine kleine Zahl von Assistenz 
professoren die Dienstzeit beenden wird. Hier in diesem 
Zusammenhang von Massenentlassungen zu sprechen und 
eine soziale Frage großen Umfanges zu suggerieren, ist 
nicht sachgerecht und läuft auf eine Irreführung hinaus. Im 
übrigen erwartet der Senat, daß die aufgrund der Bundes 
regelung zu erwartende Personalstruktur den Bedarf an 
Hochschullehrern in den anderen Bundesländern erhöhen 
wird: die Berufschancen werden sich also bald sehr er 
heblich verbessern. Und stellt man noch einmal in Rech 
nung, daß die heutigen Assistenzprofessoren in fast glei 
chen Raten — darf ich sagen — zwischen 1974 und 1977 der 
Beendigung ihrer Dienstverträge entgegensehen können, so 
ergibt sich, daß gerade die vom Bunde vorgeschlagenen 
Änderungen, die dann in den anderen Ländern auch ein 
geführt werden, hier eine wesentliche Verbesserung brin 
gen werden. 
Im übrigen erwartet der Senat, daß eine generelle Ver 
längerung der Dienstzeit für Assistenzprofessoren nicht 
auszuschließen ist, daß darüber hinaus auch Mittel und 
Wege gefunden werden müssen, die es verhindern, daß in 
Einzelfällen für Assistenzprofessoren durch eine Beendi 
gung ihrer Dienstzeit unbillige persönliche Härten ent 
stehen und dadurch wichtige Forschungsvorhaben abge 
brochen werden. Der Senat wird in enger Zusammenarbeit 
mit den Universitäten alle Möglichkeiten prüfen. Er denkt 
dabei beispielsweise an die Gewährung von Forschungs 
stipendien, durch die einerseits die Fortführung wichtiger 
Forschungsvorhaben sichergestellt werden kann, und an 
dererseits eine soziale Härte ausgeglichen würde. Hier 
werden Kontakte mit der Forschungsgemeinschaft aufge 
nommen werden. 
Entsprechend dem vom Berliner Hochschulgesetzgeber 
allgemein bei seinen Reformen bisher verfolgten Ziel einer 
funktionalen Mitbestimmung aller Gruppen und in Über 
einstimmung mit dem Entwurf des Hochschulrahmen 
gesetzes des Bundesministers hält es der Senat für wün 
schenswert, daß die anderen Dienstkräfte auch bei Fragen 
von Forschung und Lehre in den zuständigen Hochschul 
gremien ein volles Stimmrecht haben, soweit dies mit dem 
vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsatz 
einer differenzierten Mitbestimmung vereinbar ist. Danach 
können die anderen Dienstkräfte mitentscheiden, die an 
der Durchführung von Forschungsvorhaben und Lehrver 
anstaltungen selbst beteiligt sind, sofern sie Mandatsträger 
sind. Für Entscheidungen über Fragen, die überwiegend 
die Krankenversorgung betreffen, ist eine stärkere Mit 
wirkung der in der Krankenversorgung tätigen anderen 
Dienstkräfte in den Fachbereichsräten der klinischen Fach 
bereiche vorgesehen. Diese Regelung erscheint dem Senat 
deshalb geboten, weil für Fragen, die überwiegend die 
Krankenversorgung betreffen, die die Mitwirkung der an 
deren Dienstkräfte in Fragen von Forschung und Lehre 
einschränkenden Grundsätze des Bundesverfassungsge 
richts nicht gelten können. Daß ärztliche Entscheidungen 
nicht von einem Kollegialorgan getroffen werden können, 
gilt selbstverständlich auch für die Fachbereichsräte hin 
sichtlich der Entscheidungen über Fragen der Kranken 
versorgung. 
Die Regelungen in dem vorliegenden Entwurf können 
jedoch erst nach einer Übergangszeit in Kraft gesetzt wer 
den. Die Hochschulgremien können sinnvollerweise erst 
gewählt werden, wenn in der Mehrzahl der Fachbereiche 
und Zentralinstitute genügend Assistenzprofessoren neuer 
Qualifikation entsprechend den Bundesvorstellungen vor 
handen sind. Da die Übernahme der nach altem Recht ein 
gestellten Assistenzprofessoren nur in Frage kommt, wenn 
sie die nach dem neuen Recht erforderlichen Berufungs 
voraussetzungen erfüllen, für deren Nachweis insbeson 
dere — und dies möchte ich sehr deutlich betonen — aus 
wärtige Gutachten erforderlich sind, kann nicht davon 
ausgegangen werden, daß schon im Wintersemester 1973/74 
eine hinreichende Zahl von Assistenzprofessoren dieser Art 
vorhanden sein wird. Da zudem die gegenwärtig amtie 
renden Vertreter der anderen Dienstkräfte in den auch für 
Fragen von Forschung und Lehre zuständigen Beschluß 
gremien nicht nach dem vom Bundesverfassungsgericht 
aufgestellten Grundsatz einer nur differenzierten Mit 
entscheidung ausgewählt werden konnten, ist eine weitere 
Mitwirkung in Fragen von Forschung und Lehre verfas 
sungsrechtlich bedenklich. Der Senat von Berlin hält es 
aber nicht für vertretbar, die bestehende Rechtsunsicher 
heit für einen so langen Zeitraum zu belassen. 
Als Zwischenlösung und Übergangslösung schlägt der 
Senat deshalb eine verfassungsrechtlich unbedenkliche und 
rasch realisierbare Regelung vor, bei der den Professoren 
in den für Fragen von Forschung und Lehre zuständigen 
Beschlußgremien jeweils eine Stimme mehr als bisher ein 
geräumt wird und die anderen Dienstkräfte in diesen Fra 
gen auf die beratende Mitwirkung beschränkt werden. 
Diese Zwischenlösung, die nach der Auffassung des Se 
nats spätestens bis zum Ende des Jahres durch Ergän 
zungswahl eingeleitet werden könnte, macht Neuwahlen 
entbehrlich und lediglich die begrenzten Ergänzungswahlen 
erforderlich. Der Senat hat in seiner Vorlage an das Ab 
geordnetenhaus keinen Inkraftsetzungstermin vorgeschla 
gen. Er hat sich dabei leiten lassen von der Überlegung, 
daß allein die komplizierten Zusammenhänge der Über 
gangslösung eine sachgerechte Beratung in den zuständi 
gen Ausschüssen erforderlich macht und daß es verfehlt 
wäre, etwa in einer Betrachtung möglicher Übergangs 
lösungen, in zwei Tagen eine Lösung herbeizuführen. Der 
Senat hat dabei berücksichtigt, daß am 15. Juli die Se 
mesterferien eintreten und in der Zeit zwischen 15. Juli 
und 15. Oktober die Gremien lediglich in einer Ferien 
zusammensetzung tagen und essentielle Fragen — etwa 
solche, die durch die Grundsätze des Bundesverfassungs 
gerichtsurteils berührt sind — nicht entschieden werden. 
Im übrigen ist auch für solche Grenzfälle, die theoretisch 
nicht völlig auszuschließen sind, die rechtsaufsichtliche 
Tätigkeit der Instanzen, die im § 8 Absatz 4 des Univer 
sitätsgesetzes genannt sind, gesichert. Insofern schlägt der 
Senat vor, ohne einen Inkraftsetzungstermin genau zu be 
nennen, in einer eingehenden Beratung zu Beginn des Mo 
nats September die Vorbereitungen so weit voranzutreiben, 
daß eine insgesamt sachgerechte Lösung alsbald nach dem 
Wiederzusammentritt des Parlaments nach der Sommer 
pause erreicht werden kann. — Ich bedanke mich für die 
Aufmerksamkeit. Für die Einzel- und Spezialfragen der 
Begründung verweise ich auf die ausführlichen Darstellun 
gen des Senats in der Vorlage selbst. 
(Beifall bei der SPD) 
Stellv. Präsident Hoppe: Zur Begründung des Antrags 
der Fraktion der F.D.P. hat das Wort Herr Abgeordneter 
Rasch. 
Rasch (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Zunächst darf ich einmal feststellen — ein bekannter 
und oft feststellbarer Umstand —, daß sich bis auf wenige 
Ausnahmen nur die Bildungspolitiker der Fraktionen hier 
im Saale befinden. 
(Zurufe) 
Sie wissen, daß meine Fraktion hier im Hause zunächst 
und zuerst den Senat aufgefordert hat — und zwar sehr 
eindringlich —, 
(Zurufe) 
ein Vorschaltgesetz zur Anpassung des Universitätsgeset 
zes an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes 
vorzulegen, um die zumindest subjektive Rechtsunsicher 
heit im universitären Bereich schnellstens zu beenden und 
um damit einen wichtigen Beitrag zur Arbeitsfähigkeit der 
Universitäten zu leisten. 
Wir haben Ihnen nun einen Anpassungsgesetzentwurf 
vorgelegt, der sich durch einige Vorzüge, die ich Ihnen 
hier vorstellen möchte, auszeichnet. Erstens dadurch, daß 
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