Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
55. Sitzung vom 5. Juli 1973
Da sind erstens eine Verbesserung der Rechtsprechung,
zweitens eine Beschleunigung der gerichtlichen Verfahren
und drittens eine Rationalisierung des Geschäftsbetriebes
aufgeführt. Wer wollte das alles nicht? Wenn es aber so
einfach wäre, diese Dinge durch eine Zusammenlegung
von Gerichten zu erreichen, dann läge es in der Konse
quenz, daß man alle Amtsgerichte auflöst und den Gedan
ken verwirklicht, ein einheitliches Amtsgericht Berlin zu
schaffen. So ist es aber nicht. Wir sind deshalb auch hier
nicht so euphorisch, zu glauben, daß die genannten Postu-
late durch eine organisatorische Zusammenlegung von Ge
richten Wirklichkeit werden können.
Es kann jedoch nicht übersehen werden, daß durch dieses
Gesetz die Organisation der Amtsgerichte in Berlin, die im
wesentlichen noch aus der Zeit vor der Schaffung der Ge
meinde Groß-Berlin herrührt, einen wesentlichen Wandel
erfährt. Dieser Wandel darf natürlich nicht auf Kosten
einer bürgernahen Rechtspflege gehen. Nach dem Justiz
reformvorschlag sind für ein Amtsgericht ca. 100 000 Ein
wohner vorgesehen. Der mit diesem Gesetz neu eingerich
tete Amtsgerichtsbezirk Schöneberg umfaßt ca. 450 000
Einwohner. Man wird deshalb abzuwarten haben, ob hier
für einen Stadtstaat mit seinen relativ günstigeren Ver
kehrsverhältnissen andere Gesichtspunkte zu gelten haben
als sonst im Bundesgebiet und wie sich die Sache hier ein
spielt. Es gibt natürlich noch keine Erfahrungen mit der
Zusammenlegung von Amtsgerichten. Richtig ist aber —
das ist auch bei den Ausschußberatungen deutlich gewor
den —, daß kleine Amtsgerichte Teamarbeit und Verant
wortungsbewußtsein gefördert haben. Große Verwaltungen
jedenfalls arbeiten keinesfalls schneller als kleine, und für
Gerichte wird wohl dasselbe gelten.
Um nun insbesondere auch für künftige Entscheidungen
Erfahrungsmaßstäbe zu haben, hat der Justizausschuß auf
Vorschlag der CDU-Fraktion dem Senat den Auftrag für
einen Bericht erteilt, in dem — nach Ablauf einer Frist
von einem Jahr — umfassend über die Konsequenzen die
ses Gesetzes berichtet werden soll, und in dem insbeson
dere auch Stellung genommen werden soll zu den Entwick
lungen auf dem Gebiet der Prozeßdauer, der Personal
fluktuation, der Fehlzeiten und zu dem gesamten Ge
schäftsbetrieb des nun vergrößerten Amtsgerichtsbezirks
Schöneberg. Bei dieser Gelegenheit schließen auch wir
uns gern dem Dank des Herrn Berichterstatters an die
Damen und Herren an, die in den aufzulösenden Amts
gerichten bisher fleißig und umsichtig ihren Dienst ver
sehen haben.
(Abg. Luster; Die werden sich auch schön bedanken!)
— Herr Luster, das ist uns bekannt. Sie sprechen ein Pro
blem an, das auch wir gerade im Ausschuß umfassend ge
würdigt haben. Dort sind die Gründe des Für und Wider
eindeutig klargeworden. — Es handelt sich hier — jeden
falls nach dem Willen des Senats — um die erste Stufe
der geplanten Umorganisation. Von Kritikern der Zu
sammenlegung ist u. a. auch geraten worden, doch minde
stens die große Justizreform oder wenigstens die Schaf
fung der Familengerichte abzuwarten. Wir haben diese
und ähnliche kritische Hinweise insbesondere von seiten
der Personalräte nicht auf die leichte Schulter genom
men, sondern sehr ausführlich im Ausschuß beraten. Die
CDU sieht diese Bedenken jedenfalls nicht als ganz un
berechtigt an. Sie stimmt dennoch diesem Gesetz zu, be
tont heute aber schon, daß sie ihr Votum zu weiteren
Zusammenlegungen von den jetzt zu machenden Erfah
rungen abhängig macht. Die Rechtspflege, das ist unser
oberstes Prinzip, meine Damen und Herren, muß dem Bür
ger dienen. Wenn dies durch die Zusammenlegung er
schwert werden sollte, werden wir uns künftigen Zu
sammenlegungen widersetzen. Hier gilt also einmal nicht
das alte deutsche Sprichwort, daß, wer A sagt, auch un
bedingt B sagen muß. — Danke.
(Beifall bei der CDU)
Präsident Sickert: Meine Damen und Herren! Weitere
Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die
Einzelberatung und verbinde die Einzelabstimmung mit
der Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz über die Zu
sammenlegung der Amtsgerichte Lichterfelde, Schöneberg
und Zehlendorf im Wortlaut der Vorlage Drucksache 6/770
seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das
Handzeichen. -— Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist
gegen wenige Stimmen so beschlossen.
Meine Damen und Herren! An Sie ist eine Dringliche
Beschlußempfehlung des Geschäftsordnungsausschusses
fotokopiert verteilt worden. Ich gehe davon aus, daß Sie
der Dringlichkeit entsprechen, und schlage Ihnen daher
gleich vor, diese Beschlußempfehlung nach den bereits an
erkannten Dringenden Beschlußempfehlungen des Aus
schusses für Bau- und Wohnungswesen zu behandeln. —
Ich höre keinen Widerspruch, es ist so beschlossen.
Ich rufe dann auf die
II. Lesung
der Vorlage — zur Beschlußfassung — über Erstes
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Anwen
dung unmittelbaren Zwanges bei der Ausübung
öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Lan
des Berlin (UZwG Bin)
gemäß Beschlußempfehlung des Ausschusses für Si
cherheit und Ordnung vom 2. Juli 1973, deren
Dringlichkeit Sie bereits erkannt haben.
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Das
ist nicht der Fall. Ich eröffne die II. Lesung und schlage
vor, die Einzelberatung der zwei Paragraphen miteinan
der zu verbinden. — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so
beschlossen. Ich rufe auf im Wortlaut der Vorlage Druck
sache 6/945 die §§ 1 und 2, die Überschrift und die Ein
leitung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der
Fall. Ich schließe die Einzelberatung und verbinde die
Einzelabstimmung mit der Schlußabstimmung. Wer dem
Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die An
wendung unmittelbaren Zwanges bei der Ausübung öffent
licher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Berlin im
Wortlaut der Vorlage Drucksache 6/945 zuzustimmen
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke, das
ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren! Die Fraktionen haben sich
geeinigt, daß wir heute nur noch den Komplex Universi
tätsgesetz behandeln. Wir kommen jetzt zur
I. Lesung
der Vorlage — zur Beschlußfassung — über das
Gesetz zur Änderung des Universitätsgesetzes und
des Hochschullehrergesetzes
und zur
I. Lesung
des Antrages der Fraktion der F.D.P. über Gesetz
zur Änderung des Gesetzes über die Universitäten
des Landes Berlin
sowie zum
Antrag der Fraktion der CDU vom 5. Juli 1973
über die Wahrung der Rechtssicherheit an den
Universitäten
Der Senat ist aufgefordert, im Universitätsbereich
darauf hinzuwirken, daß die vom Bundesverfassungs
gericht in seinen Entscheidungen vom 29. Mai 1973
(1 BVG 424/71, 325/72) aufgestellten Grundsätze un
eingeschränkt beachtet werden.
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