Abgeordnetenhaus von Berlin - G. Wahlperiode
43. Sitzung vom 18. Januar 1973
Deshalb hat der Senat von Anfang an die diskrimi
nierende Praxis der bulgarischen Behörden gegen
Direktflüge einer amerikanischen Fluggesellschaft von
und nach West-Berlin verurteilt.
Ich füge hinzu: Er verurteilt dies auch heute noch.
(Abg. Luster: Wir halten sie doch nicht für schlechte
Menschen!)
— Nein, aber Sie müssen mir doch gestatten, diese Ihre
These Stück für Stück zu widerlegen.
(Abg. Lummer: Das wollen wir abwarten!)
— Das wollen wir abwarten, jawohl.
Es geht weiter:
In einer Zeit, in der es darum geht, politische Diskri
minierungen allgemein zu überwinden, muß neuen
Einschränkungen mit geeigneten Mitteln, gegebenen
falls auch durch Verweigerung von Landerechten in
der Bundesrepublik begegnet werden.
Gegebenenfalls auch durch Verweigerung!
In dieser Beurteilung — nämlich der Wertigkeit und
des Verhaltens der Bulgaren — gibt es volle Überein
stimmung zwischen der Bundesregierung und dem
Senat von Berlin.
Und jetzt kommt der Satz, den Sie nicht zitiert haben, Herr
Abgeordneter Lummer:
Von der Bundesregierung wird unter Einbeziehung
der Auffassung Berlins darüber zu entscheiden sein,
welche Maßnahmen und zu welchem Zeitpunkt ergrif
fen werden müssen. Unser gemeinsames Ziel ist es,
nicht nur die Diskriminierung gegen eine amerika
nische Fluggesellschaft bei Direktflügen von und nach
West-Berlin zu überwinden, sondern zu erreichen, daß
die Berliner Flughäfen ohne Einschränkung von allen
Fluglinien, die es wünschen, direkt angeflogen werden
können.
Lassen Sie mich in meiner Argumentation an diesen Punkt
anknüpfen.
Wir sind uns alle hier, so hoffe Ich, in diesem Raum
einig — und ich glaube, der Abgeordnete Thomas hat es
hier noch einmal ausdrücklich gesagt —, daß die an
gestrebte Verbesserung des Flugverkehrs nicht etwa die
Verschlechterung in den Korridoren oder etwa gar die
Auflösung der Korridore einschließen darf, sondern die
Rechte der Westmächte, die Korridore, so wie sie sind,
müssen erhalten bleiben, weil dies unsere Lebensadern sind.
Es kann also nur darum gehen, darüber hinaus — man
kann ja jetzt sagen, räumlich parallel nach Ost und Süd
und Nord — den Flugverkehr zu erweitern. Dies setzt aber
nun ein Einverständnis folgender Beteiligten voraus:
Einmal — und das ist sicher das am wenigsten Proble
matische — die Genehmigung der Westmächte, die hier in
West-Berlin die oberste Gewalt haben, daß auch andere
Flugzeuge und Fluggesellschaften auf den Flughäfen in
Tegel oder Tempelhof — praktisch nur Tegel — landen
können. Das reicht aber nicht aus.
(Zuruf)
— Wollen wir uns doch wenigstens so weit verständigen,
daß wir uns nochmal der Problematik voll klar werden,
bevor wir werten.
Es setzt zweitens voraus, daß die Sowjetunion dem
zustimmt, einfach deshalb, weil sie ja seit 1945 Mitglied
in der Luftsicherheitszentrale ist, gleichberechtigtes Mit
glied, und infolgedessen mitbestimmen kann, welche Flug
zeuge in den internationalen Flugraum von Berlin, der
einen Radius von 32 km hat, gemessen von der Luftsicher
heitszentrale aus, einfliegen dürfen. Das ist doch auch
eine Tatsache, die man nicht außer Betracht lassen darf.
(Unruhe bei der CDU)
— Es scheint so, daß Wahrheiten Ihnen unangenehm sind.
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Und es setzt drittens voraus, daß die DDR bereit ist,
Uberflugrechte zu genehmigen, weil ein Flugverkehr neben
den Korridoren natürlich ohne Uberflugrechte der DDR
nicht herbeigeführt werden kann.
Dies alles macht doch deutlich, daß diese von uns allen
gewünschte Einbeziehung schwierig sein wird. Sie wird
nicht von heute auf morgen und sie wird auch nicht in
wenigen Monaten zu erreichen sein, und ich gehe sogar so
weit, zu sagen, daß niemand mit Sicherheit behaupten
kann, daß sie erreicht werden wird. Das hängt von der
jeweiligen internationalen Interessenlage insbesondere auch
der Sowjetunion ab.
(Zuruf des Abg. Wronski)
— Nein, dies stimmt insofern nicht, als Sie allenfalls be
anstanden können, daß die vier Mächte bei Ihren Vier-
mächte-Abkommen das Luftverkehrsabkommen aus
geklammert haben. Sie können aber nicht nachträglich
eine Zuständigkeit der deutschen Behörden begründen, die
sie in dieser Frage gar nicht hatten.
Und jetzt komme ich noch einmal zu dem Punkt zurück,
nämlich der Bewertung durch die Bundesregierung in Ver
bindung mit dem Satz des Senates, daß die Bundesregie
rung zu entscheiden hat, welche Maßnahmen und zu wel
chem Zeitpunkt diese ergriffen werden müssen. Und die
Bundesregierung ist in Übereinstimmung mit den drei
Mächten — jedenfalls im Grundsatz — der Auffassung,
daß zu diesem Zeitpunkt, Anfang des Jahres 1973 und
damit überhaupt 1973 — das ergibt sich einfach daraus,
daß man Landegenehmigungen nur für ein Jahr erteilt und
nicht für ein halbes Jahr erteilen kann —, wo diese Ver
handlungen in Teilkomplexen bevorstehen, einmal Luft
fahrtabkommen mit der DDR, zum zweiten die Fort
setzung der Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik
und der Sowjetunion über Weiterfliegen Moskau—Sibirien
linie, Einbeziehung West-Berlins, daß, wenn am Anfang
dieses Jahres, sozusagen zu Beginn dieser anderen Ver
handlungen, ein solcher Schritt getan wird, der sich formal
gegen Sofia richtet oder gegen Bulgarien, der aber, weil die
Sowjetunion hier, das räume ich Ihnen völlig ein, ein
außerordentlich starkes Interesse bekundet hat — ich sage
es etwas mild —
(Zurufe von der CDU)
Der Senat ist gern bereit, dies noch im Ausschuß weiter
zu erläutern. —
— das zu diesem Zeitpunkt.
(Zuruf von der CDU)
— Ich verlange ja gar nicht, daß Sie sich diesem Beurtei
lungsmaßstab anschließen, aber ich verlange, daß Sie sich
diesen Beurteilungsmaßstab anhören, den ich Ihnen vor
trage. Und die Bundesregierung ist mit den Westmächten
— und dies möchte ich noch einmal betonen — der Auf
fassung, daß der ohnehin schwierige Versuch der Einbezie
hung West-Berlins in den internationalen Flugverkehr
nicht gefördert, sondern daß diese Versuche von vornherein
zum Scheitern verurteilt waren, weil eben heute alle Be
teiligten diese Bulgarienflüge nur noch — nicht durch die
Entwicklung der letzten Tage — als ein Teilproblem eines
ganz umfassenden Problemes ansehen und die Sowjetunion
nicht bereit ist, sozusagen vorab dieses Teilproblem präju
diziell in unserem berechtigten Sinne zu lösen oder hinzu
nehmen. Am Rande bemerkt, um die Größenordnung darzu
stellen, obwohl ich nicht etwa zu denen gehöre, die daraus
die mindere politische Qualität folgern: Es sind 1971
2000 Passagiere gewesen, die im Charterflug von West-
Berlin nach Bulgarien geflogen sind.
(Abg. Lummer: Wann war das ?)
— 1971. 1972 sind ja keine Maschinen geflogen. Von 1965
habe ich die Zahlen nicht.
Stellv. Präsident Hoppe: Herr Senator! Lassen Sie eine
Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wronski zu?