Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
Sl. Sitzung vom 34. Mal 1973
1897
überweisen. Wer den Überweisungen die Zustimmung zu
geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —
Danke, das ist so beschlossen.
Die drei Fraktionen haben sich geeinigt, die lfd. Nr. 15.
Drucksache 6/894, zurückzustellen und heute nicht zu be
handeln.
Ich rufe auf die
lfd. Nr. 16, Drucksache 6/853:
Beschlußempfchlung des Ausschusses für Bundes
angelegenheiten und Gesamtberliner Fragen vom
2G. März 1973 zum Antrag der Fraktion der F.D.P.
Uber Bericht zur Lage Groß-Berlins
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Herr
Abgeordneter Schulze, bitte!
Schulze (SPD), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich habe für den Ausschuß für Bun
desangelegenheiten und Gesamtberliner Fragen zu dem
Antrag der F.D.P.-Fraktion über Bericht zur Lage Groß-
Berlins, Drucksache 6/766, zu berichten. In der Ihnen vor
liegenden Beschlußempfehlung empfiehlt der Ausschuß, den
F.D.P.-Antrag im Hinblick auf die laufenden und angefor
derten Berichte abzulehnen. Der Antrag hatte insbesondere
zum Inhalt, den Senat zu veranlassen, umfangreiche Ma
terialien, wissenschaftlich fundiert und geordnet, über
Groß-Berlin sowie einen Rechenschaftsbericht des Senats
über seine Einschätzung der politischen Lage, über sein
politisches Handeln und Wollen in Vergangenheit, Gegen
wart und Zukunft vorzulegen. Der mitberatende Ausschuß
für Planung und Stadtentwicklung hat in seiner Stellung
nahme empfohlen, den Antrag abzulehnen. Der Ausschuß
für Bundesangelegenheiten und Gesamtberliner Fragen hat
den Antrag eingehend beraten. Das Ergebnis der Beratung
geht aus der Ihnen vorliegenden hektographierten Be
schlußempfehlung hervor.
Der Sprecher der F.D.P.-Fraktion hat in der Beratung
im Ausschuß nochmals unterstrichen, daß es nach Auffas
sung seiner Fraktion an Informationen über Ereignisse, die
im anderen Teil der Stadt stattfänden und die in die hier
zu treffenden Entscheidungen einfließen müßten, fehle.
Denn wären derartige Informationen vorhanden, könnten
Einzelfragen losgelöst vom tagespolitischen Geschehen
besser beurteilt werden. Die Ausschußmitglieder sowohl
der SPD-Fraktion als auch der CDU-Fraktion haben sich
dieser Auffassung nicht anschließen können und sich mehr
heitlich — gegen die Stimme der antragstellenden Fraktion
— gegen die Erstattung eines derartigen Berichts ausge
sprochen. Die Mehrheitsfraktion hat die Auffassung ver
treten, daß der von der Bundesregierung seit mehreren
Jahren erstattete Bericht zur Lage der Nation, der auch in
Zukunft als Bericht über den Entwicklungsstand der Be
ziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten erstattet
werden wird, einen Berlinteil enthalte und das, was mit
dem Berichtsersuchen der F.D.P. erreicht werden soll, be
rücksichtige und verarbeite. Es sei auch nicht im Interesse
Berlins, den Versuch zu unternehmen, eine Art Konkur
renzbericht zu diesem Bericht zu erstatten. Hierbei ist ins
besondere auf die großen Schwierigkeiten aufmerksam
gemacht worden, Material für einen derartigen Bericht
über Ostberlin zu erhalten. Die Erfahrungen haben gezeigt,
daß es unmöglich ist, insoweit wissenschaftlich fundiertes
Material zu erlangen.
Im übrigen seien und werden die jeweilige Stellung Ber
lins im Spannungsfeld der Ost-, West- und Deutschland
politik sowie die Bemühungen des Senats, die Lage Berlins
zu verbessern, in der Regierungserklärung des Regierenden
Bürgermeisters und ln dem jeweiligen Halbzeltbericht um
fassend dargestellt.
Im Zusammenhang mit diesen Berichten ist von der
SPD-Fraktion auf die große Zahl bereits vorliegender und
noch in der Erstellung befindlicher Berichte verwiesen wor
den. Darüber hinaus ist auf das Berichtsersuchen der
Fraktion der CDU zum Viermächte-Abkommen aufmerk
sam gemacht worden, das nicht ln Konkurrenz zum Bericht
zur Lage der Nation trete und sich weiterhin mit Ange
legenheiten, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit
tagespolitischen Fragen stünden, befasse.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie
namens des Ausschusses für Bundesangelegenhelten und
Gesamtberliner Fragen bitten, der Ihnen vorliegenden Be
schlußempfehlung zuzustimmen. — Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Sickert: Ich eröffne die Beratung. Das Wort
hat der Abgeordnete Richter.
Richter (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Bei der Einbringung unseres Antrages über einen
Bericht zur Lage Groß-Berlins ist von der F.D.P.-Fraktion
zur Begründung im wesentlichen vorgetragen worden, daß
hierdurch diesem Hause und der Öffentlichkeit das not
wendige Grundlagenmaterial an die Hand gegeben werden
sollte, das wir für eine ernsthafte Diskussion über die
Weiterentwicklung dieser Stadt nach der Verabschiedung
der Viermächte-Vereinbarung benötigen. Und wir hatten
weiter zum Ausdruck gebracht, daß wir mit dem Bericht
die notwendige Diskussion über die Nutzungsmöglichkeiten
dieser Abkommen, die bisher nur aus aktuellem Anlaß und
punktueell geführt worden ist, vom Grundsätzlichen her
einleiten wollen.
Leider ist weder der Senat noch die Mehrheitsfraktion in
diesem Hause unseren Überlegungen gefolgt, wobei uns die
für diese Ablehnung vorgetragenen Gründe in keiner Welse
überzeugen konnten. Immerhin hat sich die SPD-Fraktion
wenigstens — wenn auch nicht überzeugend — bemüht,
ihre Ablehnung zu begründen. Die Fraktion der CDU hat in
den Ausschüssen den Antrag nur abgelehnt und dort kein
einziges Wort über ihre Motive hierfür — und wir hätten
sie wirklich gern gehört und sie aufmerksam gewertet —
verloren. Da wir nicht annehmen wollen, daß die CDU-
Fraktion an der Lage dieser Stadt und ihrer künftigen Ent
wicklung uninteressiert ist, bleibt für uns ihr Votum unbe
greiflich; denn so überzeugend waren die von der SPD für
die Ablehnung vorgetragenen Gründe nun wirklich nicht,
daß man sie sich hätte stillschweigend zu eigen machen
können.
Was wurde nun im wesentlichen zur Ablehnung vorge
tragen ? Zum ersten wurde darauf hingewiesen, daß die von
meiner Fraktion erbetene Berichterstattung seit Jahren im
Rahmen des Berichtes der Bundesregierung zur Lage der
Nation erstattet würde, mithin wegen Wiederholung über
flüssig sei. Insbesondere der neueste Bericht ln dieser Reihe,
der nun „Unterrichtung über die Entwicklung der Bezie
hungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Deutschen Demokratischen Republik“ heißt, enthalte einen
besonderen Berlin-Teil, in dem über die besondere Entwick
lung der ganzen Stadt berichtet werde. Gespannt haben
wir nach diesen Ankündigungen der Mehrheitsfraktion die
Drucksache VII/420 des Deutschen Bundestages daraufhin
durchgesehen. Wir fanden nur wenig. Zwar wird in einem
besonderen Abschnitt der Verkehr von und nach Berlin
abgehandelt, aber eben nur der Verkehr, also wieder punk
tuell. Besondere Ansatzpunkte für eine stärkere Nutzung
der Möglichkeiten dieses Abkommens, zum Beispiel im
Energieverbund und im Umweltschutz, im Kongreßwesen
und im kulturellen Bereich, überhaupt im Bereich der Kom
munalpolitik, fehlen, fast möchte man sagen: erwartungs
gemäß. Aber genau hierüber hätten wir gern Fakten ge
hört, die sicher in den verschiedenen Senatsverwaltungen
an noch mehr Schreibtischen gesammelt werden, die aber
seit Jahren nicht mehr veröffentlicht worden sind.