Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
Sl. Sitzung vom 24. Mal 1973
1876
Dieses Ziel haben Sie auf alle Fälle erreicht. Wahrschein
lich haben Sie es genau wie der KSV bedauert, daß dieser
Streik in der Bevölkerung, in der Presse, keine allzu große
Resonanz findet. Folglich galt es also, diesem Abhilfe zu
verschaffen.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete
Lummer.
Lummer (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich will, wie es der Bürgermeister gefordert hat,
eine Bemerkung zu seinem Beitrag machen, aber zunächst
wohl einen Satz zur Frage des Stils.
Dieses, Herr Bürgermeister, war — und dieses Recht, zu
werten, habe ich, nachdem Sie es selbst ganz ungemessen
getan haben — ein schäbiger Diskussionsbeitrag.
(Beifall bei der CDU)
Dieses war für mich ein Stück verbaler Akrobatik und
Lautstärke, die man nur als Ausdruck der Hilflosigkeit
und Unfähigkeit in der Sache verstehen kann.
(Beifall bei der CDU)
Wenn Sie hier in bestimmten Situationen, das ist nicht
der erste Fall gewesen, ad personam argumentieren, wenn
Sie offenbar in der Sache nicht mehr weiterwissen, dann
ist das nicht angemessen für ein solches Haus, und wenn
Sie ein Mann wären, würden Sie sich dafür entschuldigen.
(Beifall bei der CDU)
Nun aber zu dem, was Sie gewünscht haben: Sie haben
meinen Zwischenruf aufgegriffen, bei der Darstellung, die
hier von Herrn Papenfuß gegeben worden sed, handele es
sich nur um die halbe Wahrheit. Dieses habe ich gesagt,
und dabei bleibe ich. Und ich will Ihnen das erklären. Es
ist deshalb die halbe Wahrheit, weil jeder, der das kennt,
was an Marx richtig ist, auch weiß, daß es viele Situatio
nen, Entscheidungen, Vorfälle im Leben gibt, die nicht nur
zurückzuführen sind auf eine bestimmte Person, sondern
auf die Umstände, in denen sie lebt, mit denen sie sich
auseinanderzusetzen hat. Und dieses war doch im Kern
die richtige Aussage, die nur von einem hier — glaube ich
— bestritten wurde, daß wir an der Freien Universität
zum Teil eine Situation haben, wo diejenigen, die die Frei
heit der Wissenschaft lieben und nach ihr streben, in den
Untergrund, in die Unfreiheit und in die Verbannung ge
drängt werden,
(Beifall bei der CDU)
und daß sie persönlich harte Kämpfe, Auseinandersetzun
gen zu bestehen haben, die sie physisch und psychisch ln
einem ungeheuren Maße in Anspruch nehmen. Und Sie,
Herr Bürgermeister, wenn Sie es noch nicht wissen, dann
schauen Sie sich die letzte Woche der Auseinandersetzun
gen an, die dieser Mann durchgemacht hat, der an einem
Herzinfarkt dann in Verbindung mit einem Schädelbruch
gestorben ist. Wenn Sie das genau wissen, dann wissen
Sie, daß mehr dazu gehört, als nur dieser lapidare Ob
duktionsbefund, von dem hier die Rede war. Diese andere
Hälfte der Wahrheit dürfen gerade Sie nicht vergessen,
wenn Sie die Universität bessern wollen; denn diese andere
Hälfte ist das Kemübel, ein tiefes Maß an Intoleranz und
Indoktrination, das viele von Ihnen — ich sage es so deut
lich, meine Damen und Herren — gefördert haben — ich
übernehme die Begriffe des Bürgermeisters — durch leicht
fertiges Handeln vor einigen Jahren.
(Beifall bei der CDU)
Ich wollte an sich meine Ausführungen hier mit einem
positiven Wort beginnen. Wir haben ja doch bemerkt, daß
sich eine Reihe von Menschen verändert hat. Wir sind
dankbar dafür. Wir haben die merkwürdigen Wandlungen
des Professors Lieber kennengelemt, als er Rektor wurde.
Ich kannte ihn noch als AStA-Vorsitzenden, da hat er sage
und schreibe an den SDS ein Telegramm geschickt und den
SDS aufgefordert, gewissermaßen das Salz in der Suppe
der Universität zu sein und zu kämpfen für neue Formen.
Später, als es dann dazu kam und er Rektor wurde, sah
die Welt für ihn anders aus. Heute hat er die Flucht aus
Berlin angetreten und sich dem Gebiete des Sports ge
widmet, weil das offenbar weniger anstrengend ist.
Wir haben auch die Wandlungen des Herrn Löffler er
lebt, wenn Sie so wollen. Schauen Sie doch mal an, was
I960 hier gewesen ist und wie die Aussagen und wie die
Haltung des Herrn Löffler gewesen sind. Wir freuen uns
ja darüber, aber, bitte schön, wir müssen einen Teil von
dem auslöffeln
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)
auch von dem, was geistig durch Löffler eingebrockt wurde,
heute, meine Damen und Herren. Und wir haben auch die
Wandlungen des Herrn Kreibich gesehen. Natürlich. Aber
es sind eben Wandlungen, die kamen durch Einsichten und
manchmal durch sehr späte Einsichten.
(Zurufe von der SPD)
Bitte, wir sind ja nicht allzu stolz darauf, daß wir manche
Entwicklungen rechtzeitiger gesehen haben als Sie.
Nun wurde hier ganz konkret gesagt, da gibt es Kri
minelle, einen Kern, und es ist ganz schlimm, und die
müsse man finden, und von daher müsse man das Problem
lösen. Auch dies ist nur eine Teilfrage. Aber bitte schön,
eine wichtige. Und dann wurde gesagt: Ja, die kennen wir
nicht. Nun frage ich doch: Warum kennt man die denn
nicht? Acht Jahre Zeit, zu beobachten. Das sind acht Jahre
— wir hören das jedesmal, wenn wir debattieren —, Be
obachterstatus, acht Jahre purer Verbalismus füge ich
hinzu.
Wenn diese Leute nicht bekannt sind, dann liegt es zum
Teil auch daran, daß Herr Kreibich in seiner Anfangszeit
sich gar nicht darum bemüht hat, sie zu finden. Oder glau
ben Sie das etwa nicht, daß es so ist? Wer hat sich denn
ernsthaft von Wittkowsky bis Kreibich und Wesel — alles
SPD-Mitglieder, wenn Sie wollen — darum bemüht, diese
Kriminellen zu finden? Niemand hat sich ernsthaft darum
bemüht. Jetzt, wo das Wasser bis zum Halse steht, da
fängt es langsam an. Aber Zeit ist verstrichen und ins Land
gegangen, die uns eine Situation heraufbeschworen hat,
und das war der Grund — lassen Sie mich schließen, ob
wohl das natürlich jetzt unangemessen kurz geworden ist
für den Sachverhalt, den wir diskutieren —, der uns dazu
geführt hat, diese .Aktuelle Stunde zu erbitten, obwohl wir
natürlich wissen, wie oft darüber geredet worden ist, und
früher hat Herr Voelker uns immer den Vorwurf gemacht
— auch das ist etwas Neues —, das wäre ja gar nicht
nötig, daß wir darüber diskutieren. Heute sind Sie schon
so weit, Herr Löffler hat es gesagt: Es ist angemessen, daß
wir darüber diskutieren. Wir möchten, obwohl die Öffent
lichkeit sich weitgehend gewöhnt hat an so häßliche Dinge
und vielleicht gar nicht mehr davon Kenntnis nehmen will,
Sie auch nicht, wahrscheinlich. Aber es sind doch so bös
artige Dinge, die geschehen, und eine wehrhafte Demo
kratie kann sich das nicht gefallen lassen. Da kann man
nicht einfach sagen; Wir haben keine angemessenen Mittel.
Wenn Sie wollen, können wir als Gesetzgeber noch eine
ganze Menge von angemessenen Mitteln schaffen. Wir
sind dazu bereit, Ihnen zu helfen, und wir müssen dadurch
verhindern, meine ich, daß die Universität zunehmend zu
einer Institution wird, die zu einem Millionen verschlingen
den Moloch wird, wo Indoktrination der Regelfall ist und wo
im Kern, in bestimmten Bereichen, Terror nicht mehr die
Ausnahme darstellt. Und wenn das so ist, dann meine ich,
sollten wir uns mit den Dingen, die Herr Neubauer hier
angesprochen hat, nicht imbedingt beschäftigen, sondern
zu diesem Kernbereich vorschreiten, und wir haben immer
zu erkennen gegeben, daß wir bereit sind, mit denen mit
zuwirken, die es wollen.
(Beifall bei der CDU)