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Volume Nr. 51, 24.05.73

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1973, 6. Wahlperiode, Band III, 43.-65. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
Sl. Sitzung vom 24. Mal 1973 
1876 
Dieses Ziel haben Sie auf alle Fälle erreicht. Wahrschein 
lich haben Sie es genau wie der KSV bedauert, daß dieser 
Streik in der Bevölkerung, in der Presse, keine allzu große 
Resonanz findet. Folglich galt es also, diesem Abhilfe zu 
verschaffen. 
(Beifall bei der SPD) 
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete 
Lummer. 
Lummer (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Ich will, wie es der Bürgermeister gefordert hat, 
eine Bemerkung zu seinem Beitrag machen, aber zunächst 
wohl einen Satz zur Frage des Stils. 
Dieses, Herr Bürgermeister, war — und dieses Recht, zu 
werten, habe ich, nachdem Sie es selbst ganz ungemessen 
getan haben — ein schäbiger Diskussionsbeitrag. 
(Beifall bei der CDU) 
Dieses war für mich ein Stück verbaler Akrobatik und 
Lautstärke, die man nur als Ausdruck der Hilflosigkeit 
und Unfähigkeit in der Sache verstehen kann. 
(Beifall bei der CDU) 
Wenn Sie hier in bestimmten Situationen, das ist nicht 
der erste Fall gewesen, ad personam argumentieren, wenn 
Sie offenbar in der Sache nicht mehr weiterwissen, dann 
ist das nicht angemessen für ein solches Haus, und wenn 
Sie ein Mann wären, würden Sie sich dafür entschuldigen. 
(Beifall bei der CDU) 
Nun aber zu dem, was Sie gewünscht haben: Sie haben 
meinen Zwischenruf aufgegriffen, bei der Darstellung, die 
hier von Herrn Papenfuß gegeben worden sed, handele es 
sich nur um die halbe Wahrheit. Dieses habe ich gesagt, 
und dabei bleibe ich. Und ich will Ihnen das erklären. Es 
ist deshalb die halbe Wahrheit, weil jeder, der das kennt, 
was an Marx richtig ist, auch weiß, daß es viele Situatio 
nen, Entscheidungen, Vorfälle im Leben gibt, die nicht nur 
zurückzuführen sind auf eine bestimmte Person, sondern 
auf die Umstände, in denen sie lebt, mit denen sie sich 
auseinanderzusetzen hat. Und dieses war doch im Kern 
die richtige Aussage, die nur von einem hier — glaube ich 
— bestritten wurde, daß wir an der Freien Universität 
zum Teil eine Situation haben, wo diejenigen, die die Frei 
heit der Wissenschaft lieben und nach ihr streben, in den 
Untergrund, in die Unfreiheit und in die Verbannung ge 
drängt werden, 
(Beifall bei der CDU) 
und daß sie persönlich harte Kämpfe, Auseinandersetzun 
gen zu bestehen haben, die sie physisch und psychisch ln 
einem ungeheuren Maße in Anspruch nehmen. Und Sie, 
Herr Bürgermeister, wenn Sie es noch nicht wissen, dann 
schauen Sie sich die letzte Woche der Auseinandersetzun 
gen an, die dieser Mann durchgemacht hat, der an einem 
Herzinfarkt dann in Verbindung mit einem Schädelbruch 
gestorben ist. Wenn Sie das genau wissen, dann wissen 
Sie, daß mehr dazu gehört, als nur dieser lapidare Ob 
duktionsbefund, von dem hier die Rede war. Diese andere 
Hälfte der Wahrheit dürfen gerade Sie nicht vergessen, 
wenn Sie die Universität bessern wollen; denn diese andere 
Hälfte ist das Kemübel, ein tiefes Maß an Intoleranz und 
Indoktrination, das viele von Ihnen — ich sage es so deut 
lich, meine Damen und Herren — gefördert haben — ich 
übernehme die Begriffe des Bürgermeisters — durch leicht 
fertiges Handeln vor einigen Jahren. 
(Beifall bei der CDU) 
Ich wollte an sich meine Ausführungen hier mit einem 
positiven Wort beginnen. Wir haben ja doch bemerkt, daß 
sich eine Reihe von Menschen verändert hat. Wir sind 
dankbar dafür. Wir haben die merkwürdigen Wandlungen 
des Professors Lieber kennengelemt, als er Rektor wurde. 
Ich kannte ihn noch als AStA-Vorsitzenden, da hat er sage 
und schreibe an den SDS ein Telegramm geschickt und den 
SDS aufgefordert, gewissermaßen das Salz in der Suppe 
der Universität zu sein und zu kämpfen für neue Formen. 
Später, als es dann dazu kam und er Rektor wurde, sah 
die Welt für ihn anders aus. Heute hat er die Flucht aus 
Berlin angetreten und sich dem Gebiete des Sports ge 
widmet, weil das offenbar weniger anstrengend ist. 
Wir haben auch die Wandlungen des Herrn Löffler er 
lebt, wenn Sie so wollen. Schauen Sie doch mal an, was 
I960 hier gewesen ist und wie die Aussagen und wie die 
Haltung des Herrn Löffler gewesen sind. Wir freuen uns 
ja darüber, aber, bitte schön, wir müssen einen Teil von 
dem auslöffeln 
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU) 
auch von dem, was geistig durch Löffler eingebrockt wurde, 
heute, meine Damen und Herren. Und wir haben auch die 
Wandlungen des Herrn Kreibich gesehen. Natürlich. Aber 
es sind eben Wandlungen, die kamen durch Einsichten und 
manchmal durch sehr späte Einsichten. 
(Zurufe von der SPD) 
Bitte, wir sind ja nicht allzu stolz darauf, daß wir manche 
Entwicklungen rechtzeitiger gesehen haben als Sie. 
Nun wurde hier ganz konkret gesagt, da gibt es Kri 
minelle, einen Kern, und es ist ganz schlimm, und die 
müsse man finden, und von daher müsse man das Problem 
lösen. Auch dies ist nur eine Teilfrage. Aber bitte schön, 
eine wichtige. Und dann wurde gesagt: Ja, die kennen wir 
nicht. Nun frage ich doch: Warum kennt man die denn 
nicht? Acht Jahre Zeit, zu beobachten. Das sind acht Jahre 
— wir hören das jedesmal, wenn wir debattieren —, Be 
obachterstatus, acht Jahre purer Verbalismus füge ich 
hinzu. 
Wenn diese Leute nicht bekannt sind, dann liegt es zum 
Teil auch daran, daß Herr Kreibich in seiner Anfangszeit 
sich gar nicht darum bemüht hat, sie zu finden. Oder glau 
ben Sie das etwa nicht, daß es so ist? Wer hat sich denn 
ernsthaft von Wittkowsky bis Kreibich und Wesel — alles 
SPD-Mitglieder, wenn Sie wollen — darum bemüht, diese 
Kriminellen zu finden? Niemand hat sich ernsthaft darum 
bemüht. Jetzt, wo das Wasser bis zum Halse steht, da 
fängt es langsam an. Aber Zeit ist verstrichen und ins Land 
gegangen, die uns eine Situation heraufbeschworen hat, 
und das war der Grund — lassen Sie mich schließen, ob 
wohl das natürlich jetzt unangemessen kurz geworden ist 
für den Sachverhalt, den wir diskutieren —, der uns dazu 
geführt hat, diese .Aktuelle Stunde zu erbitten, obwohl wir 
natürlich wissen, wie oft darüber geredet worden ist, und 
früher hat Herr Voelker uns immer den Vorwurf gemacht 
— auch das ist etwas Neues —, das wäre ja gar nicht 
nötig, daß wir darüber diskutieren. Heute sind Sie schon 
so weit, Herr Löffler hat es gesagt: Es ist angemessen, daß 
wir darüber diskutieren. Wir möchten, obwohl die Öffent 
lichkeit sich weitgehend gewöhnt hat an so häßliche Dinge 
und vielleicht gar nicht mehr davon Kenntnis nehmen will, 
Sie auch nicht, wahrscheinlich. Aber es sind doch so bös 
artige Dinge, die geschehen, und eine wehrhafte Demo 
kratie kann sich das nicht gefallen lassen. Da kann man 
nicht einfach sagen; Wir haben keine angemessenen Mittel. 
Wenn Sie wollen, können wir als Gesetzgeber noch eine 
ganze Menge von angemessenen Mitteln schaffen. Wir 
sind dazu bereit, Ihnen zu helfen, und wir müssen dadurch 
verhindern, meine ich, daß die Universität zunehmend zu 
einer Institution wird, die zu einem Millionen verschlingen 
den Moloch wird, wo Indoktrination der Regelfall ist und wo 
im Kern, in bestimmten Bereichen, Terror nicht mehr die 
Ausnahme darstellt. Und wenn das so ist, dann meine ich, 
sollten wir uns mit den Dingen, die Herr Neubauer hier 
angesprochen hat, nicht imbedingt beschäftigen, sondern 
zu diesem Kernbereich vorschreiten, und wir haben immer 
zu erkennen gegeben, daß wir bereit sind, mit denen mit 
zuwirken, die es wollen. 
(Beifall bei der CDU)
	        
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