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Volume Nr. 46, 08.03.73

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1973, 6. Wahlperiode, Band III, 43.-65. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
46. Sitzung vom 8. März 1973 
1664 
Rasch (FDP.): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Ich glaube, ich muß im Namen meiner Fraktion einen 
Vorwurf, der sachlich völlig falsch ist, mit aller Entschie 
denheit zurückweisen. Es zeugt von einem erstaunlichen 
Mißverhältnis zu Ihren eigenen Universitäten, wenn der 
Herr Kollege Papenfuß hier sagt, und zwar als Vorwurfr 
Wir wollten ja das Studentenwerk den Universitäten über 
lassen. — Da überdenken Sie bitte einmal Ihr Verhältnis, 
das Sie zu Ihren eigenen Universitäten haben. Wahr ist 
vielmehr, daß wir einen ausgewogen zusammengesetzten 
Verwaltungsrat haben wollen, der allen Gruppierungen 
Rechnung trägt, den Hochschulen, dem Staat, den Studen 
ten und den Beschäftigten. Das ist unser Ziel. Und wenn 
Sie die Mehrheitsverhältnisse in einem derartigen Verwal 
tungsrat sehen und einmal aufmerksam betrachten, dann 
können Sie davon ausgehen, daß politische Fehlentschei 
dungen, so, wie Sie sie befürchten und wie sie in der Ver 
gangenheit vorhanden gewesen sein mögen oder gewesen 
sind, bei unseren Vorstellungen ausgeschlossen sind. Sie 
sprechen von Rechtsaufsicht und von dem Recht auf Selbst 
verwaltung. Dabei führen Sie mit Ihrem Verwaltungsrat 
eine geheime — und das ist das unehrliche daran — Fach 
aufsicht ein. Dagegen wenden wir uns mit aller Entschie 
denheit. Dies wollte ich Ihnen noch einmal ganz klar sagen. 
Präsident Sickert: Das Wort hat der Abgeordnete Brandt. 
Brandt (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Her 
ren! Lassen Sie mich zunächst den Vorwurf, den der Herr 
Kollege Diepgen erhoben hat, wir hätten im Ausschuß 
leichtfertig beraten und gehandelt, sehr energisch zurück- 
weisen. Ich glaube, hiervon kann wohl keine Rede sein. Herr 
Kollege Diepgen hat, glaube ich, nur einmal selbst im Aus 
schuß als Vertreter mitgearbeitet. Ich glaube nicht, daß 
er den Stil, ln dem wir dort verhandelt haben, richtig wie 
dergibt. Wir haben uns sehr ernsthaft — auch mit den 
Kollegen Ihrer Fraktion — über diesen Gesetzentwurf 
unterhalten. 
Lassen Sie mich weiterhin einige Worte zu der Zusam 
mensetzung der Gremien sagen, die hier bei den Vertretern 
der CDU und F.D.P. auf Kritik gestoßen ist. Bei der Bera 
tung des § 4, der Zusammensetzung des Vorstandes, haben 
wir uns — Herr Kollege Rasch. Sie haben das vorhin so 
deutlich herausgehoben — ebenfalls Anregungen aus den 
Anhörungen sowie aus den zugegangenen Zuschriften zu 
eigen gemacht und berücksichtigt. Zum einen waren wir 
bei der Zusammensetzung des Vorstandes der Auffassung, 
daß zwei hauptberufliche Mitglieder der Hochschulen mit 
abgeschlossenem Hochschulstudium dem Vorstand mitan- 
gehören sollen, um auf diese Weise die Hochschulen an der 
Arbeit der Studentenwerke zu beteiligen. Zum zweiten sind 
wir der Auffassung, daß die im Vorstand vertretenen Stu 
denten sich im Hauptstudium befinden müssen, um auch 
von daher sicherzustellen, daß die Studenten Erfahrungs 
werte in die Arbeit des Vorstandes miteinbringen. Weiter 
hin soll nach unserer Auffassung der Geschäftsführer nicht 
Mitglied des Vorstandes, wohl aber — weil er die Sitzungen 
vorzubereiten hat — Vorsitzender des Vorstandes mit bera 
tender Stimme sein. Wir billigen ihm kein Stimmrecht im 
Vorstand zu, und das ganz bewußt nicht. Wir sind aber der 
Auffassung, daß der Geschäftsführer, der im wesentlichen 
die Arbeit zu leisten hat, aufgrund seiner Sachkenntnis die 
Sitzungen des Vorstandes auch leiten sollte. Ich werde dar 
auf noch etwas näher elngehen. Anstatt des Stimmrechts 
haben wir allerdings dem Geschäftsführer ein Appellations 
recht an den Verwaltungsrat eingeräumt, das ihn. verpflich 
tet, einen Beschluß des Vorstandes mit aufschiebender 
Wirkung zu beanstanden, wenn rechtliche oder schwerwie 
gende wirtschaftliche Bedenken vorliegen. In. diesem Falle 
entscheidet der Venvaltungsrat nach. Anhörung des Vor 
standes. Entsprechendes gilt, wenn der Vorstand in einer 
dringenden Angelegenheit eine Entscheidung nicht recht 
zeitig trifft. Der Zweck dieses Appellationsrechtes, nicht 
etwa Veto-Rechts, wie es fälschlicherweise oft gedeutet 
wird, soll sein, dem Geschäftsführer eine Berufungsmög 
lichkeit zu geben, die unseres Erachtens jedoch nicht mög 
lich ist, wenn ihm zugleich Stimmrecht im Vorstand einge 
räumt wird. Die Aufgabe des Geschäftsführers als ge 
schäftsführender Vorsitzender soll es sein, die Beschlüsse 
des Vorstandes durchzuführen. Hat er gegen diese Be 
schlüsse rechtliche oder schwerwiegende wirtschaftliche 
Bedenken, so kann er nach dieser Fassung des Gesetzes 
den Verwaltungsrat anrufen, der dann nach pflichtgemä 
ßem Ermessen, über den Streitpunkt zu entscheiden hat. 
Nach der ursprünglichen. Fassung des Gesetzentwurfs gab 
zwar die Stimme des Geschäftsführers bei Stimmengleich 
heit den Ausschlag; sofern sich im Vorstand jedoch eine 
Mehrheit fand, konnte der Geschäftsführer überstimmt 
werden. Für diesen Fall war ein Appellationsrecht ln der 
bisherigen Fassung des Gesetzes nicht vorgesehen. Der bis 
herige 9 8 Ahs. 1 Ziffer 12 — Zuständigkeit für die Beschluß 
fassung in Angelegenheiten, die der Venvaltungsrat für 
grundsätzlich bedeutsam hält, eine der Aufgaben, die der 
Verwaltungsrat hat — und der Absatz 2 dieses Paragra 
phen — der Verwaltungsrat hat das Recht, vom Vorstand 
jederzeit Auskunft über die Geschäftsführung zu verlan 
gen — reichte unseres Erachtens nicht aus. Wir waren der 
Meinung, daß mit dem dem geschäftsführenden Vorsitzen 
den des Vorstandes zugebilligten Appellationsrecht be 
stimmte Punkte sofort und unmittelbar an den Verwal 
tungsrat weitergegeben werden können. 
Lassen Sie mich auch zur Zusammensetzung des Verwal 
tungsrates nur einige, wenige Bemerkungen machen. Der 
Entwurf der CDU-Fraktion nimmt sich zwar optisch sehr 
gut aus. 
(Frau Abg. Dr. Besser: Er ist auch gut!) 
Er ist, wenn man nur die Zusammensetzung der Gremien 
ansieht, sicherlich vom Recht der Selbstverwaltung her eine 
gute Sache. Nur wird das ganze, Frau Dr. Besser, relati 
viert dadurch, daß Sie die Fachaufsicht einfilhren und da 
mit die ganze Selbstverwaltung wieder ad absurdum führen. 
Wir waren nicht der Auffassung, daß die Fachaufsicht ein 
adäquates Mittel zur Beaufsichtigung des Studentenwerkes 
ist. Da wir andererseits aber durchaus dem Staat die Mög 
lichkeit der Einflußnahme auf das Studentenwerk zubilligen 
wollten — schließlich soll er ja die Mittel zur Verfügung 
stellen —, waren wir dafür, den Verwaltungsrat paritätisch 
zu besetzen, indem die Hälfte der Mitglieder vom Senat, die 
andere Hälfte aus dem Hochschulbereich gestellt wird. Wir 
glauben, daß dies die sauberere und klarere Lösung Ist, und 
wir möchten Sie bitten, der Ihnen nun vorliegenden Fas 
sung unter Berücksichtigung des von uns eingereichten 
Änderungsantrages die Zustimmung zu geben, und auch zu 
diesem Änderungsantrag nur noch zwei kurze Bemerkun 
gen: 
Es ist Ihnen als Tisch vor läge zugegangen, dem } 6 Abs. 3 
die folgende Fassung zu geben: 
Den Vorsitz im Verwaltungsrat führt das für Hoch 
schulen zuständige Mitglied des Senats oder ein Ver 
treter. Die Sitzungen werden vom Vorsitzenden vorbe 
reitet, einberufen und geleitet. Bei Stimmengleichheit 
gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. 
Wir haben diese neue Fassung, die im Grunde genommen 
nur rein theoretischen, klarstellenden Charakter hat, des 
halb gewählt, weil aus der alten, Fassung möglicherweise 
mißverständlich hergeleitet werden, könnte, daß- — wenn 
ich einmal kurz verlese — 
Den Vorsitz im Verwaltungsrat führt das für Hoch 
schulen zuständige Mitglied des Senats von Berlin oder 
ein Vertreter, der die Sitzungen vorbereitet. 
der Vertreter etwa die Sitzungen vorbereitet; das wollen 
wir ausschließen. Ich glaube, daß sich auch die übrigen 
Fraktionen dem anschließen können. 
Im übrigen schlagen wir vor, die Vereinbarungen zwi 
schen dem Land Berlin und dem Studentenwerk der Freien 
Universität hinsichtlich der Übernahme der Studentenwohn 
heime durch das Studentenwerk der Freien Universität die 
sem Gesetz als Anlage beizufügen, um sicherzustellen, daß 
die Studentenwohnheime auf das neue Studentenwerk über 
gehen. — Ich danke für Hure Aufmerksamkeit. 
(Beifall bei der SPD)
	        
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