Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
G4. Sitzung vom 14. Dezember 1973
bauplanung gestern den Ausdruck von der „Planlosigkeit“
verwendet -— auf einen Grundtatbestand verweisen; das
ist der, daß wir kein staatliches Wohnungsbauprogramm
haben, sondern daß wir ein staatliches Wohnungsbau
förderungsprogramm haben; und das bedeutet, daß wir
von den haushaltsmäßigen, planerischen und — ich darf
mal sagen — allgemeinpolitischen Möglichkeiten her den
Anreiz zu bieten suchen, daß private und öffentliche In
vestoren — aber eben nicht der Staat selbst — die Initiative
ergreifen, um das, was als gewünschte Wohnungszahl pro
Jahr hier in Berlin erstellt werden sollte, wirklich auf die
Beine zu stellen. Und das heißt: Wenn ein Wohnungsbau
förderungsprogramm nicht ausgeschöpft wird — und das
war erstmalig in der Nachkriegszeit im letzten Jahr der
Fall, wo wir uns zur Kürzung des Wohnungsbauförde
rungsprogrammes 1972 veranlaßt gesehen haben —, dann
gibt es einige wenige Faktoren, die das bedingen und die
weitgehend aus dem Streit herausgehalten werden können.
Zum einen könnte behauptet werden, der finanzielle Rah
men, den der Staat setzt — also die Subventionsquote —•
erreiche nicht das Ausmaß, das den Investoren wirklich
die Überzeugung gibt, daß sie den erstellten Wohnraum
vermieten können. Das würde also zwei Faktoren umfas
sen: Einerseits den Faktor, daß die vom Staat festgesetzte
Belastung für die Mieter so hoch sei, daß die Vermieter
zu diesen Bedingungen keine Bezieher von Wohnungen
fänden. Diese Behauptung hat im Berliner Stadtraum nie
zur Debatte gestanden und braucht deswegen nicht weiter
verfolgt zu werden, weil der Senat sich seiner Verantwor
tung stets bewußt war, die Mieterbelastung innerhalb der
Gesamtkostenbelastung — auf die Kollege Blasek hinge
wiesen hat — in einem Rahmen zu halten, der uns nicht
etwa an die Spitze der Kostenbelastung der Einwohner
der Bundesrepublik bringt, sondern sich möglichst im Mit
telfeld oder gar, wenn möglich — denn wir leben ja auch
da von der Bundeshilfe —, am unteren Rande der Be
lastung bewegt.
Bleibt der zweite Punkt; Die Subventionsquote reicht
nicht aus, um das, was zur Kostendeckung für die Bau
herren erforderlich ist, wirklich zustande zu bringen. Hier
darf ich darauf hinweisen — und das ist bewährte Berliner
Praxis und nie von einem der Fachleute oder der Verbände
je in der Vergangenheit beanstandet worden —, daß auch
dieses Argument als kritischer Ansatzpunkt deswegen aus
fällt, weil wir in Berlin das Berechnungsschema für die
im Haushalt anzusetzenden Verpflichtungsermächtigungen
oder Kassenmittel nur festlegen, um den Gesamtrahmen
für die Wohnungsbauförderung zu fixieren, aber in der
Förderung der Einzelmaßnahme jeweils — entweder auf
politischer oder fachlicher Ebene — die Möglichkeit ge
geben haben, auch solche Objekte, und in letzter Zeit nur
solche Objekte, zu fördern, deren Kosten weit oberhalb
dessen liegen, was ein Jahr zuvor dem Parlament als das
eigentlich Erwünschte und Mögliche vor Augen stand. Es
hat also bisher kein einziges Objekt etwa deswegen nicht
gefördert werden können, weil die Bewilligungsinstanzen,
die in der politischen Verantwortung dieses Senats stehen,
etwa eine kleinkarierte Betrachtungsweise an den Tag ge
legt hätten: wir haben uns sogar von einem bewährten
Grundsatz — auf den zu Recht der Kollege Finanzsenator
immer wieder Wert legt — dabei weit wegbewegt, nämlich
eine gewisse Relation zwischen der Mieterbelastung und
der Haushaltsbelastung strikt einzuhalten, ohne daraus
— wie gesagt — ein Grundgesetz der Wohnungsbauförde
rung machen zu wollen.
Damit steht lediglich noch die Möglichkeit im Raum,
daß das gesamte Finanzierungssystem überhaupt nichts
tauge, und da hat ja dann auch in der Vergangenheit die
Opposition oftmals Anlaß genommen, zu meinen, daß es
daran liege, wenn Investoren nicht den Weg zu den Bewil
ligungsstellen gefunden hätten. Ich kann sagen, daß auch
nach weiterer Prüfung dieser Behauptung in den abgelau
fenen Monaten wir keinen einzigen Fall vorzuliegen haben,
wo uns irgendein Unternehmer oder ein Unternehmen einen
Hinweis darauf gegeben hätte, daß man sich an dem in
Berlin eingeführten System der Ertragssubvention stoße.
Denn die Frage, die ursprünglich gerade bei privaten
Unternehmen eine Rolle spielte, daß nämlich bei In
anspruchnahme der öffentlichen Wohnungsbauförderung
ein Bilanzvermerk eine Überschuldung des Unternehmens
ausweisen würde, das war einmal eine Befürchtung, eine
— wie ich meine — auch gar nicht leichtzunehmende Be
fürchtung: dies hat sich inzwischen durch die Erläuterun
gen, die alle im wissenschaftlichen Bereich Tätigen dazu
gegeben haben, verflüchtigt, hat also nicht dazu geführt,
ein einziges Objekt von uns fernzuhalten.
Bleibt etwas anderes — und das, Kollegen Lorenz, Liebig
und Blasek, ist politisch nur noch sehr bedingt beeinfluß
bar —, nämlich die Frage, wie diejenigen, die ihre Pro
jekte auf den Tisch legen sollen, ganz allgemein die wirt
schaftliche Entwicklung einschätzen; ob sie zum Beispiel
eine Lage, auf die weder der für das Wohnungsbauwesen
verantwortliche Senator noch der Gesamtsenat der Stadt
Berlin Einfluß haben, nämlich die allgemeine Hochzins
entwicklung, als einen so gewichtigen Faktor einschätzen,
daß sie sich von daher daran hindern lassen, solch ein
Projekt auf die Beine zu stellen. Denn eines ist gewiß,
und das ist ein Unsicherheitsfaktor, den niemand hier vom
Tisch wischen kann; Wenn heute Projekte nur mit einer
Belastung von 16 bis 18 DM Kostenmiete — ich greife die
Zahlen des Kollegen Blasek, weil sie mir realistisch zu sein
scheinen, auf — gefördert werden können, dann fragt sich
natürlich, trotz der hohen Subventionsquote des Staates,
der einzelne, wann jemals dieses Projekt hineinwächst in
den marktwirtschaftlichen Ausgleich, bei dem der Mieter
eine solche Miete echt zahlen kann, wenn kein Pfennig
staatliche Subvention mehr gezahlt wird. Und für diese
Frage und für diese Sorge der Investoren habe ich Ver
ständnis, und ich kann sie hier für den Senat klar wie
folgt beantworten: Das System des Abbaues von Subven
tionen auf dem Gebiet der Wohnungsbauförderung ist für
uns kein starres Schema, das wir fortschreiben, daß bloß,
weil drei Jahre abgelaufen sind, bloß weil sechs oder neun
oder fünfzehn Jahre abgelaufen sind, die Subventionsquote
automatisch reduziert wird, sondern wir werden sehr sorg
fältig die allgemeine Einkommensentwicklung, und zwar
die reale Einkommensentwicklung, zu verfolgen haben, um
festzustellen, ob die aus dem Abbau der Ertragssubventio
nen zuwachsenden Belastungen für die Mieterschaft wirk
lich erträglich sind. Und ich meine, mit dieser Zusage vor
Augen wird das Ganze auch erträglich für diejenigen, die
auf der Vermieterseite stehen, weil sie wissen, daß, wenn
zu Spannungen führen müßte, was als echter Mietbetrag
aus dem Abbau der staatlichen Subventionen erwächst, sie
dann darauf rechnen können, daß die politischen Instanzen,
das Abgeordnetenhaus und der Senat, sich dessen voll be
wußt sind, daß dies kein starres Schema sein darf, und daß
wir deswegen — trotz dieser Ausgangsbelastung — nicht
in abenteuerliche Belastungen der Mieterschaft — und in
der Folge natürlich auch der Vermieterschaft — hinein
wachsen.
Ich habe dies deswegen so ausführlich dargestellt, weil
ich glaube, daß die Gelegenheit der Haushaltsdebatte ein
mal zur Versachlichung des ganzen Problems, ob 20 000
Wohneinheiten der Weisheit letzter Schluß sind oder das,
was unterhalb dessen herauskommt, und aus den insofern
autonomen Entscheidungen der Investoren folgt, beitra
gen sollte. Und ich will, bevor ich mich den Fragen der
Zukunft widme, zu denen ich mich genauso zurückhaltend
äußern möchte wie die Sprecher der Fraktionen, einfach
deswegen, weil sich zeigen wird, daß es einige gewichtige
politische Entscheidungen geben muß im nächsten Jahr
auf dem Sektor der Bauwirtschaft und vor allen Dingen
der Zinsbelastung der Bauwirtschaft, die eine Veränderung
des Gesamtkurses herbeiführen müssen, wenn wir hier
nicht irreparable Schäden, nicht nur im Bundesgebiet,
sondern, trotz einiger besonderer politischer Akzente, in
unserer Stadt herbeiführen wollen; insofern sind wir ab
hängig von Entscheidungen, die wir zwar beeinflussen
können, die wir aber nicht fällen. Deswegen will ich da
zurückhaltend sein, will aber auf das abgelaufene Jahr
und die Prognosen des vorigen Jahres, vor allen Dingen
der organisierten Bauwirtschaft, noch einmal kurz Bezug
nehmen. Es gab damals dieses berühmte Wortspiel in einer
Pressekonferenz der Fachgemeinschaft Bau von dem „ge
dämpften Pessimismus", dem Ich am gleichen Tage den
„gedämpften Optimismus“ entgegensetzte. Es ist keine
Rechthaberei, wenn ich heute feststelle, daß ich in dieser
Frage mehr recht behalten habe als ich damals dachte, daß
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