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Volume Nr. 64, 14.12.73

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1973, 6. Wahlperiode, Band III, 43.-65. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
64. Sitzung vom 14. Dezember 1973 
Nachdruck gesagt werden, daß die gemeinnützigen Träger 
eine reibungslose Finanzierung auch gerade für die Über 
gangszeit als eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür 
angesehen haben, auf die Anmeldung weiterer Bedenken 
gegen den Krankenhausbedarfsplan zu verzichten. Der 
Senat ist also eindringlich zu mahnen. 
Wenn jetzt auf Beschluß des Senats ein Planungsteam 
geschaffen und ein Krankenhausmodernisierungsprogramm 
erarbeitet werden soll, so gibt man nach unserer Auffas 
sung hiermit zu, daß man in dieser Grundsatzfrage das 
Pferd vom Schwanz aus aufgezäumt hat. 
Der Entwurf des Krankenhausbedarfsplans erfüllt uns 
mit Sorge. Hier werden bedauerlicherweise zumindest in 
einzelnen Bereichen unzulänglich sachbezogene Entschei 
dungen vorbereitet. Passagenweise verrät dieser Entwurf 
ein ausgeprägtes „Rotstiftdenken“. Es muß in diesem Zu 
sammenhang gefragt werden, ob der Regierende Bürger 
meister gut beraten war, seine Entscheidungen so zu tref 
fen, daß an der Spitze dieser Fachverwaltung sowohl im 
Amt des Senators als auch in dem des Senatsdirektors 
Nichtmediziner stehen. Wir zweifeln die Richtigkeit und 
Zweckmäßigkeit einer solchen Regelung entschieden an. 
Das Gesundheitswesen soll Schwerpunkt sein — einver 
standen. Es besteht aber nach unserem Eindruck auch in 
diesem Bereich ein Schwerpunkt der unbewältigten oder 
falsch angepackten Aufgaben. Wir werden diesen Einzel 
plan ablehnen. 
(Beifall bei der CDU) 
Stellv. Präsident Lorenz: Das Wort hat der Abgeordnete 
Dr. Schönherr. 
Dr. Schönherr (F.D.P.); Herr Präsident! Meine Damen 
und Herren! Die Haushaltsberatungen 1974 erfordern nun 
in acht Monaten die dritte kritische Auseinandersetzung 
mit den gesundheitspolitischen Plänen und Maßnahmen des 
Senats in diesem Jahr. Wir sind nicht schuld daran. Trotz 
der raschen Folge dieser Debatten wird es für uns aber 
keine Wiederholungen geben müssen. Dieses Feld ist weit — 
und der neue Senator für Gesundheit hat dem Amte schon 
seinen eigenen Stil aufgeprägt: wenn es auch anfänglich 
oft genug hieß, es bliebe alles beim alten, so hat sich doch 
einiges getan. Sein anfänglich etwas spröder Stil im Um 
gang mit dem Parlament und die mangelnde Informaticns- 
bereitschaft sind teilweise besser geworden. 
Lassen Sie mich hier vorab eine Erklärung abgeben: 
Alles Mühen um Lösungsmöglichkeiten, Härten in der Dis 
kussion und die ständigen bohrenden Anfragen sollten den 
Senat nicht dazu bewegen, das einfach als Polemik ab 
zutun. Dafür eignet sich im Prinzip — glaube ich — Ge 
sundheitspolitik am allerwenigsten. Die aufopfernde Ar 
beitsleistung dieser Verwaltung und der energische Einsatz 
des neuen Senators verdienen Respekt, auch von der Oppo 
sition. Das enthebt uns aber nicht sehr kritischer Durch 
leuchtung und zum Teil völliger Ablehnung der Vorlagen. 
Die vereinbarte Kürzung und Straffung der Haushalts 
debatte erlauben mir allerdings nur, einige wenige aus der 
Fülle der Probleme hier exemplarisch herauszuheben. 
Mit dem Krankenhausbedarfsplan sei begonnen. In der 
Antragsbegründung vorhin habe ich schon etwas dazu ge 
sagt. Das KHG, das seine Aufstellung fordert, ist bereits im 
Juni 1972 verkündet worden. Eigentlich Zeit genug, um 
heute bessere Lösungen vorzulegen als das, was nun jetzt 
auf dem Tische ist. Das heißt, noch nicht mal auf dem 
Tisch; denn wir haben ja erst einen Vorentwurf. Im Ber 
liner Krankenhausweseen der letzten Jahrzehnte hat es 
wohl wirklich nie soviel Unruhe, Spannungen und offenen 
Zwist gegeben wie seit dem Bekanntwerden dieser Planung. 
Der Senator hat hier in den vergangenen Monaten wahrlich 
nicht versäumt, in jedes der Fettnäpfchen, die er selbst 
aufgestellt hat, zu treten. 
Eine gewisse Respektlosigkeit vor Gewachsenem und 
Bewährtem, eine planerische Überheblichkeit sind nicht zu 
leugnen. Die Art und Weise, wie hier mit zum Teil un 
zureichenden statistischen Unterlagen, fast ausnahmslos 
ohne jede Beratung mit den betroffenen Klinikdirektoren 
bzw. viel zu spät, geplant worden ist, läßt für die Zukunft 
Schlimmes befürchten. 
Betroffen macht die leichte Hand, die ohne Skrupel hier 
bewährte Einrichtungen, Kliniken, der Auflösung überant 
worten oder dort so verkleinern will, daß sie ihren Auftrag 
kaum oder überhaupt nicht mehr erfüllen können. Aus wel 
chem Demokratie-Verständnis heraus kann man so weit 
gehende Entscheidungen ankündigen, ohne — wie es z. B. 
im Fall der zehn Kinderkliniken geschehen ist — auch nur 
mit einem einzigen der Klinikdirektoren vorher gesprochen 
zu haben ? 
(Abg. Rasch: Hört! Hört!) 
Darüber liegen Schreiben mit den Unterschriften der 
zehn Direktoren vor. Wenig später muß sich der Senator 
nach einem durch die Öffentlichkeit erzwungenen Gespräch 
— ich will es zurückhaltend ausdrücken — gewisser un 
korrekter Berichterstattung bezichtigen lassen. Bei einer 
solchen Verhaltensweise geht die Glaubwürdigkeit der Ver 
waltung flöten! 
Die Planung um das Krankenhaus Steglitz enthält wirk 
lich alle Elemente einer klassischen Komödie: Grundstein 
legung für einen großen Bauabschnitt ein Jahr vor dem 
Zeitpunkt, in dem nach der Krankenhausbedarfsplanung 
schon wieder die Auflösung dieses Hauses als möglich dar 
gestellt wird! 
Die Bürgerschaft — gleichgültig, ob sie jetzt davon unmit 
telbar betroffen ist oder nicht — muß all diese Aktionen 
doch einmal teuer bezahlen. 
Daß die beiden großen Berliner Lungenkliniken einen 
Ruf über Berlin hinaus genießen, ist wohl allgemein be 
kannt. Die hier vorgesehene Kürzung des Bettensolls um 
43 % in zwei Jahren bei einer zur Zeit durchschnittlichen 
Auslastung dieser Kliniken zu 95 % ist völlig unverständ 
lich. Wie will der Senat verantworten, daß er hier alle ein 
schlägigen medizinstatistischen und epidemiologischen Er 
kenntnisse und Erfahrungen verleugnet, um das Zahlenspiel 
mit Betten einigermaßen störungsfrei durchziehen zu kön 
nen?! 
Wenn aus den gewiß nötigen Planungsarbeiten solche 
Ergebnisse herausdestilliert werden, dann sollte die Forde 
rung nach jeder neuen Planstelle für Planung doppelt kri 
tisch unter die Lupe genommen werden. Wer wollte Ein 
sparungen in der Bettenzahl grundsätzlich widersprechen? 
Allein schon, wenn man an die Kostenexplosion im Kran 
kenhauswesen oder an die Schwierigkeiten denkt, die nötige 
Anzahl nur von Pflegekräften zu gewinnen. Aber solche 
Bedarfspläne müssen behutsamer, sorgfältiger, überlegter, 
organischer durchdacht werden und sie müssen verbunden 
sein mit strukturellen Veränderungen. 
Auch die F.D.P. sieht die Notwendigkeit — sicherlich hier 
im Gegensatz zu der anderen Oppositionspartei dieses Hau 
ses —, daß kleinere Häuser unter 100 Betten sich zu einem 
Verbund zusammenschließen oder schrittweise aufgelöst 
werden müssen. Jedoch ist unser Ziel eben eine ganz andere 
Form der ärztlichen Betreuung. Belegkliniken können auf 
Dauer — mit wenigen Ausnahmen — einfach die unerläß 
lichen personellen und apparativen Voraussetzungen nicht 
mehr erfüllen. Wir fordern ein System, das es dem frei 
praktizierenden Facharzt ermöglicht, seine Patienten auch 
im größeren Krankenhaus mit allen dort gegebenen Mög 
lichkeiten zu behandeln. Das böte viele Vorteile für die 
Patienten, die „ihren“ Arzt selbst wählen könnten, und für 
die Ärzte, die die Möglichkeit erhielten, ihr ganzes Wissen 
und Können dort voll einzusetzen. 
In Stichworten noch einmal unser Vorschlag: a) Mehr 
Fachärzte in selbständiger Dauerstellung an Kranken 
häusern, b) Nebentätigkeitsgenehmigung für diese Fach 
ärzte in ambulanter Kassenpraxis, c) Arbeitsmöglichkeiten 
für Belegärzte spezieller Fachrichtungen an Kranken 
häusern. Es gibt im Auslande Beispiele genug, daß solche 
Konzeptionen funktionieren. 
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