Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode
43. Sitzung vom 8. Dezember 1973
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zentrale Unterstellung der Krankenanstalten unter die zu
ständige Senatsverwaltung, um die Schaffung eines großen
Eigenbetriebes oder um eine Körperschaft des öffentlichen
Rechts handeln sollte.
Meine Damen und Herren! Viele Dinge im Gesundheits
wesen sind noch in einer Art Schwebezustand. Konzep
tionen sind — wenn wir mal von dem Entwurf eines Kran
kenhausgesetzes absehen, in dem ja gleich verschiedene
Konzeptionen angeboten werden, was man mit dem Wesen
eines Diskussionsentwurfs als durchaus vereinbar ansehen
kann — zunächst nicht oder nicht ausreichend erkennbar;
teilweise fragt man sich bei wichtigen Angelegenheiten, ob
sie überhaupt schon vorliegen. Wohlmeinender Rat an den
Senat: Etwas weniger Geschäftigkeit und Publicitybeflis
senheit, mehr Tatsachen und Konsequenzen. Fazit; Unter
diesen Umständen muß die CDU-Fraktion ihre kritische
Einstellung zum Etat Gesundheit und Umweltschutz bei
behalten. Sie wird diesen Etat ablehnen.
(Beifall bei der CDU)
Stellv. Präsident Hoppe: Das Wort hat Herr Abgeord
neter Professor Schönherr.
Dr. Schönherr (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Vor einem Jahr brachten wir unsere Genug
tuung zum Ausdruck, daß mit einer wieder selbständigen
Gesundheitsverwaltung eine glücklose Experimentierphase
ihr Ende gefunden hatte. Wir begrüßten die organische Er
gänzung der Gesundheitsverwaltung um die Aufgabe des
Umweltschutzes.
Heute zwingt uns die Beschäftigung mit dem Haushalt in
den Einzelplänen 11 und 41 aber auch gleich von vornherein
zu einer kritischen Betrachtung der neuen Organisations
form. Sind die Schwerpunkte ausgewogen verteilt, sind die
Akzente hier richtig gesetzt worden? Man könnte manch
mal zu dem Schluß kommen, als ob die Aufgaben des Um
weltschutzes die Interessen und die Aktivitäten so stark
gebunden haben, daß Gesundheitswesen und Krankenver
sorgung nicht immer die erforderliche Aufmerksamkeit er
fahren konnten.
Die heutige Haushaltsberatung erfolgt in der Halbzeit
der Legislaturperiode. Es ist deshalb unumgänglich, die
sehr hoch angesetzten Ziele und Erwartungen in der Re
gierungserklärung und den beigegebenen Materialien an
dem zu messen, was erreicht wurde oder zumindest in einer
übersehbaren Zeit erreicht werden kann.
Der Entwurf eines Landeskrankenhausgesetzes ist ver
öffentlicht worden und wird zur Zeit in allen einschlägigen
Gremien ausgiebig diskutiert. Das ist gut so! Wird dieses
Gesetz uns aber auch dem gesundheitspolitischen Ziel etwas
näher bringen? Und hier besteht ein sehr krasser Gegen
satz zu dem, was mein Vorredner eben gesagt hat — wir
meinen nämlich zum Ziel einer ausgewogenen Zentralisie
rung im Krankenhauswesen. Wir sind allerdings in Sorge,
daß bei dieser Diskussion zu viele Aktivitäten der inneren
Organisation, den Organen, den Konferenzen, den Fragen
der Mitbestimmung und so weiter gewidmet werden.
Vom Planungsteam „Neustrukturierung des Kranken
hauswesens“ sind eine Fülle von Planungsunterlagen mit
hervorragender Exaktheit erarbeitet und Lösungsvor
schläge vorgelegt worden. Wird man von diesen Anregun
gen Gebrauch machen? Wir bezweifeln es, insbesondere
was die äußere Struktur und Zentralisierungsfragen an
geht. Von einer verbindlichen, einheitlichen Krankenhaus
politik — die Universitätskliniken müssen dabei einge
schlossen werden; auch schon wegen ihrer Verbindung zu
den Aufgaben der akademischen Lehr-Krankenhäuser in
der Stadt dürfen sie nicht ausgespart bleiben —, und von
einer vollen Integrierung sprachen bereits die Materialien
zur Regierungserklärung, also von einer Krankenhaus
politik aus einem Guß als Kernstück einer alle Teilbereiche
umfassenden Gesundheitspolitik, davon ist in Berlin nichts
zu erkennen.
Sollte man nicht dort, wo freigemeinnützige und private
Krankenanstalten in ganz vorbildlicher Weise die ärzt
liche Betreuung der Bevölkerung sicherstellen — und sie
decken ja immerhin in Berlin 40 % des Bettenbedarfs —,
die Lage einiger städtischer Häuser sehr sorgfältig, sehr
kritisch überprüfen, Fragen der Umorganisation erwägen,
das heißt dann auch, eventuell ganze Abteilungen schließen,
die ein einer Großstadt nicht mehr völlig gerechtes Dasein
führen und eine sinnvolle Kooperation angehen, mit der
erhebliche Einsparungen erzielt werden könnten, die dann
zur Leistungssteigerung an anderen Stellen zur Verfügung
stünden? Es drängt sich leider immer mehr der Eindruck
auf, als ob schon die Ansätze zu einer solchen umfassenden
gesundheitspolitischen Initiative den bezirklichen Eigen
interessen zum Opfer gefallen sind. Wenn es nicht gelingt,
Lösungen zu erreichen, daß der Senator für Gesundheit und
Umweltschutz zentrale Entscheidungen über die Kranken
hausversorgung der Berliner Bevölkerung fällen kann, dann
muß seine Politik auf diesem Gebiet schon heute als ge
scheitert gelten.
Meine Damen und Herren! An einigen wenigen Beispielen
soll verdeutlicht werden, daß viele der derzeitigen Rege
lungen im Berliner Gesundheitswesen nicht zufriedenstel
len können und zu einem mitunter unverantwortlichen
Kostenaufwand geführt haben. Mehrjährige Erprobungs
arbeiten auf dem Gebiete der Automatisierung im Kran
kenhaus — selbstverständlich bejahen wir im Prinzip diese
Bemühungen — haben gezeigt, daß bestimmte Systeme,
u. a. wegen der zu hohen Fehlerraten, nicht geeignet sind.
Die Hersteller-Firma hat die Geräte vom Markt wieder zu
rückgezogen, in Berlin wird mit diesem System weiter
gearbeitet. Solche Fehlinvestierungen — die Modellvor
haben kosten ja schon Millionen — sollten vermeidbar sein.
Es werden ja bereits seit vielen Jahren auch an anderen
Orten, nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland
auf diesem Gebiet Erprobungen im EDV-Bereich in Kran
kenhäusern durchgeführt. Was wurde von diesen Erfah
rungen in Berlin übernommen, ohne wieder bei Null an
zufangen ?
Das zweite Beispiel ist das Apothekenwesen in den Kran
kenhäusern. Wenn durch eine Zentralisierung Einsparun
gen zwischen 50 und 70 % des Einkaufspreises — so heißt
es im Senatsbericht — erzielt werden können, dann müßten
doch auch schnelle Lösungen — vielleicht als Provisorien —
eingeleitet werden, ohne daß erst wieder mit Neubauten
begonnen wird. Allein für den Bezirk Zehlendorf ist dann
eine Zentralapotheke vorgesehen mit einem Kostenaufwand
von über acht Millionen. Es mutet grotesk an, daß es selbst
auf einem so begrenzten Gebiet nicht möglich sein soll,
durch sinnvolle Planungen zu erheblichen Einsparungen zu
kommen. Und was könnte man dort noch mehr einsparen,
wenn han einen sinnvollen Verbund mit den freigemein
nützigen Häusern anstrebte ?
Drittens: Wir müssen unsere Forderung nach einem neuen
Konzept zur Bekämpfung des Rauschmittelmißbrauches in
Berlin noch einmal mit Nachdruck wiederholen. Das Thema
ist so aktuell wie eh und je, und wenn jetzt darüber nicht
mehr ganz so viel in der Presse geschrieben wird, dann
sollte das nicht täuschen.
In Hamburg z. B., wo die Erfolge nachweisbar groß sind,
ist es gelungen, den von uns vorgeschlagenen Koordinie
rungsstab nur mit der Aufwendung einer zusätzlichen Plan
stelle zu installieren. Dieser Stab arbeitet vorzüglich. Viele
mit so großen Hoffnungen in Berlin gestarteten Versuche —
ich denke nur an die Rot-Kreuz-Klinik — sind leider ohne
Erfolg geblieben. Daß etwas nicht stimmt in der vom Senat
immer wieder behaupteten Koordinierung auf diesem Ge
biet, beweisen ja auch die immer erneuten Bemühungen
einiger Bezirksstadträte, die der Mehrheitsfraktion ange
hören, um ressortübergreifende Lösungen.
Mindestens ein Satz muß schließlich noch dem Schicksal
des geplanten Instituts für perinatale Medizin gewidmet
werden. Das ist ein Parade-Beispiel für Rivalitäten,
(Abg. Milschewsky: Unter Professoren?)
— vielleicht auch — von Kollege zu Kollege —, für Konzep-