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Volume Nr. 42, 08.12.72

Full text: Plenarprotokoll (Public Domain) Issue1972, 6. Wahlperiode, Band II, 22.-42. Sitzung (Public Domain)

Abgeordnetenhaus von Berlin - 6. Wahlperiode 
43. Sitzung vom 8. Dezember 1973 
1507 
zentrale Unterstellung der Krankenanstalten unter die zu 
ständige Senatsverwaltung, um die Schaffung eines großen 
Eigenbetriebes oder um eine Körperschaft des öffentlichen 
Rechts handeln sollte. 
Meine Damen und Herren! Viele Dinge im Gesundheits 
wesen sind noch in einer Art Schwebezustand. Konzep 
tionen sind — wenn wir mal von dem Entwurf eines Kran 
kenhausgesetzes absehen, in dem ja gleich verschiedene 
Konzeptionen angeboten werden, was man mit dem Wesen 
eines Diskussionsentwurfs als durchaus vereinbar ansehen 
kann — zunächst nicht oder nicht ausreichend erkennbar; 
teilweise fragt man sich bei wichtigen Angelegenheiten, ob 
sie überhaupt schon vorliegen. Wohlmeinender Rat an den 
Senat: Etwas weniger Geschäftigkeit und Publicitybeflis 
senheit, mehr Tatsachen und Konsequenzen. Fazit; Unter 
diesen Umständen muß die CDU-Fraktion ihre kritische 
Einstellung zum Etat Gesundheit und Umweltschutz bei 
behalten. Sie wird diesen Etat ablehnen. 
(Beifall bei der CDU) 
Stellv. Präsident Hoppe: Das Wort hat Herr Abgeord 
neter Professor Schönherr. 
Dr. Schönherr (F.D.P.): Herr Präsident! Meine Damen 
und Herren! Vor einem Jahr brachten wir unsere Genug 
tuung zum Ausdruck, daß mit einer wieder selbständigen 
Gesundheitsverwaltung eine glücklose Experimentierphase 
ihr Ende gefunden hatte. Wir begrüßten die organische Er 
gänzung der Gesundheitsverwaltung um die Aufgabe des 
Umweltschutzes. 
Heute zwingt uns die Beschäftigung mit dem Haushalt in 
den Einzelplänen 11 und 41 aber auch gleich von vornherein 
zu einer kritischen Betrachtung der neuen Organisations 
form. Sind die Schwerpunkte ausgewogen verteilt, sind die 
Akzente hier richtig gesetzt worden? Man könnte manch 
mal zu dem Schluß kommen, als ob die Aufgaben des Um 
weltschutzes die Interessen und die Aktivitäten so stark 
gebunden haben, daß Gesundheitswesen und Krankenver 
sorgung nicht immer die erforderliche Aufmerksamkeit er 
fahren konnten. 
Die heutige Haushaltsberatung erfolgt in der Halbzeit 
der Legislaturperiode. Es ist deshalb unumgänglich, die 
sehr hoch angesetzten Ziele und Erwartungen in der Re 
gierungserklärung und den beigegebenen Materialien an 
dem zu messen, was erreicht wurde oder zumindest in einer 
übersehbaren Zeit erreicht werden kann. 
Der Entwurf eines Landeskrankenhausgesetzes ist ver 
öffentlicht worden und wird zur Zeit in allen einschlägigen 
Gremien ausgiebig diskutiert. Das ist gut so! Wird dieses 
Gesetz uns aber auch dem gesundheitspolitischen Ziel etwas 
näher bringen? Und hier besteht ein sehr krasser Gegen 
satz zu dem, was mein Vorredner eben gesagt hat — wir 
meinen nämlich zum Ziel einer ausgewogenen Zentralisie 
rung im Krankenhauswesen. Wir sind allerdings in Sorge, 
daß bei dieser Diskussion zu viele Aktivitäten der inneren 
Organisation, den Organen, den Konferenzen, den Fragen 
der Mitbestimmung und so weiter gewidmet werden. 
Vom Planungsteam „Neustrukturierung des Kranken 
hauswesens“ sind eine Fülle von Planungsunterlagen mit 
hervorragender Exaktheit erarbeitet und Lösungsvor 
schläge vorgelegt worden. Wird man von diesen Anregun 
gen Gebrauch machen? Wir bezweifeln es, insbesondere 
was die äußere Struktur und Zentralisierungsfragen an 
geht. Von einer verbindlichen, einheitlichen Krankenhaus 
politik — die Universitätskliniken müssen dabei einge 
schlossen werden; auch schon wegen ihrer Verbindung zu 
den Aufgaben der akademischen Lehr-Krankenhäuser in 
der Stadt dürfen sie nicht ausgespart bleiben —, und von 
einer vollen Integrierung sprachen bereits die Materialien 
zur Regierungserklärung, also von einer Krankenhaus 
politik aus einem Guß als Kernstück einer alle Teilbereiche 
umfassenden Gesundheitspolitik, davon ist in Berlin nichts 
zu erkennen. 
Sollte man nicht dort, wo freigemeinnützige und private 
Krankenanstalten in ganz vorbildlicher Weise die ärzt 
liche Betreuung der Bevölkerung sicherstellen — und sie 
decken ja immerhin in Berlin 40 % des Bettenbedarfs —, 
die Lage einiger städtischer Häuser sehr sorgfältig, sehr 
kritisch überprüfen, Fragen der Umorganisation erwägen, 
das heißt dann auch, eventuell ganze Abteilungen schließen, 
die ein einer Großstadt nicht mehr völlig gerechtes Dasein 
führen und eine sinnvolle Kooperation angehen, mit der 
erhebliche Einsparungen erzielt werden könnten, die dann 
zur Leistungssteigerung an anderen Stellen zur Verfügung 
stünden? Es drängt sich leider immer mehr der Eindruck 
auf, als ob schon die Ansätze zu einer solchen umfassenden 
gesundheitspolitischen Initiative den bezirklichen Eigen 
interessen zum Opfer gefallen sind. Wenn es nicht gelingt, 
Lösungen zu erreichen, daß der Senator für Gesundheit und 
Umweltschutz zentrale Entscheidungen über die Kranken 
hausversorgung der Berliner Bevölkerung fällen kann, dann 
muß seine Politik auf diesem Gebiet schon heute als ge 
scheitert gelten. 
Meine Damen und Herren! An einigen wenigen Beispielen 
soll verdeutlicht werden, daß viele der derzeitigen Rege 
lungen im Berliner Gesundheitswesen nicht zufriedenstel 
len können und zu einem mitunter unverantwortlichen 
Kostenaufwand geführt haben. Mehrjährige Erprobungs 
arbeiten auf dem Gebiete der Automatisierung im Kran 
kenhaus — selbstverständlich bejahen wir im Prinzip diese 
Bemühungen — haben gezeigt, daß bestimmte Systeme, 
u. a. wegen der zu hohen Fehlerraten, nicht geeignet sind. 
Die Hersteller-Firma hat die Geräte vom Markt wieder zu 
rückgezogen, in Berlin wird mit diesem System weiter 
gearbeitet. Solche Fehlinvestierungen — die Modellvor 
haben kosten ja schon Millionen — sollten vermeidbar sein. 
Es werden ja bereits seit vielen Jahren auch an anderen 
Orten, nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland 
auf diesem Gebiet Erprobungen im EDV-Bereich in Kran 
kenhäusern durchgeführt. Was wurde von diesen Erfah 
rungen in Berlin übernommen, ohne wieder bei Null an 
zufangen ? 
Das zweite Beispiel ist das Apothekenwesen in den Kran 
kenhäusern. Wenn durch eine Zentralisierung Einsparun 
gen zwischen 50 und 70 % des Einkaufspreises — so heißt 
es im Senatsbericht — erzielt werden können, dann müßten 
doch auch schnelle Lösungen — vielleicht als Provisorien — 
eingeleitet werden, ohne daß erst wieder mit Neubauten 
begonnen wird. Allein für den Bezirk Zehlendorf ist dann 
eine Zentralapotheke vorgesehen mit einem Kostenaufwand 
von über acht Millionen. Es mutet grotesk an, daß es selbst 
auf einem so begrenzten Gebiet nicht möglich sein soll, 
durch sinnvolle Planungen zu erheblichen Einsparungen zu 
kommen. Und was könnte man dort noch mehr einsparen, 
wenn han einen sinnvollen Verbund mit den freigemein 
nützigen Häusern anstrebte ? 
Drittens: Wir müssen unsere Forderung nach einem neuen 
Konzept zur Bekämpfung des Rauschmittelmißbrauches in 
Berlin noch einmal mit Nachdruck wiederholen. Das Thema 
ist so aktuell wie eh und je, und wenn jetzt darüber nicht 
mehr ganz so viel in der Presse geschrieben wird, dann 
sollte das nicht täuschen. 
In Hamburg z. B., wo die Erfolge nachweisbar groß sind, 
ist es gelungen, den von uns vorgeschlagenen Koordinie 
rungsstab nur mit der Aufwendung einer zusätzlichen Plan 
stelle zu installieren. Dieser Stab arbeitet vorzüglich. Viele 
mit so großen Hoffnungen in Berlin gestarteten Versuche — 
ich denke nur an die Rot-Kreuz-Klinik — sind leider ohne 
Erfolg geblieben. Daß etwas nicht stimmt in der vom Senat 
immer wieder behaupteten Koordinierung auf diesem Ge 
biet, beweisen ja auch die immer erneuten Bemühungen 
einiger Bezirksstadträte, die der Mehrheitsfraktion ange 
hören, um ressortübergreifende Lösungen. 
Mindestens ein Satz muß schließlich noch dem Schicksal 
des geplanten Instituts für perinatale Medizin gewidmet 
werden. Das ist ein Parade-Beispiel für Rivalitäten, 
(Abg. Milschewsky: Unter Professoren?) 
— vielleicht auch — von Kollege zu Kollege —, für Konzep-
	        
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